Drususgasse geleiteten, wo im Erdgeschoss des winzigen Hauses die gute Stube ausgeraumt und fur den Schmaus vorbereitet war. Andreas erhielt den Ehrenplatz am Kopfende der langen Tafel; Elisabeth sa? weit von ihm entfernt am anderen Ende. Es gab Erbsensuppe mit Honig, Heringe mit Senf und Roggenbrot, dazu wurde Bier gereicht. Andreas wurde von den rechts und links neben ihm sitzenden Mannern nach dem Fortgang der Bauarbeiten in Sankt Kolumba befragt, danach wollten sie Genaueres uber das neue Bild des Hochaltars erfahren, auf dem Pastor Hulshout als Stifter und Auftraggeber zu sehen sein wurde. Andreas konnte ihnen nur sagen, dass das Bildwerk in Arbeit sei und vermutlich noch in diesem Jahr aufgestellt wurde. Es fiel ihm schwer, die Unterhaltung weiterzufuhren. Immer ofter spurte er Elisabeths Blicke auf ihm ruhen. Er verlor den Faden, wurde nervos und entschuldigte sich schlie?lich, er musse noch eine Predigt vorbereiten und daher eilends ins Pfarrhaus zuruckkehren. Zusammen mit ihm brachen zwei Frauen aus der Trauergemeinde sowie Elisabeth auf. Sie wartete vor dem Haus auf ihn, der Bruder der Toten hatte ihn noch in ein kurzes Gesprach uber den neuen Stiftsverweser verwickelt. Als Andreas endlich aus dem Haus trat, wurde es bereits dunkel in der engen Gasse.

»Habt Ihr Johannes Dulcken aufgesucht?«, fragte Elisabeth ohne Umschweife.

Er berichtete ihr von dem seltsamen Zusammentreffen und von Dulckens Behauptung, er sei von Ludwig hintergangen worden. Elisabeth lief puterrot an und kniff die Augen zusammen. »Dieser Hund!«, rief sie. »Dieser Bastard! Wie kann er so etwas behaupten! Ludwig hat mir oft von Dulckens unlauteren Praktiken erzahlt und gesagt, es sei nur eine Frage der Zeit, wann er endlich auffliege.«

»Seid Ihr sicher, dass Euer Bruder dabei nicht nachgeholfen hat?«, fragte Andreas vorsichtig, wahrend er neben Elisabeth herging.

»Was wollt Ihr damit sagen?« Sie blieb stehen. Ihre Blicke waren wie Pfeile. Plotzlich war sie Andreas unheimlich.

»Ich wei? gar nichts mehr«, gestand Andreas.

Elisabeth machte einen Schritt auf ihn zu. Unwillkurlich wich er zuruck. Der Schatten eines Lachelns huschte uber ihr Gesicht. »Wenn Dulcken behauptet, mein Bruder habe ihn hereingelegt, steckt er unter einer Decke mit den anderen. Die Sache zieht gro?ere Kreise, als ich vermutet habe.«

»Wovon redet Ihr?«, wunderte sich Andreas und ging weiter. Elisabeth folgte ihm mit raschen Schritten, die von den hohen Hauswanden widerhallten.

»Vielleicht hatte ich Unrecht. Aber was ist, wenn dieser Dulcken und Barbara gemeinsame Sachen machen? Wenn tatsachlich der Grund fur seinen Tod in den Geschaften zu suchen ist?«

»Es besteht immer noch die Moglichkeit, dass ich mich mit meinen Schlussfolgerungen geirrt habe und er sich tatsachlich umgebracht hat, weil er die Seelenqualen wegen des Teufelspaktes nicht mehr ertragen konnte«, entgegnete Andreas.

Elisabeth stellte sich vor ihn. In der Gasse hatte sich die Dunkelheit schon so sehr verdichtet, dass er nur noch die Umrisse der jungen Frau wahrnehmen konnte. Einzig ihre grunen Augen fingen von irgendwoher die letzten Lichtstrahlen ein und bundelten sie zu einem unirdischen Blitzen. »Redet nicht so haufig uber den Teufel. Er konnte Euch schon naher sein, als Ihr ahnt.«

Hinter Andreas ertonte plotzlich lautes Rufen und Singen. Er schaute sich um. Zwei Zecher kamen des Weges, bogen aber in die Breite Stra?e ab. Der Gesang verhallte zwischen den Hausern.

Als Andreas sich umdrehte, war Elisabeth verschwunden.

ACHT

Es war, wie so oft, ein einsames Abendessen. Heinrich und Elisabeth Bonenberg sa?en einander gegenuber an dem alten Eichentisch mit dem wei?en Leinentuch. Es gab dreifarbigen Hecht, feines Brot und dazu Elsasser aus den eigenen Bestanden. Seit Heinrich Bonenberg auch in den Weinhandel eingestiegen war, gab es bei Tisch wenigstens Wein, wenn auch nie vom besten, sodass er meistens mit Honig gesu?t werden musste. Doch das war Elisabeth lieber als das bittere Bier. Sie kummerte sich kaum um die Geschafte ihres Mannes, doch sie wusste, dass ihn vor ihrer Hochzeit ein herber Schlag getroffen hatte. Wegen der Verhansung Kolns konnte er seine Tuche in den anderen Hansestadten nicht mehr absetzen. So war er auf den Einfall gekommen, seinem Schwager Konkurrenz zu machen und selbst Weine in den Londoner Stalhof zu liefern. Doch Ludwig Leyendecker hatte die besseren Verbindungen und verstand uberdies mehr vom Wein, aber er hatte seinen Schwager nicht ruiniert wie Johannes Dulcken, sondern Heinrich sogar in bescheidenem Umfang geholfen. Der Anschein des Reichtums im Bonenberger Haus konnte allerdings nur noch mit Muhe aufrechterhalten werden.

Das Essen wurde schweigend eingenommen. Elisabeth entgingen die bohrenden Blicke ihres Gatten nicht, auch wenn sie ihn kaum ansah. Manchmal tat er ihr Leid. Doch sie wusste genau, dass es dazu keinen Anlass gab. Bei der Hochzeit war alles in einem Vertrag festgelegt worden. Elisabeth hatte als Mitgift eine ungeheuer gro?e Summe Geldes mitgebracht, das Heinrich aber nur dann fur sein Handelshaus nutzen durfte, wenn er die merkwurdige Vereinbarung einhielt, die ihm Elisabeths alterer Bruder aufgezwungen hatte: Es durfte keine leiblichen Erben geben.

Das war fur Heinrich Bonenberg eine kaum annehmbare Bedingung gewesen. Doch zuvor hatte er zum Erhalt seines Kontors erhebliche Kredite aufnehmen mussen und war in Zahlungsschwierigkeiten geraten. Die Heirat mit Elisabeth Leyendecker war ihm da gerade recht gekommen. Er hatte gewusst, dass sie einen etwas merkwurdigen Ruf hatte, aber sie war eine au?erst schone und ehrsam wirkende junge Frau. Und dazu unermesslich reich. In seiner Dienerschaft hatte man dunkle Dinge angedeutet und gemunkelt, sie stehe mit dem Bosen in Verbindung, doch nie hatte es die geringste Bestatigung fur diese Geruchte gegeben.

Elisabeth trank ihren Pokal leer und sah ihren Mann an. In seinen Augen hockte die Gier.

Die Gier nach ihr.

Sie wusste, dass er andere Frauen hatte, und es war ihr gleichgultig. In der Ehevereinbarung war zusatzlich festgelegt worden, dass er sie nicht besitzen durfte. Sie war froh uber diese Klausel, denn Heinrichs Lust war ihr zuwider. Doch heute konnte sie diese vielleicht fur sich nutzen, wenn sie vorsichtig war.

»Ich frage mich, ob mein Bruder viele Feinde gehabt hat«, meinte sie und spielte mit ihren schlanken Fingern um den Rand des Pokals. Sie hatte mit ihrem Mann noch nie eingehend uber Ludwig gesprochen. Immer, wenn sie es versucht hatte, war es Heinrich gelungen, die Unterhaltung abzubrechen oder in andere Bahnen zu lenken. Ihre Gesprache beschrankten sich daher auf die allernotwendigsten Haushaltsbelange.

»Wen interessiert das jetzt noch?«, gab Heinrich zuruck und stutzte den Kopf in die Hande, ohne den Blick von ihr abzuwenden.

»Wie war er als Kaufmann und als Politiker?«, setzte sie nach.

Trineken, die alte Magd, kam herein und raumte das Geschirr ab. Die Herrschaft wusch sich die Hande und trocknete sie an Trinekens Leinentuch. Steif blieben sie sich gegenuber sitzen.

»Du hast mir noch nie solche Fragen gestellt«, meinte Heinrich.

»Die Welt des Handels hat mich nicht interessiert«, gab Elisabeth zuruck. »Die Welten der Kunst und Musik liegen mir naher, doch dir sind sie anscheinend fur ewig verborgen.« Sie lachelte ihn herausfordernd an.

»Warum stellst du mir dann ausgerechnet jetzt solche Fragen?«, wollte Heinrich wissen und goss sich noch einen Pokal des sauren, leicht mit Honig gesu?ten Elsassers ein.

»Ware es dir gleichgultig, wenn einer deiner Bruder Selbstmord begangen hatte?«

»Das ware nicht meine Angelegenheit. Solange sich so etwas nicht auf das Geschaft auswirkt, ist es belanglos.« Heinrich nahm einen Schluck Wein und schnalzte genusslich mit der Zunge. Er verstand nicht viel von diesem edlen Saft.

Elisabeth ekelte sich vor Heinrich. Wenn es damals nicht fur alle der beste Weg gewesen ware, hatte sie sich ihrem Bruder so lange widersetzt, bis er ihr einen anderen Gatten ausgewahlt hatte.

Heinrich leckte sich mit der Zunge uber die Lippen und sah dabei seine Frau an. »Wenn du unbedingt wissen willst, wie dein lieber Bruder wirklich war, konnte ich dir einen kleinen Handel vorschlagen.«

»Einen Handel?« Elisabeth tat so, als wisse sie nicht, was er damit meinte.

Er seufzte. »Drei Jahre sind wir nun schon verheiratet, und nicht ein einziges Mal hast du erlaubt, diese irrsinnige Klausel in unserem Vertrag zu brechen.«

»Welche Klausel meinst du?« Langsam machte ihr dieses Spiel Spa?.

Er schlug mit der Faust auf den Tisch. Die Pokale erzitterten. Der dumpfe Klang erinnerte Elisabeth an den

Добавить отзыв
ВСЕ ОТЗЫВЫ О КНИГЕ В ИЗБРАННОЕ

0

Вы можете отметить интересные вам фрагменты текста, которые будут доступны по уникальной ссылке в адресной строке браузера.

Отметить Добавить цитату