der Fahrt in den Beutel greift — damn!«
«So hat er es wohl auf Euch abgesehen?«
«Ja, gerade auf mich.«
«Warum?«
«Er sagt, mein Durst sei zu gro?; den andern zahlt er taglich, mir aber nicht. Da ist's dann kein Wunder, wenn der Durst gro?er und immer gro?er wird.«
«Nun, es soll ganz auf Euch ankommen, ob Ihr ihn heute werdet stillen konnen oder nicht.«
«Wieso?«
«Ich bin bereit, Euch einige Dollar zu geben, wenn Ihr mir dafur einen Gefallen thut.«
«Einige Dollar? Huzza! Dafur bekame ich so mehrere Flaschen voll! Nur heraus mit Eurem Wunsche, Sir. Den Gefallen werde ich Euch gut und gern erweisen.«
«Die Sache ist nicht so leicht. Ich wei? nicht, ob Ihr der richtige Mann sein werdet.«
«Ich? Wenn's gilt, einen Brandy zu verdienen, so bin ich stets der richtige Mann.«
«Moglich. Aber es mu? schlau angefangen werden.«
«Schlau? Es ist doch nicht etwa etwas, was meinem Rucken Schaden bringen kann? Der Kapitan duldet keine Unregelma?igkeit.«
«Keine Sorge; es ist nichts derartiges. Ihr sollt nur ein wenig lauschen, ein wenig horchen.«
«Wo? Bei wem?«
«In dem Salon.«
«So? Hm?«brummte er nachdenklich.»Warum denn, Sir?«
«Weil — nun, ich will aufrichtig mit Euch sein.«— Er schob dem Neger ein volles Glas hin und fuhr in vertraulichem Tone fort:»Da ist ein gro?er, riesenhaft gebauter Sir, den sie Old Firehand nennen, ferner ein dunkelbartiger Kerl, welcher Tom hei?t, und endlich eine Fastnachtsmaske in einem langen Lederrocke, welche auf den Namen Tante Droll hort. Dieser Old Firehand ist ein reicher Farmer, und die beiden andern sind seine Gaste, welche er mit zu sich nimmt. Zufalligerweise wollen auch wir nach dieser Farm, um dort Arbeit zu nehmen. Es versteht sich da ganz von selbst, da? es da eine gute Gelegenheit gibt, zu erfahren, was fur Leute die sind, mit denen wir es zu thun haben werden. Ich denke, sie werden von ihren Angelegenheiten sprechen, und wenn Ihr die Ohren offen haltet, kann es Euch gar nicht schwer fallen, uns zufrieden zu stellen. Ihr seht und hort, da? ich gar nichts Unrechtes und Verbotenes von Euch verlange.«
«Ganz richtig, Sir! Kein Mensch hat mir verboten, zuzuhoren, wenn andre hier sprechen. Die nachsten sechs Stunden gehoren mir; ich bin arbeitsfrei und kann thun, was mir beliebt.«
«Aber wie wollt Ihr es anfangen?«
«Das ist eine Frage, uber welche ich soeben nachdenke.«
«Durft Ihr in den Salon?«
«Untersagt ist es mir gerade nicht; aber ich habe nichts darin zu suchen.«
«So macht Ihr Euch einen Vorwand!«
«Aber welchen? Ich konnte etwas hineintragen, etwas herausholen. Das ist aber in so kurzer Zeit geschehen, da? ich meinen Zweck dabei nicht zu erreichen vermag.«
«Gibt es denn nicht irgend eine Arbeit, mit welcher Ihr Euch langer darin beschaftigen mu?t?«
«Nein — oder doch! Da fallt mir etwas ein. Die Fenster sind schmutzig; ich konnte sie putzen.«
«Wird das nicht auffallen?«
«Nein. Da der Salon stets besetzt ist, so kann diese Arbeit nicht zu einer Zeit vorgenommen werden, in welcher niemand da ist.«
«Aber Ihr seid es nicht, der sie zu verrichten hat.«
«Das schadet nichts. Sie ist eigentlich des Stewards Sache; diesem aber thue ich den gro?ten Gefallen, wenn ich sie ihm abnehme.«
«Aber er kann Verdacht fassen.«
«Nein. Er wei?, da? ich kein Geld habe und doch gern einen Brandy trinke. Ich sage, da? ich Durst habe, und an seiner Stelle fur ein Glas die Fenster putzen will. Da wird er kein Mi?trauen fassen. Ihr braucht keine Sorge zu haben, Sir, ich werde es gewi? ermoglichen. Also wie viele Dollar versprecht Ihr mir?«
«Ich zahle nach dem Werte der Nachricht, welche Ihr mir bringt, zum wenigsten aber drei Stuck.«
«All right; es wird gemacht. Schenkt mir noch einmal ein, dann will ich gehen.«
Als er sich entfernt hatte, wurde der Cornel gefragt, was er eigentlich mit dem erteilten Auftrage bezwecke. Er antwortete:»Wir sind arme Tramps und mussen uberall sehen, wo wir bleiben. Wir haben hier Passage zahlen mussen, und so will ich wenigstens den Versuch machen, zu erfahren, ob wir dieses Geld nicht auf irgend eine Weise wieder bekommen konnen. Fur den weiten Marsch, welchen wir vorhaben, mussen wir Vorbereitungen treffen, welche viel Geld kosten, und ihr wi?t, da? unsre Beutel ziemlich leer geworden sind.«
«Wir wollen sie ja aus der Eisenbahnkasse fullen!«
«Wi?t ihr so genau, da? uns dieser Plan gelingen wird? Wenn wir schon hier Geld machen konnen, so ware es die gro?te Thorheit, die Gelegenheit unbenutzt vorubergehen zu lassen.«
«Also, da? ich es gerade heraussage, Diebstahl hier an Bord? Das ist gefahrlich. Man kann doch nicht dann augenblicklich fort, und wenn der Betreffende den Verlust entdeckt, so gibt es ganz sicher ein schauderhaftes Hallo, dem eine Durchsuchung samtlicher Personen und aller Winkel des Schiffes folgen wird. Gerade wir werden die ersten sein, auf welche der Verdacht fallt.«
«Du bist der gro?te Kindskopf, der mir vorgekommen ist. So eine Sache ist gefahrlich und auch nicht, ganz je nachdem, wie sie angefa?t wird. Und ich bin nicht derjenige, der sie bei der falschen Seite fa?t. Wenn ihr mir in allem folgt, so mu? uns alles, auch dann der letzte gro?e Coup gelingen.«
«Der droben am Silbersee? Hm! Wenn man dir da nur nicht einen Baren aufgebunden hat.«
«Pshaw! Ich wei?, was ich wei?. Es kann mir nicht einfallen, euch jetzt schon einen ausfuhrlichen Bericht zu geben. Wenn wir an Ort und Stelle sind, werde ich, euch unterrichten. Bis dahin mu?t ihr mir vertrauen schenken und mir glauben, wenn ich euch sage, da? es da oben Reichtumer gibt, welche fur uns alle lebenslang ausreichen. Jetzt wollen wir alles unnotige Geschwatz vermeiden und lieber ruhig abwarten, was der dumme Nigger uns fur einen Bericht bringt.«
Er lehnte sich an die Schanzverkleidung und schlo? die Augen zum Zeichen, da? er nun nichts mehr horen wolle und nichts mehr sagen werde. Auch die andern machten es sich so bequem wie moglich. Die einen gaben sich Muhe, einzuschlafen, ohne aber diesen Zweck zu erreichen, die andern flusterten leise miteinander uber den gro?en Plan, zu dessen Ausfuhrung sie sich auf Leben und Tod verbunden hatten.
Der» dumme Nigger «schien seiner Aufgabe doch gewachsen zu sein. Hatte er ein unuberwindliches Hindernis gefunden, so ware er gewi? zuruckgekehrt, um es zu melden. So aber war er erst nach dem Bedienungsraume gegangen, wohl um mit dem Steward zu sprechen, und dann im Eingange zum Salon verschwunden, ohne wieder gesehen zu werden. Es verging weit uber eine Stunde, ehe er auf dem Deck erschien. Er hatte mehrere Wischtucher in der Hand, trug diese fort und kam dann zu der sogleich munter werdenden Gesellschaft, bei welcher er sich niederlie?, ohne die vier Augen zu sehen, von denen er und die Tramps scharf beobachtet wurden. Diese vier Augen gehorten den beiden Indianern, dem alten und dem jungen Bar.
«Nun?«fragte der Cornel gespannt.»Wie habt Ihr Euch meines Auftrages entledigt?«
Der Gefragte antwortete mi?gestimmt:»Ich habe mir alle Muhe gegeben, glaube aber nicht, da? ich fur das, was ich gehort habe, mehr als die ausgemachten drei Dollar bekommen werde.«
«Warum?«
«Weil mein Lauschen vergeblich gewesen ist. Ihr habt Euch namlich geirrt, Sir.«
«Worin?«
«Der Riese hei?t allerdings Old Firehand, ist aber gar nicht Farmer und kann also diesen Tom und die Tante Droll auch nicht zu sich eingeladen haben.«
«Das ware!«fuhr der Cornel auf, indem er den Ton der Enttauschung nachahmte.
«Ja, es ist so, «bekraftigte der Neger.»Der Riese ist ein beruhmter Jager und will weit hinauf ins Gebirge.«
«Wohin?«
«Das sagte er nicht. Ich habe alles gehort und es ist mir kein einziges Wort des Gesprachs entgangen. Die drei Manner sa?en mit dem Vater des Madchens, welches der Panther fressen wollte, beisammen, abseits von den ubrigen.«