«Ich begehre auch nicht mehr, Sir. Fur diese drei Dollar bekomme ich so viel Brandy, da? ich mich tottrinken kann. Ihr seid ein nobler Gentleman. Habt Ihr wieder einen Wunsch, so wendet Euch nur an mich und nicht etwa an einen andern. Ihr konnt auf mich rechnen.«

Er trank noch ein volles Glas aus und begab sich dann zur Seite, wo er sich in den Schatten eines gro?en Ballens niederlegte.

Die Tramps sahen ihren Anfuhrer neugierig an. In der Hauptsache wu?ten sie, woran sie waren, aber sie konnten einige seiner Fragen und Erkundigungen nicht in den richtigen Zusammenhang bringen.

«Da schaut ihr mich nun um Auskunft an, «sagte er, indem sein Gesicht ein uberlegenes, selbstgefalliges Lacheln zeigte.»Neuntausend Dollar in Banknoten, also bares Geld und nicht etwa Cheks oder Wechsel, bei deren Prasentation man in Gefahr geraten kann, festgenommen zu werden! Das ist eine tuchtige Summe, die uns willkommen sein wird.«

«Wenn wir sie haben!«fiel derjenige ein, welcher fur die andern den Sprecher zu machen pflegte.

«Wir haben sie!«

«Noch lange nicht!«

«Oho! Wenn ich es sage, so ist es so.«

«Nun, wie bekommen wir sie denn? Wie wollen wir das Messer erhalten?«

«Ich hole es.«

«Aus der Schlafkabine?«

«Ja.«

«Du selbst?«

«Naturlich. So eine wichtige Arbeit uberlasse ich keinem andern.«

«Und wenn man dich erwischt?«

«Das ist unmoglich. Mein Plan ist fertig, und er wird gelingen.«

«Wenn's wahr ist, soll es mir lieb sein. Aber der Ingenieur wird sein Messer beim Erwachen vermissen. Dann geht der Teufel los!«

«Ja, dann geht freilich der Teufel los; aber wir sind fort.«

«Wohin?«

«Welche Frage! An das Ufer naturlich.«

«Sollen wir etwa hinuberschwimmen?«

«Nein. Das mute ich weder mir noch euch zu. Ich bin kein ubler Schwimmer, aber des Nachts mochte ich mich doch diesem breiten Strome, dessen Ufer man kaum sieht, nicht anvertrauen.«

«So meinst du, da? wir uns eines der beiden Boote bemachtigen?«

«Auch das nicht. Unmoglich ware es zwar nicht, dies zu thun, ohne da? es gesehen wird, aber ich will lieber mit Umstanden rechnen, welche mir bekannt sind, als mit solchen, die ganz unerwartet eintreten und die Ausfuhrung meines Plans unmoglich machen konnen.«

«So sehe ich nicht ein, in welcher Weise wir ans Land kommen sollen, bevor der Diebstahl entdeckt ist.«

«Das ist eben ein Beweis, da? du ein Kindskopf bist. Warum habe ich mich denn so angelegentlich nach dem Kielraum erkundigt?«

«Das kann ich nicht wissen!«

«Wissen freilich nicht, aber erraten. Schau dich um! Was steht dort neben der Ankertaurolle?«

«Das scheint ein Werkzeugkasten zu sein.«

«Erraten! Ich habe gesehen, da? er Hammer, Feilen, Zangen und mehrere Bohrer enthalt, unter denen einer ist, dessen Gewinde einen Durchmesser von anderhalb Zoll hat. Nun vereinige einmal beides, den Kielraum und diesen Bohrer!«

«Thunder-storm! Willst du etwa das Schiff anbohren?«fuhr der andre auf.

«Allerdings will ich das.«

«Da? wir alle ersaufen.«

«Pshaw! Mache dich nicht lacherlich! Vom Ertrinken ist keine Rede. Ich will nur den Kapt'n zwingen, ans Ufer zu legen.«

«Ah so! Aber wird das gelingen?«

«Jedenfalls. Wenn das Schiff Wasser zieht, mu? ein Leck da sein, und wenn ein Leck da ist, fahrt man an das Ufer, um der Gefahr zu entgehen und das Schiff mit Mu?e zu untersuchen.«

«Aber wenn man es zu spat bemerkt!«

«Sei doch nicht so angstlich. Wenn das Schiff sinkt, was sehr langsam geschieht, so steigt die Wasserlinie au?en. Das mu? der Offizier oder Steuermann bemerken, wenn er nicht blind ist. Es wird das einen solchen Larm und Schreck geben, da? der Ingenieur zunachst gar nicht an sein Messer denken wird. Wenn er dann den Verlust entdeckt, sind wir langst fort.«

«Und wenn er doch an das Messer denkt und zwar am Ufer anlegt, aber keinen Menschen aussteigen la?t? Man mu? alles uberlegen.«

«So wird man auch nichts finden. Wir binden das Messer an eine Schnur, lassen es an derselben ins Wasser hinab und befestigen das andre Ende drau?en am Schiffe. Wer es da findet, der mu? geradezu allwissend sein.«

«Dieser Gedanke ist freilich nicht ubel. Was aber dann, wenn wir vom Schiffe sind? Wir wollten doch eigentlich so weit wie moglich mit demselben fahren.«

«Fur neuntausend Dollar lauft man gern eine Strecke. Wenn wir teilen, kommt auf den Kopf eine Summe von weit uber vierhundert Dollar. Ubrigens werben wir uns nicht zu lange auf unsre Beine zu verlassen brauchen. Ich denke, da? wir bald eine Farm oder ein Indianerlager treffen, wo wir uns Pferde kaufen konnen, ohne sie zu bezahlen.

«Das lasse ich gelten. Und dann reiten wir wohin?«

«Zunachst nach dem Black-bear-Flusse.«

«Etwa zu den Rafters, von denen der Nigger sprach?«

«Ja. Es ist sehr leicht, ihr Lager auszukundschaften. Naturlich lassen wir uns dort nicht sehen, sondern lauern den Schwarzbartigen ab, um auch ihm sein Geld abzunehmen. Ist das geschehen, so haben wir genug, um uns fur unsern weiten Ritt ausrusten zu konnen.«

«Auf die Eisenbahnkasse wollen wir also dann verzichten?«

«Keineswegs. Sie wird viele, viele Tausende enthalten, und wir werden uns dieses Geld holen. Wir waren aber Thoren, wenn wir nicht schon vorher alles mogliche mitnahmen. Und nun wi?t ihr, woran ihr seid. Heute abend gibt's zu thun, und an Schlaf ist nicht zu denken. Darum legt euch jetzt aufs Ohr, damit ihr dann frisch seid und gut marschieren konnt.«

Dieser Weisung wurde Folge geleistet. Es herrschte uberhaupt infolge der gro?en Hitze auf dem Schiffe eine ganz ungewohnliche Stille und Ruhe. Die Landschaft rechts und links des Flusses bot nichts, was die Aufmerksamkeit der Passagiere auf sich zu ziehen vermochte, und so verbrachte man die Zeit schlafend oder wenigstens in jenem Hindammern, welches das Mittelding zwischen Schlafen und Wachen ist und weder dem Korper noch dem Geiste eine wirkliche Erholung gewahrt.

Erst gegen Abend, als die Sonne sich dem Horizonte naherte, gab es wieder Bewegung auf dem Deck. Die Hitze hatte nachgelassen und ein leidlich frischer Luftzug war wach geworden. Die Ladies und Gentlemen kamen aus ihren Kabinen, um diese Frische zu genie?en. Auch der Ingenieur befand sich unter ihnen. Er hatte seine Frau und Tochter mit, welch letztere sich von ihrem Schrecken und dem unfreiwilligen Wasserbade vollstandig erholt hatte. Diese drei Personen suchten die Indianer auf, da die beiden Damen denselben noch nicht gedankt hatten.

Der alte und der junge Bar hatten den ganzen Nachmittag mit echt indianischer Ruhe und Unbeweglichkeit auf derselben Kiste zugebracht, auf welcher sie schon gesessen hatten, als sie von Tante Droll begru?t worden waren. Sie sa?en auch jetzt noch da, als der Ingenieur mit Frau und Tochter zu ihnen kam.»He — el bakh schai — bakh matelu makik — jetzt werden sie uns Geld geben, «sagte der Vater in der Tonkawasprache zu seinem Sohne, als er sie kommen sah.

Sein Gesicht verfinsterte sich, da die von ihm angegebene Art und Weise der Dankbarkeit fur einen Indianer eine Beleidigung ist. Der Sohn hielt die rechte Hand, mit dem Rucken nach oben gerichtet, vor sich hin und lie? sie dann rasch sinken, was soviel bedeutet, da? er mit seinem Vater nicht derselben Ansicht sei. Sein Auge ruhte mit

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