Wohlgefallen auf dem Madchen, welches er gerettet hatte. Dieses kam mit raschen Schritten auf ihn zu, nahm seine Hand zwischen die ihrigen beiden, druckte sie herzlich und sagte:»Du bist ein guter und mutiger Knabe. Schade, da? wir uns nicht nahe wohnen, ich wurde dich lieb haben.«
Er sah ihr ernst in das rosige Gesichtchen und antwortete:»Mein Leben wurde dir gehoren. Der gro?e Geist diese Worte horen, er wissen, da? sie wahr sind.«
«So will ich dir wenigstens ein Andenken geben, damit du dich meiner erinnerst. Darf ich?«
Er nickte nur. Sie zog einen dunnen Goldring von ihrem Finger und steckte ihm denselben an den linken kleinen Finger, an welchen er gerade pa?te. Er blickte auf den Ring und dann auf sie, griff unter seine Zunidecke, nestelte etwas vom Halse los und gab es ihr. Es war ein kleines, starkes, viereckiges Lederstuck, wei? gegerbt und glatt gepre?t, auf welches einige Zeichen eingepre?t waren.
«Ich dir auch geben Andenken, «sagte er.»Es ist Totem von Nintropan-homosch, nur Leder, kein Gold. Aber wenn du kommen in Gefahr bei Indianer und es vorzeigen, dann Gefahr gleich zu Ende. Alle Indianer kennen und lieben Nintropan-homosch und gehorchen sein Totem.«
Sie verstand nicht, was ein Totem sei und welch einen gro?en Wert es unter Umstanden haben kann. Sie wu?te nur, da? er ihr fur den Ring ein Stuck Leder als Gegengabe schenkte; aber sie zeigte sich nicht enttauscht. Sie war zu mild- und gutherzig, als da? sie es uber das Herz gebracht hatte, ihn durch die Zuruckweisung seiner scheinbar armseligen Gabe zu kranken. Darum band sie sich das Totem um den Hals, wobei die Augen des jungen Indianers vor Vergnugen leuchteten, und antwortete:»Ich danke dir! Nun besitze ich etwas von dir und du hast etwas von mir. Das erfreut uns beide, obgleich wir uns auch ohne diese Gaben nicht vergessen wurden.«
Jetzt bedankte sich auch die Mutter des Madchens und zwar durch einfachen Handedruck. Dann sagte der Vater:»Wie soll nun ich die That des kleinen Baren belohnen? Ich bin nicht arm; aber alles, was ich habe, ware zu wenig, fur das, was er mir erhalten hat. Ich mu? also sein Schuldner bleiben, aber auch sein Freund dazu. Nur ein Andenken kann ich ihm geben, mit welchem er sich gegen seine Feinde schutzen kann, wie er meine Tochter gegen den Panther verteidigt hat. Wird er diese Waffen nehmen? Ich bitte ihn darum.«
Er zog zwei neue, sehr gut gearbeitete Revolver, deren Kolben mit Perlmutter ausgelegt waren, aus der Tasche und hielt sie ihm entgegen. Der junge Indianer brauchte sich keinen Augenblick uber das, was er zu thun habe, zu besinnen. Er trat einen Schritt zuruck, richtete sich kerzengerade auf und sagte:»Der wei?e Mann bietet mir Waffen; das gro?e, gro?e Ehre fur mich, denn nur Manner erhalten Waffen. Ich nehmen sie an und sie nur brauchen dann, wenn verteidigen gute Menschen und schie?en auf bose Menschen. Howgh!«
Er nahm die Revolver und steckte sie unter der Decke in seinen Gurtel. Jetzt konnte sein Vater sich nicht langer halten. Man sah es seinem Gesichte an, da? er mit seiner Ruhrung kampfte. Er sagte zu Butler:»Auch ich wei?em Mann danken, da? nicht geben Geld wie an Sklaven oder Menschen, die keine Ehre haben. So sein es gro?er Lohn, den wir nie vergessen. Wir stets Freunde des wei?en Mannes, seiner Squaw und seiner Tochter. Er gut bewahren Totem von jungem Bar; es sein auch das meinige. Der gro?e Geist ihm stets schicken Sonne und Freude!«
Der Danksagungsbesuch war zu Ende; man reichte sich nochmals die Hande und trennte sich dann. Die beiden Indianer setzten sich wieder auf ihre Kiste.»Tua enokh — gute Leute!«sagte der Vater.
«Tua — tua enokh — sehr gute Leute!«stimmte der Sohn bei. Das waren die einzigen Herzensergusse, welche ihre indianische Schweigsamkeit ihnen nun noch gestattete. Der Vater fuhlte sich ganz besonders dadurch geehrt, da? man nicht auch ihn, sondern nur seinen Sohn, auf welchen er so stolz war, beschenkt hatte.
Da? der Dank des Ingenieurs nach indianischen Begriffen mit solcher Zartheit ausgefallen war, hatte seinen Grund nicht in ihm selbst. Er war mit den Ansichten und Gebrauchen der Roten zu wenig vertraut, als da? er hatte wissen konnen, wie er sich in diesem gegebenen Falle zu verhalten habe. Darum hatte er Old Firehand um Rat gefragt und war von ihm unterrichtet worden. Jetzt kehrte er zu ihm zuruck, der mit Tom und Droll vor der Kajute sa?, und erzahlte ihm von der Aufnahme, welche die Geschenke gefunden hatten. Als er das Totem erwahnte, konnte man aus seinem Tone horen, da? er die Bedeutung desselben nicht ganz zu schatzen wisse. Darum fragte ihn Old Firehand:»Ihr wi?t, was ein Totem ist, Sir?«
«Ja. Es ist das Handzeichen eines Indianers, etwa wie bei uns das Petschaft oder Siegel, und kann in den verschiedensten Gegenstanden und aus den verschiedensten Stoffen bestehen.«
«Diese Erklarung ist richtig, aber nicht ganz grundlich. Nicht jeder Indianer darf ein Totem fuhren, sondern nur beruhmte Hauptlinge haben es. Da? dieser Knabe schon eins besitzt, ist, auch abgesehen davon, da? es zugleich dasjenige seines Vaters ist, ein Beweis, da? er bereits Thaten hinter sich hat, welche selbst von den roten Mannern fur ungewohnliche gehalten werden. Sodann sind die Totems je nach ihrem Zwecke verschieden. Eine gewisse Art wird allerdings nur zum Zwecke der Legitimation und Bekraftigung benutzt, also allerdings wie bei uns das Siegel oder die Unterschrift. Diejenige Art aber, welche fur uns Bleichgesichter die wichtigste ist, gilt als eine Empfehlung dessen, der es erhalten hat. Die Empfehlung kann je nach ihrer Art und Weise, also nach dem Grade ihrer Warme, eine verschiedene sein. La?t mich doch einmal das Leder sehen.«
Das Madchen gab es ihm und er betrachtete es genau.
«Konnt Ihr denn diese Zeichen entratseln, Sir?«fragte Butler.
«Ja, «nickte Old Firehand.»ich bin so oft und so lange bei den verschiedensten Stammen gewesen, da? ich nicht nur ihre Dialekte spreche, sondern auch ihre Schriftzeichen verstehe. Dieses Totem ist ein hochst wertvolles, wie selten eins verschenkt wird. Es ist im Tonkawa abgefa?t und lautet: ›Schakhe-i-kauvan-ehlatan, henschon- schakin hen-schon-schakin schakhe-i-kauvan-ehlatan, he-el ni-ya.‹ Diese Worte hei?en, genau ubersetzt: ›Sein Schatten ist mein Schatten, und sein Blut ist mein Blut; er ist mein alterer Bruder.‹ Und darunter steht das Namenszeichen des jungen Baren. Die Bezeichnung»alterer Bruder «ist noch ehrenvoller als blo?»Bruder«. Das Totem enthalt eine Empfehlung, wie sie warmer nicht gedacht werden kann. Wer dem Besitzer desselben etwas zuleide thut, hat die strengste Rache des gro?en und des kleinen Baren und aller ihrer Freunde zu erwarten. Wickelt das Totem gut ein, Sir, damit die rote Farbe der Zeichen sich erhalt. Man wei? nicht, welche gro?en Dienste es Euch erweisen kann, da wir in die Gegend wollen, wo die Verbundeten der Tonkawa wohnen. An diesem kleinen Lederstuckchen kann das Leben vieler Menschen hangen.«–
Der Steamer hatte wahrend des Nachmittags Ozark, Fort Smith und Van Buren passiert und erreichte jetzt den Winkel, in welchem das Bett des Arkansas eine entschiedene Bewegung nach Norden macht. Der Kapitan hatte verkundet, da? man ungefahr zwei Stunden nach Mitternacht Fort Gibson erreichen werde, wo er bis morgen liegen bleiben musse, um sich nach dem weiteren Wasserstande zu erkundigen. Um bei der Ankunft dort munter zu sein, legten sich die meisten Reisenden sehr zeitig schlafen, denn es stand zu erwarten, da? man in Fort Gibson gleich bis zum Morgen wach bleiben werde. Das Deck leerte sich ganzlich von den Kajutenpassagieren, und auch der Salon enthielt nur wenige Personen, welche bei Schach und andern Spielen sa?en. In dem daransto?enden Rauchsalon sa?en nur drei Personen, namlich Old Firehand, Tom und Droll, welche sich ungestort von andren, uber ihre Erlebnisse unterhielten. Der erstere wurde von den andren beiden mit einer an Ehrfurcht grenzenden Hochachtung behandelt, welche aber nicht verhinderte, da? er uber die Verhaltnisse und nachsten Absichten der Tante Droll noch nichts Genaues hatte erfahren konnen. Jetzt erkundigte er sich, wie Droll zu der sonderbaren Bezeichnung Tante gekommen sei. Der Befragte antwortete.»Ihr kennt ja die Gewohnheit der Westmanner, jedem einen Spitz- oder Kriegsnamen zu geben, welcher sich auf eine hervorragende Eigentumlichkeit des Betreffenden bezieht. Ich sehe in meinem Sleeping-gown allerdings einem Frauenzimmer ahnlich, zu welchem Umstande auch meine hohe Stimme pa?t. Fruher sprach ich im Basse, aber eine riesige Erkaltung hat mich um die tiefen Tone gebracht. Da ich nun ferner die Gewohnheit habe, mich eines jeden braven Kerls wie eine gute Mutter oder Tante anzunehmen, so hat man mir den Namen Tante Droll gegeben.«
«Aber Droll ist doch nicht etwa Euer Familienname?«
«Nein. Ich bin gern lustig, vielleicht auch ein wenig drollig. Daher der Name.«
«Darf man nicht vielleicht Euren wirklichen horen. Ich hei?e Winter, und Tom hei?t Gro?er; Ihr habt schon gehort, da? wir eigentlich Deutsche sind. Ihr scheint Eure Herkunft aber in tiefes Dunkel hullen zu wollen.«
«Ich habe freilich Grunde, nicht davon zu sprechen, aber nicht etwa, weil ich mich uber irgend etwas zu schamen hatte. Diese Grunde sind mehr — geschaftlicher Art.«
«Geschaftlich? Wie soll ich das verstehen?«
«Davon vielleicht spater. Ich wei? wohl, da? Ihr gern wissen wollt, was ich jetzt im Westen treiben will und warum ich mich dabei mit einem sechzehnjahrigen Buben schleppe. Es kommt schon noch die Zeit, in welcher ich es Euch sage. Was nun meinen Namen betrifft, so wurde ein Dichter uber denselben erschrecken; er ist namlich ungeheuer unpoetisch.«
«Schadet nichts. Niemand ist schuld an seinem Namen. Also heraus damit!«