mussen!«
Niemand hatte diesen Vorgang gesehen; das Fenster fuhrte steuerbords nach dem Wasser. Der Cornel warf das Futteral uber Bord, steckte das Messer in den Gurtel und legte sich wieder nieder, um zu seinen Leuten zuruckzukriechen. Er gelangte glucklich an dem Lieutenant voruber. Wenige Ellen weiter fiel sein Blick nach links; da war es ihm, als sehe er zwei leise phosphoreszierende Punkte, die sofort wieder verschwanden. Das waren Augen; er wu?te es. Er schnellte sich mit einer kraftigen Bewegung, aber ganz leise, vorwarts und rollte sich dann ebenso rasch zur Seite, um aus der Linie zu kommen, auf welcher er sich befunden hatte. Richtig! Von der Stelle her, von welcher aus er die Augen gesehen hatte, erscholl ein Gerausch, wie wenn jemand sich auf einen andern werfen will. Der Offizier hatte es gehort und trat hinzu.
«Wer ist da?«fragte er.
«Ich, Nintropan-Hauey, «antwortete es.
«Ach, der Indianer. Schlafe doch!«
«Hier ein Mann geschlichen; hat etwas Boses gethan; ich ihn gesehen; er aber schnell fort.«
«Wohin?«
«Nach vorn, wo Cornel liegen; er vielleicht selbst gewesen.«
«Pshaw! Wozu sollte er oder ein andrer hier schleichen! Schlafe und store die andern nicht.«
«Ich schlafe, aber dann auch nicht schuld, wenn Boses geschehen.«
Der Offizier horchte nach vorn, und da sich dort nichts horen lie?, beruhigte er sich. Er war uberzeugt, da? der Rote sich geirrt habe.
Es verging eine lange, lange Zeit; da wurde er von dem Ausguck nach dem Buge gerufen.
«Sir, «sagte der Mann,»ich wei? nicht, woran es liegen mag, aber das Wasser kommt schnell hoher; das Schiff sinkt.«
«Unsinn!«lachte der Offizier.
«Kommt her und seht.«
Er blickte hinab, sagte nichts und eilte fort nach der Kajute des Kapitans. Nach zwei Minuten kam er mit diesem wieder auf das Deck. Sie hatten eine Laterne mit und leuchteten mit derselben uber Bord. Eine zweite Laterne wurde geholt. Der Lieutenant stieg in die Hinter- und der Kapitan in die Vorderluke, um den Kielraum zu untersuchen. Die Tramps hatten sich von derselben entfernt. Nach schon kurzer Zeit kam er herauf und begab sich mit eiligen Schritten nach hinten zum Steuermann.
«Er will nicht Larm schlagen, «flusterte der Cornel den Seinen zu.»Aber pa?t auf, da? der Steamer ans Ufer gehen wird!«
Er hatte recht. Die Matrosen und Arbeiter wurden heimlich geweckt, und das Schiff veranderte seine Richtung. Ohne einige Unruhe konnte das nicht geschehen; die Deckpassagiere erwachten, und einige Kajutenreisende kamen aus ihren Kabinen.
«Es ist nichts, Mesch'schurs; es hat keine Gefahr, «rief ihnen der Kapitan zu.»Wir haben etwas Wasser im Raume und mussen es auspumpen. Wir legen an, und wer Angst hat, kann einstweilen ans Ufer gehen.«
Er wollte beruhigend wirken; aber es fand das Gegenteil statt. Man schrie; man rief nach Rettungsgurteln; die Kabinen entleerten sich. Alles rannte durcheinander. Da fiel der Schein der Vorderlaterne auf das hohe Ufer. Das Schiff machte eine Wendung, da? es parallel zu demselben kam, und lie? den Anker fallen. Die beiden Landebrucken erwiesen sich als lang genug, sie wurden ausgelegt und die Angstlichen drangten sich an das Land. Allen voran waren naturlich die Tramps, welche schnell im Dunkel der Nacht verschwanden.
An Bord geblieben waren au?er den Schiffsleuten nur Old Firehand, Tom, Droll und der alte Bar. Der erstere war in den Raum gestiegen, um das Wasser zu sehen. Mit dem Lichte in der Rechten und dem Bohrer in der Linken kam er wieder herauf und fragte den Kapitan, welcher das Herbeischaffen der Pumpen beaufsichtigte:»Sir, wo hat dieser Bohrer seinen Platz?«
«Dort im Werkzeugkasten, «antwortete ein Matrose.»Er lag am Nachmittage noch drin.«
«Jetzt lag er im Zwischendeck. Die Spitze hat sich an den Schiffsplatten umgebogen. Ich wette, da? das Schiff angebohrt worden ist.«
Man kann sich den Eindruck, den diese Worte hervorbrachten, denken. Es kam ein Neuer dazu. Der Ingenieur hatte vor allen Dingen Frau und Tochter ans Ufer gebracht; dann war er auf das Schiff zuruckgekehrt, um seinen Anzug zu vervollstandigen. Jetzt kam er aus seiner Kabine und rief, da? alle es horten:»Ich bin bestohlen! Neuntausend Dollar. Man hat das Gazefenster zerschnitten und sie mir vom Tische genommen!«
Und da rief der alte Bar noch lauter:»Ich wissen, Cornel hat gestohlen und Schiff angebohrt. Ich ihn sehen; aber Offizier nicht glauben. Fragen schwarzen Feuermann! Er trinken mit Cornel; er gehen fort in Salon und wischen Fenster; er kommen und trinken wieder; er sagen mussen alles.«
Sofort scharten sich der Kapitan, der Offizier, der Steuermann und die Deutschen um den Indianer und den Ingenieur, um sie genauer zu vernehmen. Da ertonte vom Lande, unterhalb der Stelle, an welcher das Schiff lag, ein Schrei.
«Das sein junger Bar, «rief der Indianer.»Ich ihn nachgeschickt dem Cornel, welcher schnell ans Land; er sagen wird, wo Cornel sein.«
Und da kam der junge Bar in eiligstem Laufe uber die Landebrucke gesprungen und rief, auf den Flu? deutend, welcher von den vielen inzwischen angebrannten Lichtern des Schiffes weit hinaus erleuchtet wurde:»Dort rudern hinaus! Ich nicht gleich finden Cornel, dann aber sehen gro?es Boot, welches haben abgeschnitten hinten und hinein, um hinuber ans andre Ufer.«
Jetzt war die Hauptsache, wenn auch nicht alles klar. Man sah das entfliehende Boot. Die Tramps jubelten und schrieen hohnisch heruber, die Schiffsleute und ein gro?er Teil der Passagiere antworteten ihnen wutend. In der allgemeinen Aufregung achtete man nicht auf die Indianer, welche verschwunden waren. Endlich gelang es, der machtigen Stimme Old Firehands, Ruhe herzustellen, und da horte man auch eine andre Stimme unten vom Wasser herauf:»Der alte Bar kleines Boot geborgt. Er hinter dem Cornel her, um zu rachen. Kleines Boot druben lassen und anbinden, Kapitan wird es finden. Hauptling der Tonkawa nicht lassen entkommen Cornel. Gro?er Bar und kleiner Bar mussen haben sein Blut. Howgh!«— Die beiden hatten sich das Vorderboot genommen und ruderten nun hinter den Fluchtigen her. Der Kapitan fluchte und schimpfte gewaltig, doch umsonst.
Wahrend nun die Deckhands mit dem Auspumpen des Schiffes begannen, wurde der schwarze Feuermann verhort. Old Firehand trieb ihn mit scharfen Fragen so in die Enge, da? er alles gestand und jedes Wort berichtete, welches gesprochen worden war. Daraus erklarte sich nun alles. Der Cornel war der Dieb und hatte das Schiff angebohrt, um noch vor der Entdeckung des Diebstahles mit seinen Leuten an das Land entkommen zu konnen. Dem Neger sollte sein Verrat nicht ungestraft hingehen. Er wurde angebunden, damit er nicht entfliehen, sondern am Morgen die ihm vom Kapitan zu bestimmenden Hiebe erhalten konne. Gerichtlich war er freilich nicht zu belangen.
Es stellte sich sehr bald heraus, da? die Pumpen das Wasser leicht bewaltigten und das Schiff sich nicht in Gefahr befand, sondern in kurzer Zeit die Fahrt fortsetzen konnte. Die Passagiere kehrten also von dem unwirtlichen Ufer an Bord zuruck und machten es sich bequem. Der Zeitverlust kummerte sie nicht, ja, viele freuten sich sogar uber die interessante Unterbrechung der langweiligen Reise.
Am wenigsten Interesse konnte freilich der Ingenieur dieser Unterbrechung abgewinnen. Er war da um eine bedeutende Summe Geldes gekommen, welche er ersetzen mu?te. Old Firehand trostete ihn, indem er ihm sagte:»Noch ist Hoffnung vorhanden, das Geld wieder zu erhalten. Fahrt in Gottes Namen mit Eurer Frau und Tochter weiter. Ich treffe bei Eurem Bruder wieder mit Euch zusammen.«
«Wie? Ihr wollt mich verlassen?«
«Ja, ich will diesem Cornel nach, um ihm seinen Raub abzujagen.«
«Aber das ist doch gefahrlich!«
«Pshaw! Old Firehand ist nicht der Mann, sich vor diesen Tramps, denn das sind sie gewi?, zu furchten.«
«Und dennoch bitte ich Euch, es zu unterlassen. Ich will die Summe lieber verlieren.«
«Sir, es handelt sich nicht blo? um Eure neuntausend Dollar, sondern um mehr. Die Tramps haben durch den Neger erfahren, da? auch Tom Geld bei sich hat, auf welches seine Gefahrten am Black-bear-Flusse warten. Ich tausche mich gewi? nicht, wenn ich meine, da? sie sich dorthin wenden, um ein neues Verbrechen auszufuhren, bei welchem es sich um Menschenleben handeln kann. Die beiden Tonkawa sind wie gute Schwei?hunde hinter ihnen her und beim Anbruche des Tages folgen wir ihrer Fahrte, namlich ich, Tom, Droll und dessen Knabe Fred. Nicht wahr, Mesch'schurs?«