Droll machte das eine Auge zu, druckte und schluckte, als ob ihn etwas wurge, und stie? dann die drei Worte hervor:»Ich hei?e — Pampel.«
«Was, Pampel?«lachte Old Firehand.»Poetisch ist dieses Wort freilich nicht, und wenn ich lache, so geschieht dies nicht wegen des Namens, sondern wegen des Gesichtes, welches Ihr bei demselben macht. Es sah ja gerade aus, als ob es einer Dampfmaschine bedurfe, um ihn herauszutreiben. Ubrigens ist dieser Name, gar nicht selten. Ich habe einen Geheimrat Pampel gekannt, welcher ihn mit gro?er Wurde trug. Aber das Wort ist deutsch, Ihr seid wohl auch von deutscher Abstammung?«
«Ja.«
«Und in den Vereinigten Staaten geboren?«
Da machte Droll sein listigstes und lustigstes Gesicht und antwortete in deutscher Sprache:»Nee, das is mer damals gar nich eingefalle; ich habe mer e deutsches Elternpaar herausgesucht!«
«Was? Also ein geborener Deutscher, ein Landsmann?«rief Old Firehand.
«Wer hatte das gedacht!«
«Das ham Se sich nich denke konne? Und ich habe gemeent, mer sieht mersch sofort an, da? ich als Urenkel der alten Germanen gebore bin. Konne Se vielleicht errate, wo ich meine erschten Kinderschtiefel angetrete und abgeloofe habe?«
«Naturlich! Ihr Dialekt sagt es mir.«
«Sagt ersch wirklich noch? Das kann mich au?erordentlich freue, denn grad off unsern schonen Dialekt bin ich schtets geradezu versesse gewese, was mer leider schpater meine ganze Carriere verdorbe hat, wenn's notig is. Nu also, sage Se mal, wo bin ich denn gebore?«
«Im schonen Herzogtume Altenburg, wo die besten Quarkkase gemacht werden.«
«Richtig, im Altenburgschen; Se habe es sofort errate! Und das mit de Kase is ooch sehr wahr; se werde Quarcher genannt, und in Deutschland gibt's nich ihresgleiche. Wisse Se, ich hab' Se uberrasche wolle und darum nich gleich gesagt, da? ich ooch e Landsmann von Ihne bin. Jetzt aber, wo mer so hubsch alleene beisamme sitze, is mersch endlich herausgefahre, und nun wolle mer von unsrer schonen Heimat schpreche, die mer nich aus dem Sinne kommt, obgleich ich schon so lange hier im Lande bin.«
Es hatte allen Anschein, da? sich nun eine sehr animierte Unterhaltung entwickeln werde, leider aber war das nicht der Fall, denn einige der im Salon gewesenen Herren waren des Spielens satt geworden und kamen jetzt herein, um noch einen tuchtigen» Smoke «zu thun. Sie verwickelten die Anwesenden in ihr Gesprach und nahmen sie so in Anspruch, da? dieselben es aufgeben mu?ten, ihr Thema festzuhalten. Als man sich spater trennte, um schlafen zu gehen, verabschiedete sich Droll von Old Firehand mit den Worten:»Das war jammerschade, da? mer nich weiter rede konnte, doch morgen is noch e Tag, wo mer unser Gesprach fortsetze konne. Gute Nacht, Herr Landsmann, schlafe Se wohl und e bi?che rasch, denn nach Mitternacht musse mer schon wieder off!«
Jetzt waren alle Kabinen besetzt, und in den Salons wurden die Lichter verloscht. An Deck brannten nur die beiden vorgeschriebenen Laternen, die eine vorn an der Bugspitze und die andre hinten. Die erstere beleuchtete den Flu? so hell und so weit, da? ein am Ausguck stehender Matrose etwaige im Wasser liegende Hindernisse noch rechtzeitig sehen und melden konnte. Dieser Mann, der Steuermann und der auf dem Deck hin und her spazierende Offizier waren die einzigen Menschen, welche wach zu sein schienen, die Bedienung der Maschine ausgenommen.
Auch die Tramps lagen da, als ob sie schliefen, in ziemlicher Entfernung von den Matrosen, welche der unten herrschenden Warme wegen auch oben lagen. Der Cornel hatte schlauerweise seine Leute rund um die nach unten fuhrende Luke plaziert, so da? niemand, ohne gesehen zu werden, zu derselben konnte. Naturlich schlief kein einziger von ihnen.
«Eine verteufelte Geschichte!«flusterte er demjenigen zu, welcher neben ihm lag.»Ich habe doch nicht daran gedacht, da? des Nachts hier vorn ein Mann steht, um das Fahrwasser zu beobachten. Der Kerl ist uns im Wege.«
«Nicht so, wie du denkst. In dieser Dunkelheit kann er nicht bis her zur Luke sehen. Es ist Rabennacht; kein einziger Stern steht am Himmel. Uberdies hat er scharf in den Lichtkreis der Laternen zu sehen und ist also geblendet, wenn er sich umdreht. Wann beginnen wir?«
«Sofort. Wir haben keine Zeit zu verlieren, denn vor Fort Gibson mussen wir fertig sein.«
«Naturlich holst du zuerst das Geld.«
«Nein, das wurde eine Dummheit sein. Wenn der Ingenieur erwacht und den Diebstahl bemerkt, bevor das Schiff ans Ufer mu?, kann alles fehlschlagen. Hingegen wenn mir anlegen mussen, ehe ich das Geld habe, ist noch gar nichts verloren, denn es wird ganz leicht sein, ihm in der Verwirrung des Landens das Messer zu entrei?en und mit demselben zu verschwinden. Den Bohrer habe ich schon; ich steige jetzt hinab. Solltest du mich warnen mussen, so huste laut. Ich werde es wohl horen.«
Er schob sich, von der dichten Finsternis begunstigt, an die Luke und setzte die Fu?e auf die schmale Treppe, welche hinabfuhrte. Die zehn Stufen, welche sie hatte, waren schnell zuruckgelegt. Nun untersuchte er die Diele, indem er sie betastete. Er fand die Luke, welche weiter nach unten fuhrte, und stieg die zweite Treppe hinab, welche mehr Stufen als die obere besa?. Unten angekommen, strich er ein Zundholz an und leuchtete um sich. Um sich genau zu orientieren, mu?te er weiter gehen und noch mehrere Holzer verbrennen.
Der Raum, in welchem er sich befand, war mehr als manneshoch und fuhrte fast bis in die Mitte des Schiffes. Durch keine Zwischenwand getrennt, hatte er die ganze Breite des untern Schiffskorpers von einer Seite zur andern. Einige kleine Gepackstucke lagen umher.
Jetzt trat der Cornel an die Backbordseite und setzte den Bohrer, naturlich unter der Wasserlinie, an die Schiffswand. Unter dem kraftigen Drucke seiner Hand griff das Werkzeug ein und fra? schnell in dem Holze weiter. Dann gab es einen harten Widerstand — das Blech, mit welchem der unter Wasser stehende Teil des Schiffes bekleidet war. Dieses mu?te mit dem Bohrer durchschlagen werden. Aber es waren zur schnelleren Fullung des Raumes wenigstens zwei Locher notig. Der Cornel bohrte also zunachst moglichst weit hinten ein zweites, auch bis auf das Blech. Dann hob er einen der harten Steine auf, welche als Ballast dalagen, und schlug damit so lange auf den Griff des Bohrers, bis dieser durch das Blech gedrungen war. Sofort drang das Wasser herein und benetzte ihm die Hand; aber als er den Bohrer mit einiger Anstrengung zuruckgezogen hatte, traf ihn ein starker, kraftiger Wasserstrahl, so da? er schnell weichen mu?te. Das Klopfen war bei dem Gerausch, welches die Maschine machte, ganz unmoglich zu horen gewesen. Nun schlug er auch das Blech des ersten Loches, welches der Treppe naher war, durch und kehrte nach oben zuruck. Er hatte den Bohrer in der Hand behalten und warf ihn erst, als er sich vor der oberen Treppe befand, weg. Warum sollte er ihn erst noch mit hinaufnehmen!
Bei den Seinen angekommen, wurde er leise gefragt, ob es gelungen sei. Er antwortete bejahend und erklarte, nun sofort nach der Kabine Nummer eins zu schleichen.
Der Salon und das daran sto?ende Rauchzimmer lagen auf dem Hinterdeck, an beiden Seiten die Kabinen. Jede derselben hatte eine eigene, in den Salon fuhrende Thur. Die Au?enwande, aus leichtem Holzgetafel bestehend waren mit ziemlich gro?en Fenstern versehen, deren Offnungen jetzt nur mit Gaze verschlossen waren. Zwischen jeder Kabinenseite und dem betreffenden Schiffsborde fuhrte ein schmaler Gang hin, der leichteren Passage wegen. Nach dem Gange linker Hand, also Steuerbord, hatte sich der Cornel zu wenden. Die Kabine Nummer eins war die erste, lag also an der Ecke. Er legte sich auf den Boden und kroch vorsichtig nach vorn, hart an der Reiling, also am Schiffsrande, um von dem hin und her spazierenden Offizier nicht bemerkt zu werden. Er erreichte sein Ziel glucklich. Durch die Gaze des ersten Fensters fiel ein leiser Schein heraus. Es brannte Licht in der Kabine. Sollte Butler noch wach sein, vielleicht lesen? Aber der Cornel uberzeugte sich, da? auch in den andern Kabinen Licht war, und das beruhigte ihn. Vielleicht erleichterte gerade diese Beleuchtung die Ausfuhrung seines Vorhabens, welche im Dunkel ziemlich schwierig war. Er zog sein Messer und zerschnitt die Gaze gerauschlos von oben bis unten. Ein Vorhang verhinderte ihn, durch das Fenster in die Kabine zu sehen; er schob denselben leise zur Seite. Er hatte vor Freude uber das, was er sah, laut aufjubeln mogen.
An der linken Wand hing uber dem Bette ein brennendes, nach unten, um den Schlafer nicht zu storen, verhulltes Nachtlampchen. Darunter lag, fest schlafend, mit dem Gesichte nach der Wand gekehrt, der Ingenieur. Auf einem Stuhle lagen seine Kleidungsstucke. An der rechten Wand befand sich ein Klaptischchen, auf welchem die Uhr, die Borse und — das Messer des Schlafers lagen, von au?en ganz leicht mit der Hand zu erreichen. Der Cornel griff hinein und nahm das Messer fort, lie? aber Uhr und Borse liegen. Er zog es aus dem Futterale und probierte den Griff. Dieser lie? sich wie eine Nadel- oder Federbuchse aufdrehen. Das genugte.
«Alle Teufel, ging das leicht!«hauchte der Dieb.»Ich hatte einsteigen und ihn unter Umstanden gar erwurgen