«Will er allein hinauf?«

«Nein. Dieser Vater hei?t Butler und ist ein Ingenieur; auch er will mit.«

«Ein Ingenieur? Was werden diese beiden in den Bergen wollen!«

«Vielleicht wurde eine Mine entdeckt, welche Butler untersuchen soll.«

«Nein, denn Old Firehand versteht das selbst besser als der klugste Ingenieur.«

«Sie wollen erst den Bruder Butlers aufsuchen, welcher in Kansas eine gro?artige Farm besitzt. Dieser Bruder mu? ein sehr reicher Mann sein. Er hat Vieh und Getreide nach New Orleans geliefert und der Ingenieur hat das Geld dafur jetzt einkassiert, um es ihm mitzubringen.«

Das Auge des Cornels leuchtete auf; aber weder er noch einer der Tramps verriet durch eine Bewegung oder Miene, wie wichtig diese Mitteilung war.

«Ja, in Kansas gibt es steinreiche Farmer, «bemerkte der Anfuhrer in gleichgultigem Tone.»Dieser Ingenieur aber ist ein unvorsichtiger Mensch. Ist die Summe gro??«

«Er flusterte von neuntausend Dollar in Papier; ich habe es aber dennoch verstanden.«

«So eine Summe tragt man doch nicht mit sich herum. Wozu waren denn die Banken da. Wenn es den Tramps in die Hande fallt, so ist das Geld verloren.«

«Nein; sie wurden es nicht finden.«

«O, die sind verschlagene Kerls.«

«Aber da, wo er es hat, werden sie gewi? nicht suchen.«

«So kennt Ihr das Versteck?«

«Ja. Er zeigte es den andren. Er that zwar heimlich dabei, weil ich zugegen war. Ich wendete ihnen den Rucken zu, und so glaubten sie, da? ich die Fingerzeige nicht sehen werde; aber sie dachten nicht an den Spiegel, in welchen ich blickte und in dem ich alles sah.«

«Hm, ein Spiegel ist trugerisch. Wer vor demselben steht, der sieht bekanntlich seine rechte Seite links und die linke rechts.«

«Das habe ich noch nicht beobachtet und verstehe nichts davon; aber was ich gesehen habe, das habe ich gesehen. Der Ingenieur hat namlich ein altes Bowiemesser mit einem hohlen Griffe, in welchem die Noten stecken. Die Tramps mogen, falls er ihnen in die Hande fiele, ihn immerhin ausrauben. So ein altes, schlechtes Messer nimmt selbst der argste Rauber seinem Opfer nicht, weil er es eben nicht selbst braucht und dem Beraubten doch wenigstens eine Waffe, ein Werkzeug lassen mu?, ohne welches er im Westen verloren ware.«

«Das ist freilich sinnreich. Aber wo hat er denn das Messer? Er tragt keinen Jageranzug, keinen Gurtel.«

«Er hat den Gurtel unter der Weste, und von demselben hangt die Ledertasche, in welcher es steckt, an der linken Seite unter dem Rockscho?e herab.«

«So! Nun, das kann uns freilich nicht interessieren. Wir sind keine Tramps, sondern ehrliche Erntearbeiter. Es thut mir nur leid, da? ich mich in dem Riesen geirrt habe. Die Ahnlichkeit mit dem Farmer, den ich meine, ist sehr gro?, und er fuhrt auch ganz denselben Namen.«

«Vielleicht ist er ein Bruder von ihm. Ubrigens hat nicht blo? der Ingenieur so viel Geld bei sich. Der Schwarzbartige sprach auch von einer bedeutenden Summe, welche er erhalten habe und an seine Kameraden, welche Rafters sind, verteilen musse.«

«Wo befinden sich denn die?«

«Sie fallen ihre Baume jetzt am Black-bear-Flusse, den ich freilich nicht kenne.«

«Ich kenne ihn. Er mundet unterhalb Tuloi in den Arkansas. Ist die Gesellschaft zahlreich?«

«Gegen zwanzig Mann, lauter tuchtige Boys, sagte er. Und der lustige Kerl in dem ledernen Schlafrocke hat eine ganze Menge von Nuggets bei sich. Auch er will nach dem Westen. Mochte wissen, wozu er das Gold mitnimmt. Das schleppt man doch nicht mit in der Wildnis umher!«

«Warum nicht? Auch im Westen hat der Mensch Bedurfnisse. Da gibt es Forts, Sommerstores und herumziehende Kramer, bei denen man genug Geld und Nuggets los werden kann. Also diese Leute sind mir nun vollstandig gleichgultig. Ich begreife nur nicht, da? dieser Ingenieur hinauf in das Felsengebirge will und doch ein junges Madchen bei sich hat.«

«Er hat nur dieses eine Kind. Die Tochter liebt ihn sehr und hat sich nicht von ihm trennen wollen. Da er nun beabsichtigt, eine ungewohnlich lange Zeit in den Bergen zu bleiben, wozu es sogar notwendig sein wird, Blockhauser zu bauen, so hat er sich endlich entschlossen, sie und die Mutter mitzunehmen.«

«Blockhauser? Hat er das gesagt?«

«Ja.«

«Fur ihn und seine Tochter wurde doch eine einzige Blockhutte genugen. Es steht also zu vermuten, da? sie nicht allein sein, sondern sich in Gesellschaft befinden werden. Ich mochte wissen, welchen Zweck sie verfolgen.«

«Das wollte auch der Schwarzbartige wissen, aber Old Firehand sagte ihm, da? er es spater erfahren werde.«

«Also wird es geheim gehalten. Es mu? sich also doch wahrscheinlich um eine Bonanza, eine reiche Erzader handeln, welche man heimlich untersuchen und gunstigen Falls ausbeuten will. Mochte doch den Ort erfahren, nach dem sie wollen.«

«Der wurde leider nicht genannt. Wie es scheint, wollen sie den Schwarzbartigen und auch die Tante Droll mitnehmen. Sie haben gro?en Gefallen aneinander gefunden, einen so gro?en, da? sie hier in nebeneinander liegenden Kabinen schlafen.«

«In welchen? Wisset Ihr das?«

«Ja, denn sie verhandelten laut daruber. In Nummer eins schlaft der Ingenieur; Nummer zwei hat Old Firehand, Nummer drei Tom, Nummer vier die Tante Droll und Nummer funf der kleine Fred.«

«Wer ist das?«

«Der Boy, den die Tante mitgebracht hat.«

«Ist er Drolls Sohn?«

«Nein, soviel ich erraten habe.«

«Wie ist sein Familienname und weshalb befindet er sich bei Droll?«

«Daruber wurde kein Wort gesprochen.«

«Liegen die Kabinen eins bis funf rechts oder links?«

«Auf der Steuerbordseite, von hier aus also links. Das Madchen des Ingenieurs schlaft naturlich mit ihrer Mutter in einer Damenkabine. Doch brauche ich nicht davon zu reden, denn das alles kann Sie ja gar nicht interessieren.«

«Das ist freilich richtig. Da ich mich in diesen Leuten geirrt hatte, kann es mir sehr gleichgultig sein, wo sie liegen und schlafen. Ich beneide sie ubrigens nicht um ihre engen Kabinen, in denen sie fast ersticken mussen, wahrend wir hier auf dem offenen Deck so viel Luft haben, wie wir nur verlangen konnen.«

«Well! Aber gute Luft haben auch die Kajutenherren, da die Fenster herausgenommen werden und an deren Stelle Gazeflachen eingesetzt werden. Am allerschlimmsten sind naturlich wir daran. Wir mussen, wenn wir des Nachts nicht zu arbeiten haben, eigentlich da unten schlafen«— er zeigte auf eine Luke, welche nicht weit von ihnen unter das Deck fuhrte —»und es ist nur eine ganz besondere Gunst, wenn der Offizier erlaubt, uns hier zu den Passagieren zu legen. Durch die enge Luke kommt keine Luft hinab, und aus dem Unterraum steigt ein Moderdunst herauf. Es ist an warmen Tagen geradezu zum Ersticken.«

«Euer Schlafraum steht mit dem Kielraum in Verbindung?«fragte der Cornel angelegentlich.

«Ja. Es geht eine Treppe hinab.«

«Konnt Ihr diese nicht verschlie?en?«

«Nein, denn das wurde zu umstandlich sein.«

«So seid Ihr allerdings zu bedauern. Doch genug von diesen Geschichten; wir haben ja noch Brandy in der Flasche.«

«Recht so, Sir! Auch vom Sprechen wird die Kehle trocken. Ich will noch einmal trinken und mich dann in den Schatten machen, um ein Schlafchen zu thun. Wenn meine sechs Stunden voruber sind, mu? ich wieder an die Kessel. Wie aber steht es nun mit meinen Dollars?«

«Ich halte Wort, obgleich ich sie vollstandig umsonst bezahle. Aber da mein eigener Irrtum daran schuld ist, so sollt nicht Ihr die Folge tragen. Hier sind also die drei Dollar. Mehr konnt Ihr nicht verlangen, da Eure Gefalligkeit uns keinen Nutzen gebracht hat.«

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