«Ich bin bereit.«

Er antwortete schnell und ohne alles Besinnen; dies lie? darauf schlie?en, da? es ihm ernst mit seinem Versprechen war. Der Ausdruck seines Gesichtes lie? sich infolge der dick aufgetragenen Farbe nicht bestimmen.

«So mag die Pfeife reihum gehen, «fuhr Old Shatterhand fort.»Ich werde dir die Worte vorsagen, welche du dabei nachzusprechen hast.«

«Sage sie, und ich werde sie wiederholen!«

Diese Bereitwilligkeit schien ein gutes Zeichen zu sein, und der wohlmeinende Jager freute sich von Herzen daruber, konnte aber nicht umhin, noch eine Warnung auszusprechen:»Ich hoffe, da? du es dieses Mal ehrlich meinst. Ich bin stets ein Freund der roten Manner gewesen; ich berucksichtige, da? die Utahs jetzt angegriffen worden sind. Ware das nicht der Fall, so wurdet ihr jetzt nicht so wohlfeilen Kaufes davonkommen. Erweisest du dich aber nochmals treulos, so bezahlst du es mit dem Leben. Das versichere ich dir, und ich halte Wort!«

Der Hauptling blickte vor sich nieder, ohne den Blick zu dem Sprechenden zu erheben. Dieser nahm sein Calumet vom Halse, an welchem er es hangen hatte, und stopfte es. Nachdem er es in Brand gesteckt hatte, loste er die Fesseln des Hauptlings. Dieser mu?te sich erheben, den Rauch nach den bekannten sechs Richtungen blasen und dabei sprechen:»Ich bin der» gro?e Wolf«, der Hauptling der Yampa-Uthas; ich spreche fur mich und diese meine Krieger, welche sich bei mir befinden. Ich rede zu den Bleichgesichtern, welche ich sehe, zu Old Firehand, Old Shatterhand und allen andern, auch zu Winnetou, dem beruhmten Hauptlinge der Apachen. Alle diese Krieger und wei?en Manner sind unsre Freunde und Bruder. Sie sollen sein wie wir, und wir wollen sein wie sie. Es soll ihnen niemals von uns ein Leid geschehen, und wir werden lieber sterben als zugeben, da? sie uns fur ihre Feinde halten! Das ist mein Schwur. Ich habe gesprochen. Howgh!«

Er setzte sich wieder nieder. Nun wurden auch die andern von ihren Fesseln befreit, und die Pfeife ging von Mund zu Mund, bis alle geraucht hatten. Selbst die kleine Ellen Butler mu?te ihre sechs Zuge thun; man durfte um ihrer selbst willen mit ihr keine Ausnahme machen.

Darauf erhielten die Roten auch ihre ganzen Waffen wieder. Das war kein Wagnis, wenn man ihrem Schwure trauen konnte. Dennoch aber verhielten sich die Wei?en so vorsichtig wie moglich, und jeder von ihnen hatte die Hand in der Nahe seines Revolvers. Der Hauptling holte sein Pferd herbei und fragte dann Old Shatterhand:»Mein Bruder hat uns die Freiheit vollstandig zuruckgegeben?«

«Vollstandig.«

«So durfen wir fortreiten?«

«Ja, wohin ihr wollt.«

«Wir werden nach unserm Lager zuruckkehren.«

«Ach! Ihr wolltet ja nach dem Versammlungsorte der Utah! Jetzt gibst du doch zu, da? euer Ritt nur uns gegolten hat.«

«Nein. Ihr habt uns die Zeit geraubt, so da? wir nun zu spat kommen wurden. Wir kehren zuruck.«

«Durch den Felsenspalt?«

«Ja. Lebe wohl!«

Er gab ihm die Hand und stieg auf. Dann ritt er in den Spalt hinein, ohne sich nach einem andern Menschen umzublicken. Seine Leute folgten ihm, nachdem jeder von ihnen freundlich gegru?t hatte.

«Und der Kerl ist doch ein Schuft!«meinte der alte Blenter.»Hatte er die Farbe nicht so fingerdick auf dem Gesichte, so konnte man ihm die Falschheit von demselben ablesen. Eine Kugel vor den Kopf ware das beste gewesen.«

Winnetou horte diese Worte und entgegnete:»Mein Bruder kann recht haben, aber es ist besser, Gutes thun anstatt Boses. Wir bleiben wahrend der Nacht hier, und ich werde jetzt den Utahs folgen, um sie zu belauschen.«

Er verschwand im Felsenspalt, nicht zu Pferde, denn zu Fu?e konnte er seine Absicht leichter ausfuhren.

Eigentlich war allen jetzt viel wohler und freier zu Mute als vorher. Was hatte man mit den Utahs machen sollen? Sie toten? Unmoglich! Sie als Gefangene mit sich herumschleppen? Ebenso unmoglich! Jetzt hatte man sie verpflichtet, Frieden und Freundschaft zu uben, und war sie los geworden. Das war besser als jedes andre.

Der Tag neigte sich zur Ruste, zumal es hier im Canon eher dunkel wurde als au?erhalb desselben. Einige der Manner gingen, Holz zum Lagerfeuer zu suchen. Old Firehand ritt sudwarts im Canon hinab und Old Shatterhand nordwarts hinauf, um zu rekognoszieren. Man mu?te vorsichtig sein. Beide legten eine bedeutende Strecke hinter sich und kehrten, als sie nichts Verdachterregendes bemerkten, wieder zuruck.

Es waren hier wohl seit langer Zeit keine Menschen gewesen, welche ein Feuer gebrannt hatten, denn es gab, trotzdem von einem Walde keine Rede war, genug Holz zum Brennen. Die Fruhjahrsflut hatte vieles mitgebracht und angeschwemmt. Niemand freute sich mehr uber das Feuer als der Lord, denn er fand da brillante Gelegenheit, mit Hilfe seines Bratgestelles seine kulinarischen Geschicklichkeiten zu entwickeln. Es gab noch einen kleinen Fleischvorrat und auch Konserven, Mehl und dergleichen, was man aus Denver mitgenommen hatte. Da konnte er braten und backen nach Herzenslust.

Spater stellte sich Winnetou wieder ein. Dieser Mann hatte sich trotz der in dem Felsenspalt herrschenden Stockdunkelheit mit seinen geubten Augen zurechtgefunden. Er erzahlte, da? die Utahs die Leichen mitgenommen und dann ihren Weg wirklich fortgesetzt hatten. Er war ihnen bis jenseits des Spaltes gefolgt und hatte noch deutlich gesehen, da? sie die steile Felssenkung emporgeritten und dann oben im Walde verschwunden waren. Dennoch wurde eine Wache tief in den Spalt postiert, um von da aus jeden Uberfall unmoglich zu machen. Zwei andre Wachter standen je hundert Schritte ober- und unterhalb des Lagerplatzes im Hauptcanon; auf diese Weise war fur vollstandige Sicherheit gesorgt.

Naturlich gab es au?erordentlich viel zu erzahlen, und es war spater als Mitternacht, als man sich zur Ruhe legte. Old Firehand revidierte vorher die Posten, um sich zu uberzeugen, da? dieselben wachsam seien, und erinnerte die andern an die Reihenfolge, in welcher die Ablosung stattzufinden hatte. Dann loschte man das Feuer, und es wurde still und dunkel im Canon.

Vierzehntes Kapitel

Gefangen und befreit

Winnetou hatte richtig gesehen; die Utahs waren oben im Walde verschwunden, aber sie hatten denselben nicht durchritten, sondern waren halten geblieben. Der Transport der Leichen war ihnen nicht schwer geworden, da sie zu ihren Pferden auch diejenigen der Getoteten zuruckerhalten hatten. Jetzt lie? der Hauptling die Toten herabnehmen. Er trat vor an den Waldesrand, blickte hinab nach dem Felsenspalt und sagte:»Man wird uns beobachtet haben. Da unten steht gewi? so ein wei?er Hund, welcher sehen will, ob wir wirklich nach unserm Lager zuruckkehren.«

«Thun wir das denn nicht?«fragte einer seiner Leute. Jedenfalls hatte sich derselbe durch Tapferkeit oder andre Vorzuge so ausgezeichnet, da? er eine solche Frage wagen konnte.

«Hast du so wenig Hirn wie der Schakal der Prairie?«fuhr der» gro?e Wolf «ihn an.»Es gilt, Rache an diesen bleichen Kroten zu nehmen.«

«Aber sie sind nun unsre Freunde und Bruder!«

«Nein.«

«Wir haben die Pfeife des Friedens mit ihnen geraucht!«

«Wem gehorte diese Pfeife?«

«Old Shatterhand.«

«Nun, so gilt der Schwur fur ihn, aber nicht fur uns. Warum war er so dumm, sich nicht meiner Pfeife zu bedienen! Siehst du das nicht ein?«

«Der» gro?e Wolf «hat stets recht, «antwortete der Mann, welcher mit der Sophistik seines Hauptlings vollstandig einverstanden war. Die Ausrede desselben mu?te jeden Krieger der Utah gewi? zufriedenstellen.

«Morgen fruh werden die Seelen der Bleichgesichter in den ewigen Jagdgrunden sein, um uns spater dort zu bedienen, «fuhr der Hauptling fort.

«Du willst sie uberfallen?«

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