sich handelte, beschrieb ihnen die Situation genau und setzte ihnen dann seinen Angriffsplan auseinander. Dann stiegen die Roten auf und begannen ihren fur die Wei?en so verhangni?voll sein sollenden Ritt. Die Namen Old Firehand, Old Shatterhand und Winnetou klangen in aller Ohren. Welch ein Ruhm, solche Helden gefangen und an den Marterpfahl gebracht zu haben!

Es ging genau denselben Weg zuruck, den der» gro?e Wolf «gekommen war, doch nur bis in den Hauptcanon. Dort stieg man ab, um die Pferde unter dem Schutze der Funfzig zuruckzulassen. Bei der gegebenen Ubermacht konnte das Unternehmen fast vollig gefahrlos genannt werden. Dennoch war das Gelingen nicht zu garantieren, und zwar in Rucksicht auf die Pferde. Der» gro?e Wolf «wu?te nur zu gut, da? die Pferde der Wei?en einen anschleichenden Roten leicht mit der Witterung nehmen. Bei einer Schar von dreihundert Indianern war anzunehmen, da? die Pferde die Annaherung derselben durch gro?e Unruhe und lautes Schnauben verraten wurden. Was war dagegen zu thun? Der Hauptling sprach diese Frage nicht leise fur sich aus, sondern laut, so da? es die Umstehenden horten. Da buckte sich einer derselben nieder, ri? eine Pflanze aus, hielt sie ihm hin und sagte:»Hier ist ein sicheres Mittel, den Geruch irre zu fuhren.«

Der Hauptling erkannte die Pflanze an dem Dufte derselben. Es war Salbei. Es gibt im fernen Westen Strecken, viele Quadratmeilen gro?, welche ganz mit Salbei bedeckt sind. Auch in diesem Canon, dessen Grund die Sonne erreichen konnte, stand die Pflanze in Massen. Der Rat war gut und wurde sofort befolgt. Die Roten rieben ihre Hande und Kleider mit Salbei ein. Das gab einen so starken Duft, da? alle Hoffnung auf die Tauschung der Pferde vorhanden war. Au?erdem bemerkte der» gro?e Wolf«, da? der geringe Luftzug, welchen es gab, von abwarts heraufkam, also den Roten zu Gunsten. Diese hatten sich in Anbetracht ihrer numerischen Uberlegenheit nicht mit Schie?gewehren, sondern nur mit den Messern bewaffnet. Es galt, die Wei?en so zu uberrumpeln und zusammenzudrucken, da? es zu gar keinem Kampfe kommen konnte.

Nun wurde der Weitermarsch zu Fu?e angetreten, ein Weg von drei englischen Meilen. Zunachst konnte man rustig vorwarts schreiten; aber als zwei Meilen zuruckgelegt waren, galt es, vorsichtiger zu sein.

Erst jetzt kam dem Hauptling der Gedanke, da? die Wei?en aus Vorsicht ihr Lager an einem andern Orte aufgeschlagen haben konnten; er wurde durch denselben in eine fast fieberhafte Unruhe versetzt. Weiter ging es und weiter, leise und schlangengleich. Sechshundert Fu?e, und doch war nicht das mindeste Gerausch zu vernehmen; kein Steinchen wurde von seinem Orte bewegt, kein Zweig geknickt. Da — da blieb der voranschreitende Wolf stehen. Er sah das Wachtfeuer brennen. Es war gerade die Zeit, in welcher Old Firehand die Posten revidierte. Der Hauptling hatte am Tage gesehen, da? ein solcher ober- und ein andrer unterhalb aufgestellt worden war. Diese Wachter standen jedenfalls jetzt noch; sie waren es, welche zuerst unschadlich gemacht werden mu?ten.

Er gebot leise Halt und bedeutete nur zweien, ihm zu folgen. Sich auf die Erde legend, krochen sie weiter. Bald kamen sie zu dem oberen Posten, er sah Old Firehand nach, der ihn soeben verlassen hatte und kehrte den Roten den Rucken zu. Plotzlich legten sich zwei Hande um seinen Hals und vier andre ergriffen ihn an den Armen und Beinen. Er konnte nicht atmen, die Besinnung schwand ihm, und als er wieder zu sich kam, war er gefesselt und in dem Munde steckte ein Knebel, welcher ihn am Schreien verhinderte. Neben ihm sa? ein Indianer, welcher ihm die Spitze seines Messers auf die Brust gesetzt hielt. Das erkannte er, obgleich der Schein des Mondes nicht herunter auf die Sohle des Canons drang.

Inzwischen war das Feuer verloscht, und der Hauptling hatte abermals zwei Krieger zu sich beordert. Es galt dem untern Posten. Man mu?te also am Lager voruber. Da dasselbe diesseits des Wassers lag, so war es geraten, den Weg jenseits desselben zuruckzulegen. Die drei wateten hindurch und krochen druben weiter, ein nicht sehr gefahrliches Beginnen. Es war anzunehmen, da? beide Posten in gleicher Entfernung von dem Lager placiert seien, und so konnte man leicht berechnen, welche Strecke zuruckgelegt werden mu?te. Das Wasser schimmerte phosphoreszierend, und das Platschern konnte zum Verrater werden. Darum krochen die Roten noch eine Strecke weiter, gingen dann hinuber, legten sich wieder nieder und schoben sich dann auf Handen und Fu?en wieder aufwarts. Nicht lange, so sahen sie den Posten; er stand sechs Schritte von ihnen, das Gesicht zur Seite gekehrt. Noch eine kurze Minute, ein Sprung, ein leises, kurzes Stampfen, und auch er war uberwaltigt. Die zwei Roten blieben bei ihm zuruck, und der» gro?e Wolf «ging allein uber das Wasser, um nun den Hauptschlag auszufuhren. Die Pferde standen in zwei Gruppen zwischen dem Lager und den beiden Posten. Sie hatten sich bis jetzt vollstandig ruhig verhalten; es war aber nicht anzunehmen, da? dies auch fernerhin geschehen werde. Sie mu?ten, falls die Indianer nahe an ihnen voruberkamen, trotz des Salbeigeruches Verdacht schopfen. Darum hielt der» gro?e Wolf «es fur geraten, seine Leute auch uber das Wasser gehen zu lassen. Dies geschah mit wirklich meisterhafter Gerauschlosigkeit. Druben angekommen, legten sich alle nieder, um die Strecke von hundert Schritten kriechend zuruckzulegen, bis sie sich dem Lager gegenuber befanden. Die gro?te Schwierigkeit dabei lag in der Uberwindung des Umstandes, da? sich so viele Menschen auf engem Raum zusammengedrangt bewegen mu?ten, und zwar vollstandig unhorbar. Als sie nun nebeneinander lagen, den Menschen und Pferden gegenuber, begannen die letzteren doch unruhig zu werden. Es galt, schnell zu handeln. Von einem leisen Uberschreiten des Wassers konnte keine Rede sein.

«Vorwarts!«erklang die unterdruckte und doch von allen Roten vernehmbare Stimme des» gro?en Wolfes«.

Das Flu?chen wurde schnell ubersprungen. Keiner der Wei?en war noch wach; sie lagen alle im ersten Schlafe. Die nun folgende Scene ist nicht zu beschreiben. Die Bleichgesichter lagen nahe bei einander, so da? die dreihundert Indianer gar nicht Raum fur ihre Bewegungen hatten. Ihrer funf und sechs und noch mehr warfen sich auf einen Wei?en, rissen ihn empor und schleuderten den Schlaftrunkenen den hinter ihnen Stehenden zu, um augenblicklich einen zweiten, dann dritten und vierten zu erfassen. Das kam uber die Schlafenden so schnell, da? sie sich in der Gewalt der Indianer befanden, ehe sie nur recht wach geworden waren.

Und ganz entgegengesetzt dem Brauche der Indianer, jeden Angriff mit einem Kriegsgeheule zu begleiten, arbeiteten diese Utah fast vollstandig lautlos, und erst dann, als die Wei?en laut wurden, erhoben auch sie ihr gellendes Geschrei, welches weithin durch die Nacht erklang und von den Wanden des Canons vervielfaltigt zuruckgeworfen wurde.

Dabei gab es ein Gewuhle von Korpern, Armen und Beinen, welche in der Finsternis nicht voneinander zu unterscheiden waren. Nur drei einzelne Gruppen waren trotz der Dunkelheit einigerma?en zu erkennen, drei Gruppen, welche nicht weit voneinander entfernt sich hart an der Felsenwand bewegten. Die Mittelpunkte derselben waren Old Firehand, Old Shatterhand und Winnetou, welche infolge ihrer gro?en Geistesgegenwart und Erfahrenheit nicht in der Weise wie die andern hatten uberrumpelt werden konnen. Sie waren aufgesprungen und hatten mit dem Rucken gegen die Felswand Deckung gesucht. Nun vertheidigten sie sich mit den Messern und Revolvern gegen die ubermachtigen Feinde, welche sich ihrer Klingen nicht bedienen durften, weil die Wei?en lebendig gefangen werden sollten. Die drei mu?ten doch trotz ihrer beruhmten Geschicklichkeit, Gewandtheit und Korperkraft unterliegen. Sie wurden von den Roten so eng umdrangt, da? es ihnen schlie?lich unmoglich wurde, die Arme zur Abwehr zu bewegen. Sie wurden auch niedergewurgt und wie ihre Gefahrten gebunden. Ein markdurchdringendes Geheul der Roten verkundete, da? der Uberfall gelungen sei.

Nun gebot der» gro?e Wolf«, ein Feuer anzuzunden. Als die Flamme desselben den Kampfplatz beleuchtete, ergab es sich, da? unter den Stichen und Schussen der drei vorhin Genannten uber zwanzig Rote verwundet oder gar getotet worden seien.

«Dafur sollen diese Hunde zehnfache Qualen erdulden!«zurnte der Hauptling.»Wir schneiden ihnen das Leder in Streifen vom Leibe. Sie alle sollen eines schauderhaften Todes sterben, und nicht einer von ihnen wird die Sterne des morgenden Abends schauen. Nehmt die Toten, die Pferde und die Waffen der Bleichgesichter. Wir mussen zuruckkehren.«

«Wer soll die Wunderbuchse des wei?en Jagers anruhren?«fragte einer.»Sie geht von selber los und totet denjenigen, welcher sie angreift, und noch viele andre dazu.«

«Wir lassen sie liegen und errichten auf ihr einen Steinhaufen, damit kein roter Mann die Hand an sie legt. Wo ist sie?«

Man suchte nach ihr, ohne sie zu finden; sie war verschwunden. Als der» gro?e Wolf «Old Shatterhand nach ihr fragte, gab dieser keine Antwort. Als er vorhin im Kampfgewuhle erwacht und aufgesprungen war, hatte man ihm den Stutzen aus der Hand gerissen und fortgeschleudert. Der Hauptling lie? Feuerbrande nehmen, um das klare, durchsichtige Wasser des Baches zu beleuchten. Derselbe war so seicht, da? man jedes auf seinem Grunde liegende Steinchen erkennen konnte, aber der Stutzen wurde nicht gesehen. Die Yampa-Utahs hatten das Gewehr am Tage in den Handen Old Shatterhands gesehen und konnten das Verschwinden desselben nicht begreifen. Vielleicht lag es in der Felsenspalte. Man untersuchte diese eine weite Strecke hinein, naturlich mit Hilfe von

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