sterben.«

«Wann?«grinste der Wolf.

«Morgen.«

«Durch wessen Hand?«

«Durch die meinige.«

«Du hast ein Loch im Kopfe, aus welchem dir das Hirn gelaufen ist!«

«Ich hab's gesagt, und so wird es geschehen. Zweimal lag dein Leben in meiner Hand; ich schenkte es dir, und du belogst mich trotzdem. Zum drittenmal wird das nicht geschehen. Die roten Manner sollen erfahren, da? Old Shatterhand wohl nachsichtig ist, aber auch zu strafen wei?.«

«Hund, du wirst keinen Menschen mehr bestrafen. Ihr werdet jetzt umzingelt und wahrend der Nacht bewacht. Wir aber werden jetzt uber euch beraten, und sobald der Tag anbricht, beginnen eure Todesqualen, welche mehrere Tage wahren werden.«

Die Gefangenen wurden nach einer kleinen offenen Stelle des Waldes gebracht, auf welcher ein Feuer brannte; ein Indianer sa? dabei, um es zu unterhalten. Man band ihnen nun auch die Fu?e zusammen und legte sie nieder. Zwolf bewaffnete Krieger standen rundum unter den Baumen, um den Ort zu bewachen. Eine Flucht war unmoglich oder schien wenigstens ganz und gar unmoglich zu sein.

Droll und Frank hatten von ihrem hohen Sitze aus alles deutlich gesehen. Der Baum, auf welchem sie sich befanden, stand vielleicht hundertfunfzig Schritte weit von dem Feuer der Hauptlinge entfernt, so da? sie auch den gro?ten Teil der Worte, welche gesprochen worden waren, hatten verstehen konnen. Jetzt nun galt es, die Stelle, nach welcher die Gefangenen geschafft werden sollten, ausfindig zu machen und sich derselben zu nahern.

Eben, als sie von dem Baume stiegen, wurden die erbeuteten Waffen und andern Gegenstande zu den Hauptlingen an das Feuer gebracht und dort niedergelegt. Da diese Sachen keine gro?e Beachtung fanden, so war zu schlie?en, da? man erst am Tage uber die Verteilung derselben entscheiden werde, ein Umstand, welcher der Tante Droll zu gro?er Beruhigung diente. Am Feuer des Ufers sah man nun nur noch die Anfuhrer. Es mu?te irgend einen Grund geben, welcher die andern Krieger nach einer andern Stelle zog. Welcher Grund das war, das sollten Frank und Droll sehr bald erfahren. Es lie?en sich eigentumliche, klagende Tone horen. Man vernahm eine Zeitlang eine Solostimme, welcher dann ein Chorus folgte. Das ging ohne Unterbrechung, bald schwacher und bald lauter fort.

«Wee?te, was das is?«fragte Droll seinen Moritzburger Vetter.

«Das soll wohl die tote Leichenarie fur den alten Hauptling sein?«

«Ja. Bei de Utahs beginnen de Gesange noch ehe de Leiche erkaltet is.«

«Das is uns von Wichtigkeet, denn bei diesem Jammern wird es den Kerls schwer sein, uns zu horen. Wir mussen die Unsrigen unbedingt offsuchen.«

«Was aber dann, wenn mer se gefunde habe? Heraushole konne mer se doch nich!«

«Das is ooch gar nicht notig, denn sie werden schon selber gehen. Die Hauptsache is, da? wir sie losbinden oder ihre Riemen durchschneiden. Is der Platz, an welchem sie sich befinden, nich weit vom Feuer der Hauptlinge entfernt, wo die Waffen liegen, so haben wir dann gewonnenes Spiel. Een wahres Gluck is es, da? es hier unter den Beemen so dunkel is. Die Feuer sind uns nich etwa schadlich, sondern nur nutzlich, weil wir da die Geschtalten der Roten leicht erkennen und ihnen aus dem Wege gehen konnen.«

«Das hat seine Richtigkeet. Also jetzt wieder nieder off de Erde, und dann weiter fort! Ich krieche voran.«

«Warum denn du?«

«Weil ich langer im Westen gewesen bin und mich offs Anschleichen besser verschtehe als du.«

«Ach, rede nich! Bilde dir nur nich solche gro?e Rosinen ein! Ich bin erfahren in allen kontrapretiosen Angelegenheeten des westlichen Daseins. Die ungeheure Anbequemlichkeet, mit welcher ich selbst den schwierigsten Gegenschtand als reenes Kinderspiel begreife, hat mein Offfassungsvermogen zu eener solchen Terpsichoritat gebracht, da? es uberhaupt gar nischt geben kann, worin ich nich sofort Meester bin. Aber weil du mein geliebter Vetter bist, will ich dir den Vortritt lassen. Aber pa? nur genau off! Will dich vorn eener totschtechen, so sag nur eenen Mux, damit ich dir von hinten beischtehen kann. Ich la? dich nich im Schtich!«

Der kleine Sachse bewies jetzt wirklich, da? er bei Old Shatterhand in einer vortrefflichen Schule gewesen war. Er machte seine Sache ausgezeichnet. Trotzdem er zwei Gewehre zu tragen hatte, bewegte er sich gewandt und gerauschlos vorwarts. Sein Vordermann hatte freilich den schwierigeren Teil der Aufgabe zu uberwinden, welcher darin bestand, jeden Gegenstand, welcher zur Deckung geeignet war, zu benutzen.

Sie kamen vielleicht in einer Entfernung von funfzig Schritten an den Hauptlingen voruber und wendeten sich nach dem nachsten Feuer, welches glucklicherweise dasjenige war, an welchem die Gefangenen lagen. Droll sagte sich naturlich, da? dieselben nicht an einer dunkeln Stelle zu suchen seien. Sicher, wenn auch langsam, aber doch stetig kamen sie naher, was freilich nicht ohne alle Gefahr bewerkstelligt werden konnte. Es kam einigemale vor, da? ein Roter ganz nahe an ihnen voruberhuschte. Einmal mu?te Frank sich blitzschnell zur Seite werfen, um nicht von dem Fu?e eines vorbei eilenden Indianers beruhrt zu werden. Spater aber horte dieses Hin- und Herlaufen auf. Diejenigen, welche den Totengesang ubernommen hatten, hockten um die Leiche, und die andern hatten sich ausgestreckt, um eine Stunde zu schlafen.

So gelangten die beiden bis hinter die Wachen, welche den Platz der Gefangenen umstanden. Droll lag hinter einem Baume und Frank hinter dem nachsten. Der Mann, welcher das Feuer zu unterhalten hatte, war einmal fortgegangen, um bei der Leiche in das Klagelied einzustimmen, und einige der zwolf Wachter hatten dasselbe gethan. Die Flamme war zusammengesunken und gab ein sehr ungenugendes Licht. Die Gestalten der Gefangenen waren kaum zu erkennen. Droll kroch einige Schritte nach rechts, dann eine kleine Strecke weit nach links, ohne aber einen Wachter zu erblicken. Als er dann zu Frank zuruckkam, flusterte er diesem zu:»Der Oogenblick scheint mer gunstig zu sein. Siehste Old Shatterhand?«

«Ja. Er is ja hier gleich der erschte.«

«Kriech zu ihm hin und bleib so steif bei ihm liegen, als ob du ooch gefesselt warscht!«

«Und du?«

«Ich mach mich zu Old Firehand und Winnetou, die da druben liegen.«

«Das is gefahrlich!«

«Ooch nich mehr als hier. Was wird Old Shatterhand fur Freede habe, wenn er seinen Stutzen wieder hat! Mach schnell!«

Der Hobble-Frank hatte keine gro?e Strecke, hochstens acht Schritte zuruckzulegen. Eben fiel die Flamme so weit nieder, da? es schien, als ob das Feuer vollstandig verloschen wolle; es wurde so dunkel, da? man die Gestalten der Gefangenen nicht mehr zu unterscheiden vermochte. Einer der Wachter ging hin, um neues Holz aufzulegen; aber ehe dasselbe vom Feuer ergriffen wurde, hatten Droll und Frank die Dunkelheit benutzt; beide befanden sich an Ort und Stelle.

Frank hatte sich neben Old Shatterhand gelegt. Er streckte die Beine aus, als ob er gefesselt sei, schob seinem Nachbar den Henrystutzen hin und zog dann die Arme an, damit die Wachter denken sollten, sie seien ihm an den Leib gebunden.

«Frank, du?«fragte Old Shatterhand leise, aber nicht etwa im Tone des Staunens.»Wo ist Droll?«

«Druben liegt er, bei Firehand und Winnetou.«

«Gott sei Dank, da? ihr die Fahrte gefunden habt und noch vor Tage kommen konntet!

«Wu?ten Sie denn, da? wir kommen wurden?«

«Naturlich! Als die Kerle das Feuer anbrannten, sah ich, da? ihr nicht unter den Gefangenen waret.«

«Wir konnten doch noch in der Spalte schtecken und ergriffen werden!«

«Pshaw! Die Roten suchten ja dort nach meinem Gewehre. Ich hatte Angst, ob sie euch drin finden wurden; aber sie kamen ohne euch heraus, und mein Stutzen war verschwunden; das sagte mir alles. Ich habe so fest geglaubt, ihr werdet uns nicht verlassen, da? ich dem» gro?en Wolfe «mit dem Tode gedroht habe.«

«Das is kuhn!«

«Lieber Frank, nur dem Kuhnen gehort die Welt!«

«Ja, dem Kuhnen und dem Hobble-Frank. Habe ich meine Sache nich tribunal gemacht? Sind wir unsern kameradlichen Verpflichtungen und Obliegenheeten nich ganz pizzicato nachgekommen?«

«Ausgezeichnet habt ihr euch verhalten, ausgezeichnet!«

«Ja, ohne uns waren Sie futsch gewesen!«

«Das nun gerade nicht. Du wei?t, da? ich mein Spiel erst dann verloren gebe, wenn es wirklich zu Ende ist.

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