ungefahrlich; aber wenn es gilt, zwischen ihm und dem Tode zu wahlen, so kann die Wahl doch wohl nicht zweifelhaft sein.«

«Gut, reiten wir diesen Weg. Und was thun wir mit den Geiseln?«

«Die geben wir nicht eher frei, als bis wir das gefahrliche Thal der Hirsche hinter uns haben.«

«Aber den» gro?en Wolf«, wollen wir auch den freigeben?«fragte Old Shatterhand.

«Willst du ihn toten?«erkundigte sich Winnetou.

«Er hat es verdient. Ich habe ihm unten im Canon, wo ich ihn begnadigte, gesagt, da? es ihn das Leben kosten werde, wenn er wieder Verrat ube. Er hat trotzdem abermals sein Wort gebrochen, und ich bin der Ansicht, da? wir dies nicht unbestraft hingehen lassen durfen. Es handelt sich nicht um uns allein. Wenn er nicht bestraft wird, kommt er zu der Ansicht, da? man den Wei?en uberhaupt nicht Wort zu halten brauche, und das Beispiel eines solchen Hauptlings ist ma?gebend fur alle andern Roten.

«Mein Bruder hat recht. Ich tote nicht gern einen Menschen; aber der» gro?e Wolf «hat Euch mehrfach betrogen und also den Tod wiederholt verdient. Lassen wir ihn leben, so gilt das fur Schwache. Bestrafen wir ihn aber, so erfahren seine Krieger, da? man uns das Wort nicht ungestraft brechen darf, und werden kunftig nicht mehr wagen, so treulos zu handeln. Aber jetzt brauchen wir noch nichts davon zu erwahnen.«

Nun war die Viertelstunde vergangen, und Old Shatterhand fragte Feuerherz:»Die Zeit ist um. Was hat der Hauptling der Utahs beschlossen?«

«Bevor ich das sagen kann, «antwortete der Gefragte,»mu? ich erst genau wissen, wohin ihr die Geiseln schleppen wollt.«

«Schleppen werden wir sie nicht; sie reiten mit uns. Zwar werden sie gefesselt sein, aber Schmerzen werden wir ihnen nicht bereiten. Wir gehen nach dem Teywipah.«

«Und dann?«

«Hinauf nach dem Silbersee.«

«Und so weit sollen die Geiseln mit euch reiten. Die Hunde der Navajoes konnen bereits da oben angekommen sein; sie wurden unsre Krieger toten.«

«So weit wollen wir sie nicht mitnehmen; sie sollen uns bis in das Thal der Hirsche begleiten. Ist uns bis dorthin nichts geschehen, so nehmen wir an, da? ihr euer Wort gehalten habt, und lassen sie frei.«

«Ist das wahr?«

«Ja.«

«Werdet ihr es mit uns durch die Pfeife des Friedens berauchen?«

«Nur mit dir allein; das genugt, denn du redest und rauchst im Namen der andern.«

«So nimm dein Calumet, und brenne es an.«

«Nimm lieber das deinige.«

«Warum? Ist nicht deine Pfeife ebensogut wie die meinige? Oder bringt die deinige nur Wolken der Unwahrheit zu stande?«

«Umgekehrt ist es richtig. Mein Calumet spricht stets die Wahrheit; aber der Pfeife der roten Manner ist nicht zu trauen.«

Das war eine schwere Beleidigung; darum rief Feuerherz, indem seine Augen vor Zorn funkelten:»Ware ich nicht gebunden, so wurde ich dich toten. Wie darfst du es wagen, unser Calumet zu strafen!«

«Weil ich ein Recht dazu habe. Die Pfeife des» gro?en Wolfes «hat uns wiederholt belogen, und du hast dieselbe Schuld auf dich geladen, indem du ihm Krieger gabst, uns zu ergreifen. Nein, es wird nur aus deinem Calumet geraucht. Willst du das nicht, so nehmen wir an, da? du es nicht ehrlich meinst. Entscheide schnell! Wir haben keine Lust, mehr Worte zu verlieren.«

«So bindet mich los, damit ich die Pfeife bedienen kann!«

«Das ist nicht notig. Du bist Geisel und mu?t gefesselt bleiben, bis wir dich im Thal der Hirsche freigeben. Ich selbst werde dein Calumet bedienen und es dir an die Lippen halten.«

Feuerherz zog es vor, nicht mehr zu antworten. Er mu?te auch diese Beleidigung auf sich nehmen, da es sich um sein Leben handelte. Old Shatterhand nahm ihm die Pfeife vom Halse, stopfte sie und steckte sie in Brand. Dann stie? er den Rauch gegen oben, unten und die vier Himmelsrichtungen und erklarte dann in kurzen Worten, da? er das zwischen ihm und Feuerherz gegebene Versprechen halten werde, wenn die Utahs auf alle Feindseligkeit verzichteten. Feuerherz wurde auf die Fu?e gestellt und in die vier Windrichtungen gedreht. Dabei mu?te er dieselben sechs Zuge aus der Pfeife thun und fur sich und die Seinen das Gegenversprechen leisten. Die Zeremonie war damit beendet.

Nun mu?ten die Utahs die noch fehlenden, den Wei?en zuruckbehaltenen Gegenstande abliefern. Sie thaten es, denn sie sagten sich, da? sie sehr bald wieder in den Besitz derselben kommen wurden. Dann wurden die Pferde der Wei?en und der Geiseln gebracht. Das war gerade, als der Tag zu grauen begann. Die Wei?en hielten es fur geraten, ihren Abzug moglichst zu beschleunigen. Sie mu?ten sich dabei der au?ersten Vorsicht bedienen und durften sich nicht die mindeste Blo?e geben, durch welche den Roten irgend ein Vorteil geworden ware.

Die funf ausgewahlten Krieger und die Hauptlinge wurden auf ihre Pferde gebunden; dann nahmen je zwei Wei?e einen von ihnen in die Mitte und hielten die Revolver bereit, sofort zu schie?en, falls die Indianer sich gegen die Abfuhrung der Geiseln wehren sollten. Der Zug setzte sich in Bewegung nach dem Seitencanon, aus welchem der Hobble-Frank und die Tante Droll sich in das Lager geschlichen hatten. Die Roten verhielten sich ruhig; nur die finstern Blicke, mit denen sie den Bleichgesichtern folgten, bewiesen, von welchen Gefuhlen sie beherrscht waren.

Funfzehntes Kapitel

Eine Indianerschlacht

Auf den glucklichen Ausgang dieses Abenteuers war niemand stolzer als Droll und Hobble-Frank, deren klugem Eingreifen dieser Erfolg, wenigstens die Schnelligkeit desselben, zu verdanken war. Sie ritten hinter den Gefangenen nebeneinander. Als sie das Lager verlassen hatten, sagte Droll, indem er sein eigentumliches, listiglustiges Kichern horen lie?:»Hihihihi, is das eene Freede fur meine alte Seele! Na, werde sich de Indianersch argere, da? se uns so fortreite lasse musse! Meenste nich, Vetter?«

«Freilich!«nickte Frank.»Das war een Genieschtreech, wie er nich besser im Buche schtehen kann. Und wee?te, wer die Hauptmatadoren dabei gewesen sind?«

«Nu?«

«Du und ich, wir zwee beeden. Ohne uns lagen die andern noch in Ketten und Banden, gerade wie Prometheus, der jahraus und ein nur Adlerlebern essen darf.«

«Na, wee?te, Frank, ich denke, da? die sich ooch noch herausgefunde hatte. Leute wie Winnetou, Shatterhand und Firehand lasse sich nich so leicht an de Marterpfahle binde. Die sind schon oft noch schlimmer drangewese und lebe heutigestags noch.«

«Das gloobe ich zwar ooch, aber schwer geworden ware es ihnen doch. Ohne unsre internationale Schneidigkeet ware es ihnen zwar nich unmoglich, aber ooch nich so leicht geworden, sich aus dieser verteufelten Falle zu kontrapunktionieren. Ich bin zwar nich schtolz droff, aber es is immerhin eene erhebende Gefuhlsempfindung, wenn man sich sagen kann, da? man neben hervorragenden Geistesgaben ooch noch eene Ausdehnung der Intelligenz besitzt, welche selbst das schnellste Pferd nich einzuholen vermag. Wenn ich mich schpater zur Ruhe gesetzt habe und eemal bei guter Tinte bin, werde ich meine Momoiranden schreiben, was alle beruhmten Manner thun. Nachher wird die Welt erscht recht erkennen, zu welchen Hallucinationen een eenziger Menschengeist die kompetenten Fahigkeeten besitzt. Du bist ooch so een hochbegabter Ehrenerdenburger, und wir konnen mit dem Schtolze unsres imitierten Selbstbewu?tseins uns daran erinnern, da? wir nich nur deutsche Landsleute, sondern sogar konfigurierte Vettern und Verwandte sind.«

Jetzt war der Zug im Nebenkanon angekommen. Er bog nicht links ab nach dem Hauptcanon ein, sondern wendete sich nach rechts, um dem ersteren zu folgen. Winnetou, welcher den Weg am genauesten kannte, ritt wie gewohnlich an der Spitze. Hinter ihm kamen die Jager, dann die Rafters, welche die Gefangenen in der Mitte hatten. Diesen folgte die Sanfte, in welcher sich Ellen befand; ihr Vater ritt nebenher, und den Schlu? bildeten wieder einige Rafters.

Ellen hatte sich seit gestern au?erordentlich brav gehalten; sie war glucklicherweise von den Roten nicht so

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