Hier aber gibt es nicht nur Karten, sondern sogar noch Trumpfe genug. Waret ihr nicht gekommen, so hatten wir uns auf andre Weise helfen mussen. Da, schau her!«

Frank blickte zu ihm hin und sah, da? der Jager ihm die freie Rechte zeigte.

«Diese Hand habe ich schon losgemacht, «fuhr derselbe fort;»die andre wurde in einer Viertelstunde auch frei gewesen sein. Ich habe in meiner kleinen, verborgenen Tasche ein Federmesser, welches von Mann zu Mann gegangen ware, so da? wir alle in kurzer Zeit unsre Riemen zerschnitten hatten. Dann schnell aufgesprungen und zu den Waffen gerannt, welche druben bei den Hauptlingen liegen — «

«Das wissen Sie auch?«

«Ich ware ein schlechter Westmann, wenn mir das hatte entgehen konnen. Ohne Waffen gibt es keine Rettung fur uns; also habe ich gleich von Anfang an scharf aufgepa?t, wohin sie gethan wurden. Jetzt vor allen Dingen mu? ich wissen, wie ihr hierher gekommen seid. Ihr seid den Roten gefolgt?«

«Nee, das nich; wir sind ja schon viel eher fort als sie.«

«Um sie zu beobachten und ihnen nachzugehen?«

«Ooch nich. Wir sind ganz inflexibel ausgerissen, immer den Canon hinab, bis wir in een Seitenthal kamen, in welches wir uns kompromittieren konnten. Wir hatten die Absicht, dann schpater beim hellen Tageslicht die Fahrte der Roten offzusuchen, um zu sehen, was wir fur Sie thun konnten.«

«Ach! So ist es also eigentlich nicht euer Verdienst, da? ihr diesen Wald gefunden habt?«

«Nee, den Wald haben wir eegentlich nich verdient; aber da der Zufall ihn uns eemal entgegengeworfen hat, werden Sie es uns wohl nich ubelnehmen, da? wir nachher so frei gewesen sind, Ihnen die schuldige Neujahrsvisite abzuschtatten.«

«Du wirst ironisch.«

«Das weniger; ich mochte hiermit nur kontrahiert haben, da? es keene Leichtigkeet war, uns durch den Wald und diese Roten zu Ihnen hindurch zu assimilieren.«

«Das wei? ich wohl zu wurdigen, alter Frank. Ihr habt euer Leben fur uns gewagt, und wir werden euch das nie vergessen. Darauf kannst du dich verlassen. Aber, zieh dein Gewehr an dich! Es kann leicht gesehen werden. Und gieb dein Messer her, damit ich meinen Nachbar frei mache; der wird es dann weiterreichen.«

«Und nachher, wenn die Fesseln fort sind, was thun wir dann? Erscht zu den Waffen, nachher zu den Pferden rennen, und dann fort?«

«Nein; wir bleiben.«

«Alle Teufel! Is das Ihr subhastierter Ernst? Da bleiben! Wird das von Ihnen Rettung genannt?«

«Ja.«

«Ich danke! Off diese Weise haben diese Kerle een remorquiertes Geschaft gemacht, denn wenn fruh die liebe Sonne erscheint, beschimmert sie zwee Gefangene mehr als in der Mitternacht.«

«Wir werden nicht gefangen sein. Nach den Waffen und dann zu den Pferden laufen, das mu?te so schnell geschehen, da? ein heilloser Wirrwarr entstehen wurde. Keiner fande in dieser kurzen Zeit sein Gewehr und Messer, sein ubriges Eigentum heraus. Die Roten waren uber uns, ehe wir an die Pferde kommen konnten. Und wer wei?, ob dieselben noch gesattelt sind. Nein, wir mussen uns sofort hinter unsre Schilder verstecken.«

«Schilder? Ich bin keen Ritter Kunibold von Eulenschnabel; ich habe keenen Harnisch und ooch keen Schild. Und wenn Sie dieses Wort hektoetrisch gebrauchen, so bitte ich um ergebene Offklarung, was ich unter dem Schilde zu verschtehen habe.«

«Die Hauptlinge.«

«Ach, siehste, wie de bist! Das is freilich een gro?artiger Gedanke!«

«Nicht gro?artig, sondern sehr naheliegend. Wir setzen uns in den Besitz der Hauptlinge und sind dann sicher, da? uns nichts geschehen wird. Jetzt still. Das Feuer brennt wieder niedrig, und so werden die Wachter es wohl nicht sehen, wenn wir die Arme bewegen.«

Er durchschnitt seine Fesseln und that dasselbe dann bei seinem Nachbar. Dieser gab das Messer weiter. Dasjenige Drolls zirkulierte bereits. Dann ging Old Shatterhands Befehl leise von Mund zu Mund, da? alle zu den Hauptlingen zu eilen hatten, sobald von ihm das Feuer ausgeloscht worden sei.

«Das Feuer ausgeloscht?«brummte Frank.»Wie wollen Sie das fertig bringen?«

«Pa? auf, so wirst du es sehen! Ausgeloscht mu? es werden, sonst treffen uns die Kugeln der Wachter.«

Jetzt lagen alle bereit. Old Shatterhand wartete, bis der Mann am Feuer, welcher jetzt wieder dort sa?, im Begriff stand, wieder Holz aufzulegen, wodurch die Flamme fur kurze Zeit gedampft wurde. Da sprang er auf, schnellte sich zu ihm hin, schlug ihm die Faust auf den Kopf und warf ihn in das Feuer. Durch ein drei- oder viermaliges Hin- und Herwalzen des Korpers wurde dasselbe ausgeloscht. Das geschah so schnell, da? es finster war, ehe die Wachter den Vorgang recht begriffen. Sie stie?en ihre Warnungsrufe zu spat aus, denn schon drangen die Gefangenen durch den Wald dem See entgegen. Old Shatterhand war allen voran; hinter ihm kamen Winnetou und Firehand.

Die Hauptlinge sa?en noch immer beratend an ihrem Feuer. Es war eine hochwillkommene Aufgabe fur sie, die denkbar furchterlichsten Qualen, an denen die Wei?en und der Apache sterben sollten, in Vorschlag zu bringen und zu besprechen. Da horten sie zwar den Ruf der Wachter, aber zugleich sahen sie die Gestalten der Befreiten auf sich zukommen — einige Sekunden spater waren sie zu Boden geworfen, entwaffnet und gebunden.

Die Wei?en griffen nach ihren in der Nahe liegenden Gewehren, ungefragt, ob jeder sein eigenes erwische. Als die Wachter nun unter den letzten Baumen erschienen, sahen sie ihre Anfuhrer am Boden liegen, und daneben knieten einige Wei?e mit gezuckten Messern, augenblicklich bereit, die Hauptlinge zu erstechen. Hinter dieser Gruppe standen die andern mit angelegten Gewehren. Die Roten fuhren erschrocken zuruck, um ein Wutgeheul auszusto?en, welches die ubrigen schnell herbeirief.

Old Shatterhand durfte es nicht zum Angriff kommen lassen. Mit lauter Stimme verkundigte er den Tod der Hauptlinge, sobald man versuche, dieselben zu befreien. Er forderte, da? die Roten sich zuruckziehen sollten, worauf er dann mit ihren Anfuhrern in friedlicher Weise verhandeln werde.

Es war ein entscheidender Augenblick, ein Augenblick, an welchem Tod und Leben hing, und zwar nicht von wenigen, sondern von vielen. Die Indianer standen unter dem Schutze der Baume; die Wei?en waren vom Feuer hell beschienen, aber es war gar nicht zu zweifeln, da? beim ersten Schusse die drohenden Messer sich in die Herzen der Hauptlinge senken wurden.

«Bleibt dort!«rief der» gro?e Wolf «seinen Leuten zu.»Ich werde mit den Bleichgesichtern sprechen.«

«Mit dir haben wir nichts zu verhandeln, «antwortete ihm Old Shatterhand.»Die andern mogen reden.«

«Warum nicht ich?«

«Weil dein Mund voller Lugen ist.«

«Ich werde die Wahrheit reden.«

«Das versprachest du schon immer, ohne es zu halten. Du hast mir vorhin befohlen, nur dann zu sprechen, wenn ich gefragt werde. Jetzt bin nicht ich mehr dein Gefangener, sondern du bist der meinige, und ich gebe dir ganz denselben Befehl. Wenn du redest, ohne dazu aufgefordert worden zu sein, bekommst du ohne Gnade das Messer in das Herz gesto?en. — Wie hei?est du?«

Diese Frage wurde an den altesten der Anfuhrer gerichtet. Er antwortete:»Kunpui ist mein Name. Gebt mich frei, so werde ich mit euch sprechen!«

«Frei wirst du sein, aber erst dann, wenn wir gesprochen haben und ihr mit dem, was wir verlangen, einverstanden seid.«

«Was fordert ihr? Die Freiheit?«

«Nein, denn die haben wir bereits und werden sie uns nicht wieder nehmen lassen. Rufe zunachst funf deiner vornehmsten Krieger herbei!«

«Was sollen sie?«

«Das wirst du nachher horen. Rufe sie schnell, sonst verlieren die Messer, welche uber euch gezuckt sind, die Geduld!«

«Ich mu? mir uberlegen, welche ich wahle.«

Das sagte er nur, um Zeit zum Nachdenken zu gewinnen, ob es wirklich notwendig sei, den Befehl Old Shatterhands zu befolgen. Das war diesem nicht unlieb, denn wahrend der Pause, welche dadurch entstand, fanden die Wei?en Gelegenheit, sich das ihnen geraubte Eigentum anzueignen. Freilich sahen sie sich nicht vollstandig befriedigt, denn es gab keinen unter ihnen, dem nicht irgend ein Gegenstand noch fehlte. Endlich nannte Feuerherz funf Namen, und die Trager der selben mu?ten herbeikommen, ihre Waffen aber zurucklassen.

Вы читаете Der Schatz im Silbersee
Добавить отзыв
ВСЕ ОТЗЫВЫ О КНИГЕ В ИЗБРАННОЕ

0

Вы можете отметить интересные вам фрагменты текста, которые будут доступны по уникальной ссылке в адресной строке браузера.

Отметить Добавить цитату