geschickt werden sollten? Sie sind jedenfalls noch vor uns aufgebrochen, und wir haben doch keine Fahrte von ihnen gesehen.«
«Diese Manner sind wohl nicht geritten, sondern gelaufen, «erklarte Winnetou.»Zu Fu? ist der Weg viel kurzer, da ein Mokassin uber Stellen gelangen kann, an denen Pferd und Reiter die Halse brechen wurden. Meine Bruder mogen nicht an den Cornel denken, sondern daran, da? wir diese Spuren verwischen mussen.«
«Warum verwischen?«
«Wir wissen, da? die Yampa-Utahs uns folgen. Wir gehen spater von dem Wege ab, von welchem sie denken, da? wir ihm folgen werden. Wir mussen uns Muhe geben, sie zu tauschen, wenn wir entkommen wollen. Sie mussen die Fahrte des Cornels, welcher direkt nach dem Hirschthale geht, fur die unsrige halten; dann werden sie derselben folgen und es nicht fur moglich halten, da? wir zur Seite gegangen und ihnen entwichen sind. Darum durfen sie nicht sehen und nicht wissen, da? bereits vor uns Reiter hier gewesen sind. Meine beiden wei?en Bruder verstehen es, eine Fahrte auszuloschen. Der Hobble-Frank und Droll, der Humply-Bill und der Gunstick- Uncle haben es auch gelernt, Watson und der schwarze Tom ebenso. Diese Manner mogen das Gras aufheben und aus ihren Huten mit Wasser begie?en, denn wenn es na? ist, wird die Sonne es aufwarts ziehen. Das mu? auf einer Strecke geschehen, von hier an bis so weit das Auge reicht. Wenn dann die Yampa- Utahs kommen, steht das Gras hoch, und nur da, wo wir geritten sind, ist es niedergetreten.«
Dieser Plan war ausgezeichnet. Die Genannten mu?ten herbei und, wahrend die andern mit allen Pferden die Furt vollends passierten, uber den Bach gingen und druben warteten, denselben ausfuhren. Sie gingen auf der Fahrte des Cornels wohl gegen hundert Schritte zuruck, besprengten das Gras mit Wasser und richteten es auf, indem sie, langsam ruckwarts schreitend, ihre Decken auf dem Boden hinter sich herzogen. Das ubrige mu?te die Sonne thun, und da? sie es thun werde, war ganz zweifellos. Wer nicht Zeuge dieses Vorganges gewesen war, mu?te, wenn er eine halbe Stunde spater kam, annehmen, nur die Fahrte Old Firehands und seiner Begleiter vor sich zu haben. Diejenigen, welche die Fahrte vertilgt hatten, sprangen uber den Bach und stiegen wieder in den Sattel.
Die gefangenen Roten hatten schweigend zugeschaut. Seit dem Aufbruche hatte uberhaupt keiner von ihnen ein Wort gesprochen. Was sie jetzt gesehen hatten, kam ihnen verdachtig vor. Warum loschten die Bleichgesichter diese fremde Fahrte aus? Warum verschwendeten sie mit dieser Arbeit die kostbare Zeit, anstatt der Spur so rasch wie moglich zu folgen? Feuerherz konnte es nicht uber sich gewinnen, langer zu schweigen; er wendete sich an Old Firehand:»Wer sind die Manner, welche vorher hier geritten sind?«
«Reiter, «antwortete der Gefragte kurz.
«Wohin sind sie?«
«Wei? ich es?«
«Warum vertilgst du ihre Spur?«
«Deiner Krieger wegen.«
«Ihretwegen? Was haben sie mit dieser Fahrte zu schaffen?«
«Sie werden sie nicht sehen.«
«Sie werden sie ja nicht sehen, denn die Spur befindet sich hier, und meine Krieger lagern im Walde des Wassers.«
«Sie lagern nicht dort, sondern sie sind hinter uns her.«
«Glaube das nicht!«
«Ich glaube es nicht nur, sondern ich wei? es sogar.«
«Du irrst. Zu welchem Zwecke sollten meine Leute euch folgen?«
«Um uns zwischen sich und diejenigen Utahs zu nehmen, welche im Thale der Hirsche lagern.«
Man sah, da? Feuerherz erschrak. Er fa?te sich aber schnell und sagte:»Meinem wei?en Bruder hat wohl getraumt? Ich wei? nichts von allem, was er sagt.«
«Luge nicht! Wir haben wohl die Zeichen gesehen, welche die beiden jungen Hauptlinge dir mit der Decke gaben. Wir haben diese Zeichen ebensogut verstanden wie du selbst und wissen, da? du uns mit dem Calumet belogen hast.«
«Uff! Meine Worte waren ohne Falsch!«
«Das wird sich zeigen. Wehe euch, wenn uns die Yampa-Utahs folgen! Weiter habe ich dir nichts zu sagen. Wir mussen weiter.«
Der unterbrochene Ritt wurde fortgesetzt, jetzt am Bache hinauf. Die Fahrte, welcher man folgte, war breit, und also mu?te ebenso breit geritten werden, damit es den Verfolgern nicht moglich war, zu erkennen, da? sie zwei Fahrten vor sich hatten. Waren die Roten schon vorher schweigsam gewesen, so senkten sie jetzt erst recht die Kopfe. Sie sahen sich durchschaut und erkannten, da? ihr Leben nun keinen Pfifferling mehr wert sei. Wie gern waren sie entflohen, aber von einem Entkommen war keine Rede; ihre Banden waren unzerrei?bar fest, und zudem wurden sie von den Wei?en so eng umgeben, da? ein Durchbrechen derselben die reine Unmoglichkeit genannt werden mu?te.
Der Bach wand sich in vielen Krummungen allmahlich aufwarts. Das Thal wurde breiter und war weiter oben mit Buschen und Baumen bestanden. Er verzweigte sich endlich in mehrere Nebenthaler, aus denen kleine Wasser kamen, um den Bach, welcher hier seinen Ursprung nahm, zu bilden. Winnetou folgte der starksten dieser Quellen, deren Thal wohl eine Viertelstunde ziemlich breit war und dann plotzlich eine Felsenenge bildete, hinter welcher es wieder auseinander ging, um eine saftig grune Matte zu bilden. Als die Enge passiert war, hielt er an und sagte:»Das ist ein vortrefflicher Platz zum Ruhen und Essen. Unsre Pferde sind mude und hungrig, und auch wir bedurfen der Erholung. Meine Bruder mogen absteigen und die Antilopen braten.«
«Dann aber ereilen uns die Utahs!«bemerkte Old Firehand.
«Was schadet das? Sie sollen sehen, da? wir wissen, was sie beabsichtigen. Sie konnen uns nichts thun, denn wenn wir nur einen Mann an die Enge der Felsen stellen, wird er sie schon von weitem kommen sehen und uns benachrichtigen. Sie konnen diesen Ort nicht ersturmen und mussen sich zuruckziehen.«
«Aber wir versaumen hier viel Zeit!«
«Wir versaumen nicht eine Minute. Wenn wir essen und trinken, wachst unsre Kraft, die wir vielleicht brauchen werden. Und wenn wir unsern Pferden Gras und Wasser geben, konnen sie spater schneller laufen. Ich habe diesen Platz auserwahlt. Mein Bruder mag thun, um was ich ihn gebeten habe.«
Der Apache hatte recht, und die andern waren auch einverstanden, da? hier Rast gemacht werde. Da, wo die Felsen das Thal verschlossen, wurde ein Wachter ausgestellt. Die Gefangenen band man an Baume; die Pferde lie? man grasen, und bald brannten zwei Feuer, uber denen das Wild briet. In kurzem konnte man es genie?en. Auch die Indianer bekamen ihren Teil, auch Wasser aus dem Becher zu trinken, welchen der Lord bei sich hatte.
Dieser letztere war bei ausgezeichneter Laune. Er war in das Land gekommen, um Abenteuer zu suchen, und hatte mehr gefunden, als er fur moglich gehalten. Jetzt hatte er sein Buch hervorgezogen, um die Beitrage zu summieren, welche er Bill und dem Uncle schuldete.
«Wollen wir wetten?«fragte er den ersteren.
«Welche Wette?«
«Da? ich Euch schon tausend Dollar schulde, und sogar noch mehr?«
«Ich wette nicht.«
«Jammerschade! Diese Wette hatte ich gewonnen.«
«Ist mir lieb. Ubrigens werdet Ihr heute wohl noch mehr eintragen mussen, Sir, denn es ist moglich, da? wir etwas erleben.«
«Schon! Wenn wir es nur uberleben, so mag es kommen. Seht, es geht schon los!«
Der Wachtposten hatte namlich einen halblauten Pfiff ausgesto?en. Er winkte. Die Anfuhrer eilten zu ihm hin. Als sie, hinter den Felsen versteckt, durch die Enge blickten, sahen sie die Utahs im Thale aufwarts kommen; sie waren noch gegen tausend Schritte entfernt.
Drau?en vor den Felsen wucherte Gestrauch. Dahinein postierte Old Shatterhand schnell seine besten Schutzen und beorderte sie, zu schie?en, sobald sein erster Schu? falle, doch sollten sie nur auf die Pferde, nicht auf die Reiter zielen.
Die Roten kamen schnell naher, die Augen auf die Spur geheftet. Sie glaubten, die Wei?en seien ganz glucklich, entkommen zu sein, und wu?ten sich so sicher, da? sie nicht einmal Spaher vorausgesandt hatten. Da krachte vor ihnen ein Schu?; zehn, zwanzig folgten, noch mehr. Die getroffenen Pferde brachen zusammen oder baumten sich und rannten, ihre Reiter abwerfend und den Zug in Unordnung bringend, zuruck. Ein
