«Hm! Ist schon richtig, was du sagst, aber der Rote mu? fort, mu? aussterben, das ist ihm bestimmt.«
«Ja, er stirbt aus, weil wir ihn morden. Es hei?t, da? er nicht kulturfahig sei und darum verschwinden musse. Die Kultur aber schie?t man nicht wie eine Kugel nur so aus dem Laufe heraus; dazu gehort Zeit, viel Zeit; ich verstehe das nicht, aber ich meine, da? dazu sogar Jahrhunderte gehoren. Gibt man aber etwa dem Roten Zeit? Schickst du einen sechsjahrigen Boy in die Schule und schlagst ihm uber den Kopf, wenn er nach einer Viertelstunde noch kein Professor geworden ist? Das thut man aber mit den Indsmen. Ich will sie nicht verteidigen, denn ich habe nichts davon; aber ich habe bei ihnen ebensoviel gute Menschen getroffen wie bei den Wei?en, ja noch viel mehr. Wem habe denn grad ich es zu verdanken, da? ich nicht mein schones Heim und meine Familie besitze, sondern als alter, grauer Kerl noch im wilden Westen herumirren mu?, den Roten oder den Wei?en?«
«Das kann doch ich nicht wissen. Du hast noch nie davon gesprochen.«
«Weil ein richtiger Mann solche Sachen lieber in sich hinein vergrabt, als da? er von ihnen redet. Ich brauch nur noch einen, den letzten, der mir entkam und der von ihnen ubrig geblieben ist, gerade der Anfuhrer, der Allerschlimmste!«
Der alte Mann sprach das knirschend aus, langsam, als ob er auf jedes Wort ein schweres Gewicht legen wolle. Das erhohte die Aufmerksamkeit der andern; sie ruckten naher zusammen und sahen ihn auffordernd an, ohne aber etwas zu sagen. Er starrte eine Weile in das Feuer, stie? mit dem Fu?e in die brennenden Holzer und fuhr fort, als ob er nur zu sich selbst spreche:»Ich habe sie nicht erschossen und nicht erstochen, sondern totgepeitscht, einen nach dem andern. Lebendig mu?te ich sie haben, damit sie ganz genau so sterben sollten, wie meine Familie sterben mu?te, mein Weib und meine beiden Sohne. Sechs waren es, funf von ihnen habe ich ausgeloscht in kurzer Zeit, der sechste entkam. Ich habe ihn gejagt durch die ganzen Staaten, bis es ihm gelang, seine Fahrte unsichtbar zu machen. Ich bin noch nicht wieder auf sie getroffen, aber er lebt noch, denn er war junger als ich, viel junger, und so denke ich, da? meine alten Augen ihn noch einmal erblicken, ehe ich sie fur immer schlie?e.«
Es trat eine tiefe Stille ein. Alle fuhlten, da? es sich hier um etwas ganz Ungewohnliches handle. Erst nach einer langen Pause wagte einer zu fragen.»Blenter, wer war der Mann?«
Der Alte fuhr aus seinem Sinnen auf und antwortete.»Wer er war? Nicht etwa ein Indianer, sondern ein Wei?er, ein Scheusal, wie es bei den Roten keines gibt. Ja, Manner, ich will es euch sogar sagen, da? er das war, was ihr alle seid und was auch ich jetzt bin, namlich ein Rafter.«
«Wie? Rafters haben deine Familie getotet?«
«Ja, Rafters! Ihr habt gar keine Veranlassung, stolz auf euer Gewerbe zu sein und besonders euch besser zu dunken, als die Roten sind. So wie wir hier sitzen, sind wir alle Diebe und Spitzbuben.«
Diese Behauptung stie? naturlich auf lebhafte Widerspruche. Blenter aber fuhr unbekummert um dieselben fort:»Dieser Flu?, an dem wir uns befinden, dieser Wald, dessen Baume wir niederschlagen und verkaufen, ist nicht unser Eigentum. Wir vergreifen uns widerrechtlich an dem, was dem Staate oder gar Privatpersonen gehort. Wir wurden jeden niederschie?en, selbst den rechtma?igen Besitzer, wenn er uns von hier vertreiben wollte. Ist das nicht Diebstahl? Ja noch mehr, ist das nicht Raub?«
Er sah im Kreise umher, und da er nicht gleich eine Antwort bekam, sprach er weiter:»Und mit solchen Raubern bekam ich es damals zu thun. Ich war von Missouri herubergekommen mit dem richtigen Kaufbriefe in der Hand. Mein Weib und meine Sohne waren bei mir. Wir hatten Rinder mit, einige Pferde, Schweine und einen gro?en Wagen voll Hausgerat, denn ich war leidlich wohlhabend, sage ich euch. Einen Ansiedler gab es nicht in der Nahe; aber wir brauchten auch niemand, denn unsre acht Arme waren kraftig und flei?ig genug, alles selbst und auch schnell fertig zu bringen. In kurzer Zeit stand das Blockhaus da; wir brannten und rodeten ein Ackerland aus und begannen, zu saen. Eines schonen Tages fehlte mir eine Kuh und ich ging in den Wald sie zu suchen. Da horte ich Axtschlage und ging dem Schalle nach. Ich fand sechs Rafters, welche meine Baume niederschlugen. Bei ihnen lag die Kuh; sie hatten sie erschossen, um sie zu verzehren. Nun, Mesch'schurs, was hattet ihr an meiner Stelle gemacht?«
«Die Kerls niedergeschossen, «antwortete einer.»Und das mit vollem Rechte. Nach dem Gesetze des Westens verfallt ein Pferde- oder Rinderdieb dem Tode.«
«Das ist richtig, aber ich habe es doch nicht gethan. Ich sprach freundlich zu den Leuten und verlangte von ihnen nur, meinen Grund und Boden zu verlassen und mir die Kuh zu bezahlen. War das etwa zu viel?«
«Nein, nein, «ertonte es im Kreise.»Thaten sie es nicht?«
«Nein. Sie lachten mich aus. Ich ging aber nicht direkt heim, denn ich wollte etwas fur das Abendessen schie?en. Als ich dann nach Hause kam, fehlte auch die zweite Kuh. Die Rafters hatten sie indessen geholt, mir zum Trotze, um mir zu zeigen, da? sie sich aus mir nichts machten. Als ich am andern Morgen hinkam, hatten sie dieselbe in Stucke zerlegt und die Schnitten zum Trocknen aufgehangen, um Pemmikan zu machen. Meine wiederholte und nun naturlich gesteigerte Forderung wurde ebenso verlacht wie gestern. Ich drohte also von meinem Rechte Gebrauch zu machen und verlangte Geld. Dabei legte ich das Gewehr an. Ein Mensch, welcher den Sprecher und Anfuhrer machte, erhob sofort auch sein Gewehr. Ich sah es ihm an, da? er Ernst mache und zerschmetterte es ihm mit meiner Kugel. Ich hatte ihn nicht verwunden wollen, sondern auf das Gewehr gezielt. Dann eilte ich zuruck, um meine Sohne zu holen. Wir drei furchteten uns keineswegs vor diesen sechs, doch als wir kamen, waren sie schon fort. Naturlich war nun Vorsicht geboten, und wir kamen mehrere Tage lang nicht uber die nachste Umgebung der Blockhutte hinaus. Am vierten Morgen waren die Rationen alle geworden, und ich ging also mit dem einen Sohn, um Fleisch zu machen. Naturlich sahen wir uns vor, aber es war keine Spur von den Rafters zu bemerken. Als wir uns dann langsam und leise durch den Wald purschten, vielleicht zwanzig Schritte voneinander entfernt, sah ich plotzlich den Anfuhrer von ihnen hinter einem Baum stehen. Er erblickte nicht mich, sondern meinen Sohn und legte das Gewehr auf ihn an. Hatte ich den Kerl augenblicklich niedergeschossen, wie es mein gutes Recht und sogar meine Pflicht war, so ware ich gewi? nicht kinderlos und Witwer geworden. Aber es ist nie meine Passion gewesen, ohne Not ein Menschenkind zu toten, und so sprang ich nur schnell hinzu, ri? ihm die Flinte aus der Hand, das Messer und das Pistol aus dem Gurtel und gab ihm einen Hieb in das Gesicht, da? er zu Boden sturzte. Er verlor seine Geistesgegenwart keinen Augenblick, war vielmehr noch schneller als ich. Im Nu hatte er sich aufgerafft und sprang davon, ehe ich nur eine Hand nach ihm ausstrecken konnte.«
«Alle Teufel! Diese Dummheit hast du nachher bu?en mussen!«rief einer.
«Es ist ausgemacht, da? der Mann diesen Schlag spater geracht hat.«
«Ja, er hat ihn geracht, «nickte der Alte, indem er aufstand, um einigemal auf und ab zu schreiten. Die Erinnerung regte ihn auf. Dann setzte er sich wieder nieder und fuhr fort:»Wir hatten Gluck und machten eine gute Jagd. Als wir heimkehrten, ging ich hinter das Haus, um dort die Beute einstweilen abzulegen. Es war mir, als ob ich einen erschrockenen Ruf meines Sohnes horte, aber ich achtete leider nicht darauf. Beim Eintritte in die Stube sah ich meine Leute gebunden und geknebelt am Herde liegen, und zu gleicher Zeit wurde ich gepackt und niedergerissen. Die Rafters waren wahrend unsrer Abwesenheit nach der Farm gekommen und hatten meine Frau und den jungeren Sohn uberwaltigt, um dann auch auf uns zu warten. Als der alteste Sohn dann vor mir kam, hatten sie sich so schnell uber ihn gemacht, da? ihm kaum Zeit zu dem erwahnten Warnungsrufe geblieben war. Mir erging es nicht schlimmer und nicht besser als den andern. Es kam so uberraschend und ging so schnell, da? ich gebunden war, ehe ich an Gegenwehr denken konnte; dann stopfte man auch mir irgend einen Zeugfetzen in den Mund, damit ich nicht schreien konne.«
«Bist selber schuld daran! Warum warst du nicht vorsichtiger! Wer sich mit Rafters verfeindet und uberdies einen von ihnen geschlagen hat, mu? sich vorsehen.«
«Ist wahr. Aber ich hatte damals meine jetzigen Erfahrungen noch nicht. Toteten Rafters mir heut eine Kuh, so schosse ich die Kerls einzeln weg, ohne mich von ihnen sehen zu lassen. Doch weiter! Ich will es kurz machen, denn was nun kommt, kann mit Worten nicht geschildert werden. Es wurde Gericht gehalten; da? ich geschossen hatte, wurde mir als todeswurdiges Verbrechen ausgelegt. Die Halunken hatten sich ubrigens uber meinen Brandy hergemacht; sie tranken sich einen solchen Rausch an, da? sie nicht mehr Menschen, auch nicht Tiere waren, sondern zur Bestie wurden. Sie beschlossen, uns sterben zu lassen. Als Extrastrafe fur den Schlag, den der Anfuhrer von mir erhalten hatte, verlangte er, da? auch wir geschlagen, das hei?t tot gepeitscht werden sollten. Zwei stimmten ihm bei, drei waren dagegen; er setzte es aber durch. Wir wurden hinaus an die Fenz geschafft. Die Frau kam zuerst daran. Man band sie fest und schlug mit Knutteln auf sie los. Einer fuhlte doch eine Art von Mitleid mit ihr und gab ihr eine Kugel in den Kopf. Den Sohnen erging es schlimmer als ihr, sie wurden buchstablich totgeprugelt. Ich lag dabei und mu?te es mit ansehen, denn ich sollte der letzte sein. Leute, ich sage