«Wie, du kennst meinen Namen?«
«Tonkawa stehen lange Zeit da hinter Baum und horen, was Bleichgesichter sprechen; auch horen deinen Namen. Wenn Feinde nicht da, so nun doch kommen. Und wenn Rafters unvorsichtig, dann werden besiegt sogar von wenigen Feinden.«
Jetzt horte man Hufschlag im weichen Boden. Der kleine Bar brachte zwei Pferde, band sie an einen Baum, nahm ein Stuck Fleisch aus dem Kessel, und setzte sich neben seinen Vater, um zu essen. Dieser letztere hatte seine Portion verzehrt, schob das Messer in den Gurtel und sagte:»Nun Tonkawa sprechen, und Rafters dann wohl mit ihm Friedenspfeife rauchen. Der schwarze Tom hat viel Geld. Tramps kommen, ihm aufzulauern und es ihm abzunehmen.«
«Tramps? Hier am schwarzen Barenflusse? Da wirst du dich wohl irren.«
«Tonkawa nicht irren, sondern genau wissen und es auch erzahlen.«
Er berichtete in seinem gebrochenen Englisch das Erlebnis auf dem Steamer, war jedoch zu stolz, dabei uber die Heldenthat seines Sohnes ein Wort zu erwahnen. Man horte ihm naturlich mit der gro?ten Spannung zu. Er erzahlte auch, was nach der Flucht der Tramps geschehen war. Er hatte kurz nach ihnen mit seinem Sohne im kleinen Boote das Ufer des Arkansas erreicht und war da bis zum ersten Tagesgrauen liegen geblieben, da er des Nachts nicht der Fahrte zu folgen vermochte. Diese war dann sehr deutlich gewesen und hatte, Fort Gibson vermeidend, zwischen dem Canadian und dem Red-fork nach Westen gefuhrt, um dann wieder nach Norden einzulenken. Wahrend einer der nachsten Nachte hatten die Tramps ein Dorf der Creekindianer uberfallen, um sich Pferde zu verschaffen. Am Mittag des nachsten Tages waren die beiden Tonkawa wandernden Choctowkriegern begegnet, von denen sie sich zwei Pferde gekauft hatten. Doch war durch die beim Pferdehandel gebrauchlichen Zeremonien eine so lange Zeit in Anspruch genommen worden, da? die Tramps einen Vorsprung von einem ganzen Tag bekommen hatten. Sie waren dann uber den Red-fork gegangen und uber die offene Prairie nach dem schwarzen Barenflusse geritten. Den Tonkawa war es gelungen, ihnen nahe zu kommen. Nun lagerten die Tramps auf einer kleinen Lichtung am Flu?ufer, und die Tonkawa hatten es fur notwendig gehalten, zunachst die Rafters aufzusuchen, um diese zu benachrichtigen.
Die Wirkung dieser Erzahlung lie? nicht auf sich warten. Man sprach nun nur noch im leisen Tone und loschte das Feuer ganz aus.
«Wie weit ist der Lagerplatz dieser Tramps von hier aus entfernt?«fragte der alte Missourier.
«So viel, was die Bleichgesichter eine halbe Stunde nennen.«
«Alle Wetter! Da konnen sie zwar unser Feuer nicht gesehen, aber doch den Rauch gerochen haben. Wir sind wirklich zu sicher gewesen. Und seit wann liegen sie dort?«
«Eine ganze Stunde vor Abend.«
«Dann haben sie gewi? auch nach uns gesucht. Wei?t du nichts daruber?«
«Tonkawa nicht durfen beobachten Tramps, weil noch heller Tag. Sogleich weiter, um Rafters zu warnen, denn — «
Er hielt inne und lauschte. Dann fuhr er in noch viel leiserem Tone fort.»Gro?er Bar etwas sehen, eine Bewegung an Ecke von Haus. Still sitzen und nicht sprechen. Tonkawa fortkriechen und nachsehen.«
Er legte sich auf den Boden nieder und kroch, sein Gewehr zurucklassend, dem Hause zu. Die Rafters spitzten die Ohren. Es vergingen wohl zehn Minuten, dann ertonte ein schriller, kurzer Schrei, ein Schrei, den jeder Westmann kennt — der Todesschrei eines Menschen. Nach kurzer Zeit kehrte der Hauptling zuruck.
«Ein Kundschafter der Tramps, «sagte er.»Tonkawa hat ihm das Messer gegeben, von hinten in das Herz getroffen. Wird nicht sagen konnen, was hier gesehen und gehort. Aber vielleicht noch ein zweiter da. Wird zuruckkehren und melden. Drum schnell machen, wenn wei?e Manner wollen vielleicht belauschen Tramps.«
«Das ist wahr, «stimmte der Missourier flusternd ein.»Ich werde mitgehen und du wirst mich fuhren, da du den Ort kennst, an welchem sie lagern. Jetzt haben sie noch keine Ahnung davon, da? wir von ihrer Gegenwart wissen. Sie fuhlen sich also sicher und werden uber ihr Vorhaben sprechen. Wenn wir uns gleich aufmachen, erfahren wir vielleicht, welche Plane sie haben.«
«Ja, aber ganz leise und heimlich, damit, wenn etwa noch zweiter Kundschafter da, er nicht sehen, da? wir gehen. Und nicht Flinte mitnehmen, sondern nur Messer. Gewehr uns im Weg sein.«
«Und was machen inzwischen die andern hier?«
«In Haus hineingehen und still warten, bis wir zuruckkehren.«
Dieser Rat wurde befolgt. Die Rafters begaben sich in die Blockhutte, wo sie nicht beobachtet werden konnten; der Missourier aber kroch mit dem Hauptling eine Strecke weit fort, und erst dann erhoben sich die beiden, um am Flusse abwarts zu gehen und womoglich die Tramps zu belauschen. Der schwarze Barenflu? kann die Grenze jenes eigentumlich hugeligen Landes genannt werden, welches man mit dem Namen Rolling-Prairie, die rollende Prairie, bezeichnet. Es erhebt sich da Hugel neben Hugel, fast einer genau so wie der andre, getrennt durch Thaler, welche einander ebenso gleichen. Das geht durch den ganzen Osten von Kansas. Diese rollende Prairie ist wasserreich und gut bewaldet. Aus der Vogelschau konnte man diese unendlich aufeinander folgenden Hugel und Thaler mit den rollenden Wogen eines grungefarbten Meeres vergleichen. Daher der Name, aus dem man erkennt, da? unter Prairie nicht stets ein ebenes Gras- oder Wiesenland zu verstehen ist. In dieses weiche, humusreiche Hugelland haben sich die Wasser des schwarzen Barenflusses tief eingefressen, so da? seine Ufer bis dahin, wo sie die rollende Prairie verlassen, meist steil und dabei bis an das Wasser mit dicht stehenden Baumen bewachsen sind. Das ist oder vielmehr war ein rechtes, echtes Wildland, denn in neuerer Zeit ist die rollende Prairie verhaltnisma?ig dicht bevolkert und von den Sonntagsjagern ihres Wildstandes beraubt worden.
Da, wo die Rafters ihren Arbeitsplatz aufgeschlagen hatten, fiel das hohe Ufer unweit des Blockhauses steil zum Wasser hinab, was hochst vorteilhaft war, da es die Anlegung sogenannter Schleifen ermoglichte, das sind Rutschbahnen, auf denen die Rafters die Stamme und Holzer ohne gro?e Anstrengung an das Wasser bringen konnen. Glucklicherweise war das Ufer vom Unterholze frei, aber dennoch war es nicht leicht, dasselbe in der Dunkelheit zu beschreiten. Der Missourier war ein alter gewandter und viel erfahrener Westmann; dennoch wunderte er sich uber den Hauptling, der ihn bei der Hand genommen hatte und nun gerauschlos und so sicher zwischen den Baumen dahinschritt und die Stamme so sicher zu vermeiden wu?te, als ob es heller Tag sei. Unten horte man das Rauschen des Flusses, ein sehr vorteilhafter Umstand, da dasselbe ein etwa mit dem Fu?e erzeugtes Gerausch unhorbar machte.
Blenter befand sich seit langerer Zeit hier. Er arbeitete nicht als Rafter, sondern als Jager und Fleischmacher und kannte die Gegend ganz genau. Um so mehr mu?te er die Sicherheit anerkennen, mit welcher der Indianer, der sich zum erstenmal und zwar auch nur seit dem Anbruch der Dunkelheit hier befand, bewegte.
Als etwas uber eine Viertelstunde vergangen war, stiegen die beiden in ein Wellenthal hinab, welches den Lauf des Flusses durchkreuzte. Auch dieses war mit Baumen dicht bewachsen; es wurde durch einen leisen murmelnden Bach bewassert. In der Nahe der Stelle, wo derselbe sich in den Flu? ergo?, gab es einen baumfreien Platz, auf dem nur einige Busche standen. Dort hatten sich die Tramps gelagert und ein Feuer angebrannt, dessen Schein den beiden Mannern schon in die Augen fiel, als sie sich noch unter dem Wipfeldache des Waldes befanden.
«Tramps ebenso unvorsichtig wie Rafters, «flusterte der Tonkawahauptling seinem Gefahrten zu.»Brennen gro?es Feuer, als ob sie braten wollten ganzen, gro?en Buffel. Roter Krieger stets nur kleines Feuer machen. Flamme nicht sehen und ganz wenig Rauch. Wir da sehr leicht hinkommen und es so machen konnen, da? uns nicht sehen.«
«Ja, hinkommen konnen wir, «meinte der Alte.»Aber ob so nahe, da? wir horen konnen, was sie sprechen, das ist noch fraglich.«
«Wir ganz nahe, wir horen werden. Aber einander beistehen, wenn Tramps uns entdecken. Angreifer totstechen und schnell in Wald hinein.«
Sie gingen bis an die letzten Baume vor und sahen nun das Feuer und die um dasselbe lagernden Leute. Hier unten gab es mehr Stechmucken, die gewohnliche Plage der Flu?laufe dieser Gegenden, als oben im Lager der Rafters. Wohl aus diesem Grunde hatten die Tramps ein so machtiges Feuer angebrannt. Seitwarts standen die Pferde. Man sah sie nicht, aber man horte sie. Sie wurden so von den Moskitos geplagt, da? sie, um diese von sich abzuwehren, in immerwahrender Bewegung waren. Der Missourier horte das Stampfen ihrer Hufe; ja, der Hauptling vernahm sogar das Peitschen ihrer Schwanze.
Nun legten sie sich auf die Erde nieder und krochen nach dem Feuer hin. Dabei benutzten sie als Deckung die Busche, welche auf der Lichtung standen. Die Tramps sa?en nahe am Bache, dessen Ufer mit dichtem Schilfe bewachsen war; das letztere reichte bis an das Lager hin.