Der vorankriechende Indianer wendete sich dem Schilfe zu, welches die beste Gelegenheit zum Verbergen bot. Dabei entfaltete er eine wahre Meisterschaft in Beziehung auf die Kunst des Anschleichens. Es galt, durch die hohen, durren Halme zu kommen, ohne das im Schilfe fast unvermeidliche Gerausch zu verursachen. Auch durften sich die Spitzen desselben nicht bewegen, weil dadurch leicht die Entdeckung herbeigefuhrt werden konnte. Der alte Bar vermied diese Gefahr dadurch, da? er sich einfach den Weg schnitt. Er legte mit dem scharfen Messer das Schilf vor sich nieder und hatte dabei noch Aufmerksamkeit fur den Missourier ubrig, um diesem das Nachfolgen zu erleichtern. Dieses Niedersicheln des harten Schilfes geschah so unhorbar, da? sogar der Alte das Fallen der Halme nicht vernehmen konnte.

So naherten sie sich dem Feuer und blieben erst dann liegen, als sie sich so nahe bei den Tramps befanden, da? sie deren Gesprach, welches freilich nicht leise gefuhrt wurde, horen konnten. Blenter war nicht zuruckgeblieben, sondern hatte sich neben dem Hauptling Platz gemacht. Er uberflog die vor ihm sitzenden Gestalten und fragte leise:»Welcher ist denn der Cornel, von welchem du uns erzahlt hast?«

«Cornel nicht da, er fort, «antwortete der Indianer flusternd.

«Wohl auch, um nach uns zu suchen?«

«Ja; es konnen fast nicht anders sein.«

«So ist er jedenfalls derjenige, den du erstochen hast?«

«Nein, er es nicht sein.«

«Das hast du doch nicht sehen konnen?«

«Bleichgesicht sehen nur mit Augen, Indianer aber sehen auch mit Handen. Meine Finger hatten Cornel gewi? erkannt.«

«So ist er nicht allein, sondern in Begleitung eines andern gewesen, und diesen andern hast du erstochen.«

«Das sehr richtig. Nun hier warten, bis Cornel zuruckkehren.«

Die Tramps unterhielten sich sehr lebhaft; sie schwatzten von allem moglichen, nur nicht von dem, was den beiden Lauschern interessant gewesen ware, bis dann doch einer sagte:»Soll mich wundern, ob der Cornel richtig vermutet hat. Es ware argerlich, wenn sich die Rafters nicht mehr hier befanden.«

«Sie sind noch da, und zwar ganz nahe, «antwortete ein andrer.»Die Axtspane, welche das Wasser hier angeschwemmt hat, sind noch ganz neu; sie stammen von gestern oder hochstens vorgestern.«

«Wenn das richtig ist, so mussen wir wieder zuruck, weil wir den Kerls hier so nahe sind, da? sie uns bemerken werden. Und sehen durfen sie uns doch nicht. Mit ihnen haben wir eigentlich nichts zu schaffen, sondern wir wollen nur den schwarzen Tom und sein Geld abfangen.«

«Und werden es nicht bekommen, «fiel ein dritter ein.

«Warum nicht?«

«Weil wir es so dumm angefangen haben, da? es unmoglich gelingen kann. Meint ihr etwa, da? die Rafters uns nicht bemerken werden, wenn wir eine Strecke zuruckgehen? Sie mu?ten geradezu blind sein. Wir lassen hier Spuren zuruck, welche gar nicht zu vertilgen sind. Und ist unsre Anwesenheit verraten, so ist es aus mit unsrem Plan.«

«Gar nicht! Wir schie?en die Kerls nieder!«

«Werden sie sich hinstellen und ruhig auf sich schie?en lassen? Ich habe dem Cornel den besten Rat gegeben, bin aber leider von ihm abgewiesen worden. Im Osten, in den gro?en Stadten, geht der Bestohlene zur Polizei und uberla?t es dieser, den Dieb ausfindig zu machen; hier im Westen aber nimmt jeder seine Sache in die eigene Hand. Ich bin uberzeugt, da? man uns wenigstens eine Strecke weit verfolgt hat. Und wer sind diejenigen gewesen, die sich auf unsre Fahrte gesetzt haben? Jedenfalls nur diejenigen unter den Passagieren, welche sich auf so etwas verstehen, also Old Firehand, der schwarze Tom und hochstens noch diese sonderbare Tante Droll. Wir hatten auf sie warten sollen, und es ware uns sehr leicht gewesen, Tom sein Geld abzunehmen. Statt aber das zu thun, haben wir diesen weiten Ritt gemacht und sitzen nun hier am Barenflusse, ohne zu wissen, ob wir es bekommen werden. Und da? der Cornel jetzt bei Nacht im Walde herumlauft, um die Rafters zu suchen, das ist ebenso dumm. Er konnte bis morgen warten und — «

Er hielt in seinem Raisonnement inne, denn derjenige, von welchem er sprach, kam in diesem Augenblicke unter den Baumen hervor und auf das Feuer zugeschritten. Er sah die Blicke seiner Leute neugierig auf sich gerichtet, nahm den Hut vom Kopfe, warf ihn auf den Boden und sagte:»Bringe keine gute Nachricht, Leute, habe Ungluck gehabt.«

«Welches? Was fur eins? Inwiefern?«fragte es rundum.»Wo ist Bruns? Warum kommt er nicht mit?«

«Bruns?«antwortete der Cornel, indem er sich niedersetzte.»Der kommt uberhaupt nicht wieder; er ist tot.«

«Tot? Bist du des Teufels! Wie ist er verungluckt? Denn getotet kann ihn doch niemand haben.«

«Wie klug du bist?«antwortete der Anfuhrer dem Frager.»Freilich ist der arme Teufel nur verungluckt, aber durch ein Messer, welches man ihm in das Herz gesto?en hat.«

Diese Nachricht brachte eine gro?e Aufregung hervor. Jeder fragte nach dem Wie und Wo, und vor lauter Fragen konnte der Cornel gar nicht zur Antwort kommen. Darum gebot er Ruhe. Als diese eingetreten war, berichtete er:»Ich nahm gerade Bruns und keinen andern mit, weil er der beste Sucher ist oder vielmehr war. Er hat sich in dieser Eigenschaft auch gut bewahrt, denn seine Nase fuhrte uns zu den Rafters.«

«Seine Nase?«fragte derjenige, welcher die Gewohnheit zu haben schien, fur die andern den Sprecher zu machen.

«Ja, seine Nase. Wir vermuteten die Gesellschaft naturlich weiter aufwarts und schlugen also diese Richtung ein. Dabei mu?ten wir sehr vorsichtig sein, da wir sonst leicht gesehen werden konnten. Aus diesem Grunde kamen wir nur langsam weiter, und es wurde dunkel. Ich wollte umkehren, aber Bruns gab das nicht zu. Wir hatten mehrere Spuren gesehen, aus denen er schlo?, da? wir dem Flo?platze nahe seien. Er meinte, wir wurden die Rafters riechen, da sie schon wegen der Stechfliegen ein Feuer haben mu?ten. Diese Ansicht bewahrheitete sich, denn es roch endlich nach Rauch, und auf der Hohe des Ufers gab es einen leichten Schein wie von einem Feuer, dessen Licht durch Busche und Baume dringt. Wir kletterten hinauf und konnten nun das Feuer vor uns sehen. Es brannte vor einem Blockhause, und um die Flamme sa?en die Rafters, ihrer zwanzig, gerade so viel wie wir. Um sie zu belauschen, schlichen wir uns naher. Ich blieb unter einem Baume liegen, und Bruns machte sich hinter das Haus. Wir hatten noch gar nicht Zeit gefunden, auf das Gesprach zu achten, als plotzlich zwei Kerls kamen, nicht Rafters, sondern Fremde. Ratet einmal, wer sie waren. Doch nein, ihr kommt doch nicht auf das Richtige. Es waren namlich die beiden Indianer, der gro?e und der kleine Bar, vom» Dogfish«.

Die Tramps zeigten sich uber diese Nachricht sehr erstaunt, sie wollten derselben keinen Glauben schenken. Geradezu betroffen aber wurden sie, als sie erfuhren, was der Hauptling den Rafters erzahlt hatte. Dann fuhr der Cornel fort:»Ich sah, da? der Rote das Feuer ganz ausloschte, und dann wurde so leise gesprochen, da? ich nichts mehr verstehen konnte. Ich wollte nun gern fort, mu?te aber selbstverstandlich auf Bruns warten. Plotzlich horte ich einen Schrei, so entsetzlich, so furchterlich, da? er mir durch Mark und Bein ging. Er kam von der Blockhutte her, hinter welcher Bruns steckte. Mir wurde bange um ihn, und ich schlich mich also um das Lager nach der Hutte. Es war so dunkel, da? ich mich vorwarts tasten mu?te. Dabei traf ich mit der Hand auf einen menschlichen Korper, welcher in einer Blutlache lag. Ich fuhlte an der Kleidung, da? es Bruns war, und erschrak auf das heftigste. Er hatte im Rucken einen Stich, welcher gerade ins Herz gedrungen sein mu?, war also tot. Was konnte ich thun? Ich leerte seine Taschen, nahm sein Messer und seinen Revolver zu mir und lie? ihn liegen. Als ich dann wieder nach vorn kam, bemerkte ich, da? die Rafters sich in die Blockhutte zuruckgezogen hatten, und machte mich nun schnell aus dem Staube.«

Die Tramps ergingen sich in Ausdrucken rohen Mitleids uber den Tod ihres Gefahrten, doch der Anfuhrer machte denselben ein Ende, indem er sagte:»La?t das jetzt sein! Wir haben keine Zeit dazu, denn wir mussen fort.«

«Warum?«wurde er gefragt.

«Warum? Habt ihr denn nicht gehort, da? diese Roten unsern Lagerplatz kennen? Naturlich werden sie uns uberfallen wollen, wahrscheinlich am Morgen. Da sie sich aber sagen mussen, da? wir den Toten vermissen und infolgedessen Verdacht schopfen werden, so ist es moglich, da? sie noch eher kommen. Lassen wir uns uberraschen, so sind wir verloren. Wir mussen also sofort weiter.«

«Aber wohin?«

«Nach dem Eagle-tail.«

«Ach, um uns die Eisenbahnkasse zu holen. Auf das Geld der Rafters sollen wir also verzichten?«

Вы читаете Der Schatz im Silbersee
Добавить отзыв
ВСЕ ОТЗЫВЫ О КНИГЕ В ИЗБРАННОЕ

0

Вы можете отметить интересные вам фрагменты текста, которые будут доступны по уникальной ссылке в адресной строке браузера.

Отметить Добавить цитату