«Ich auch!«erklarte der alte Missourier in frohem Tone.»Wir sind da zwischen eine ganze Menge von Geheimnissen geraten, da? es mich wundern soll, wie wir dieselben auseinander wickeln werden. Ihr geht doch auch alle mit, Kameraden?«
«Ja, ja, naturlich ja!«ertonte es rund im Kreise der Rafters.
«Well!«sagte Old Firehand.»So wird morgen fruh aufgebrochen. Wir brauchen uns um die Fahrte des Cornels gar nicht zu kummern, da wir den Ort kennen, an welchem er zu finden ist. Er wird gejagt durch die Walder und Prairien, uber Berg und Thal, und wenn es sein mu?, sogar bis hinauf zum Silbersee. Es ist ein bewegtes Leben, welches unser wartet. La?t uns gute Kameraden sein, Mesch'schurs!«
Funftes Kapitel
Indianisches Meisterstuck
Die Rollingprairie lag im Mittagssonnenglanze. Hugel auf Hugel, mit dichtem Grase, dessen Halme sich im leisen Winde bewegten, bewachsen, glich sie einem Smaragdsee, dessen Wellen plotzlich erstarren mu?ten. Eine dieser festgewordenen Wogen glich in Beziehung auf Lange, Gestalt und Hohe der andern, und wenn man aus einem der Wellenthaler in das andre kam, hatte man das letztere mit dem ersteren verwechseln konnen. Nichts, gar nichts rundum als Wellenhugel, so weit der Horizont reichte. Wer sich hier nicht nach dem Kompa? oder dem Stande der Sonne richtete, der mu?te sich verirren, wie der Laie im kleinen Boote sich auf der weiten See verirrt. In dieser grunen Einode schien es kein Lebewesen zu geben; nur droben, hoch in den Luften, zogen zwei schwarze Huhnergeier, scheinbar ohne die Flugel zu bewegen, ihre Kreise. Sollten sie wirklich die einzigen Geschopfe sein, die es hier gab? Nein, denn soeben lie? sich ein kraftiges Schnauben vernehmen, und hinter einem der Wellenberge kam ein Reiter hervor, und zwar ein hochst sonderbar ausgestatteter Reiter.
Der Mann war von gewohnlicher Gestalt, weder zu gro? noch zu klein, weder zu dick noch zu dunn, schien aber kraftig zu sein. Er trug lange Hose, Weste und kurze Jacke, welche Kleidungsstucke aus wasserdichtem Gummistoffe gefertigt waren. Auf dem Kopfe sa? ein Korkhut mit Nackentuch, wie die englischen Offiziere in Ostindien und andern hei?en Landern zu tragen pflegen. Die Fu?e steckten in indianischen Mokassins.
Die Haltung dieses Mannes war diejenige eines geubten Reiters; sein Gesicht — ja, dieses Gesicht war eigentlich ein sehr sonderbares. Der Ausdruck desselben war geradezu dumm zu nennen, und zwar nicht etwa ausschlie?lich durch die Nase, welche zwei ganz verschiedene Seiten hatte. Auf der linken Seite war sie wei? und hatte die leicht gebogene Gestalt einer gewohnlichen Adlernase; auf der rechten Gesichtsseite war sie dick, wie geschwollen und von einer Farbe, welche man weder rot noch grun noch blau nennen konnte. Eingerahmt wurde dieses Gesicht von einem Kehlbarte, dessen lange dunne Haare vom Halse aus bis uber das Kinn hervorstarrten. Der Bart wurde gestutzt durch zwei riesige Vatermorder, deren blaulicher Glanz verriet, da? der Reiter es in der Prairie vorzog, Gummiwasche zu tragen.
An die Steigbugelriemen war rechts und links je ein Gewehr, dessen Kolben neben dem Fu?e des Reiters auf dem schuhartigen Bugel stand, geschnallt. Quer vor dem Sattel hing eine lange Blechrolle oder Kapsel, deren Zweck wohl kaum zu erraten war. Auf dem Rucken trug der Mann einen Ledertornister mittlerer Gro?e und darauf einige blecherne Gefa?e und sonderbar geformte Eisendrahte. Der Gurtel war breit, auch von Leder, und glich einer sogenannten Geldkatze. Vor ihm hingen mehrere Beutel nieder, vorn blickten die Kolben oder Griffe eines Messers und mehrerer Revolver heraus, und hinten waren zwei Taschen, welche man fur Patronenbehalter halten mu?te, daran befestigt.
Das Pferd, war ein gewohnlicher Gaul, nicht zu gut und nicht zu schlecht fur die Strapazen des Westens; es war an ihm gar nichts Besonderes zu bemerken, als da? er als Schabracke eine Decke trug, welche sicherlich viel Geld gekostet hatte.
Der Reiter schien anzunehmen, da? sein Pferd mehr Prairieverstand besitze als er, wenigstens bemerkte man nicht, da? er demselben die Richtung gab, er lie? es laufen, wie und wohin es ihm beliebte. Es schritt durch einige Wellenthaler, kletterte dann einen Hugel hinauf, trollte druben wieder hinab, fiel einmal freiwillig in Trab, ging wieder langsamer, kurz, der Mann mit dem Korkhelme und dem erzdummen Gesichte schien kein bestimmtes Ziel, aber viel Zeit und Mu?e zu haben.
Plotzlich blieb das Pferd stehen; es spitzte die Ohren, und der Reiter schreckte leicht zusammen, denn vor ihm, es war nur nicht zu sehen, woher eigentlich, lie? sich eine scharfe, befehlende Stimme horen:»Stop, keinen Schritt weiter, oder ich schie?e! Wer seid Ihr, Master?«
Der Reiter blickte auf, vor sich, hinter sich, nach rechts und nach links; es war kein Mensch zu sehen. Er verzog keine Miene, zog den Deckel von der langen, rollenformigen Blechkapsel, welche vorn quer uber den Sattel hing, schuttelte ein Fernrohr heraus, schob die Glieder desselben auseinander, so da? es wohl funf Fu? lang wurde, kniff das linke Auge zu, hielt das Rohr vor das rechte und richtete es gegen den Himmel, den er eine Weile ganz ernsthaft und angelegentlich beguckte, bis dieselbe Stimme sich lachend vernehmen lie?:»Schiebt doch Eure Sternenrohre wieder zusammen! Ich sitze nicht auf dem Monde, der auch gar nicht zu sehen ist, sondern hier unten auf der alten Mutter Erde. Und nun sagt mir, woher Ihr kommt!«
Der Reiter schob, dem Befehle gehorchend, das Rohr zusammen, steckte es in die Kapsel, verschlo? dieselbe sorgfaltig und langsam, als ob er gar keine Eile habe, deutete dann mit der Hand hinter sich und antwortete:»Von daher!«
«Das sehe ich, mein alter Boy! Und wo wollt Ihr hin?«
«Dorthin!«antwortete der Gefragte, indem er mit der Hand nun vorwarts zeigte.
«Ihr seid wirklich ein kostlicher Junge!«lachte der noch immer unsichtbare Inquirent.»Da Ihr Euch aber nun einmal auf dieser gebenedeiten Prairie befindet, vermute ich, da? Ihr die Gebrauche derselben kennt. Es treibt sich hier so viel fragwurdiges Gesindel umher, da? ein ehrlicher Mann gezwungen ist, jede Begegnung etwas scharf zu nehmen. Zuruck konnt Ihr in Gottes Namen reiten, wenn es Euch gefallig ist. Wollt Ihr aber vorwarts, wie es allen Anschein hat, so mu?t Ihr uns Rede und Antwort stehen, und zwar der Wahrheit gema?. Also heraus damit! Woher kommt Ihr?«
«Von Schlo? Castlepool, «antwortete der Mann im Tone eines Schulknaben, welcher sich vordem strengen Gesichte des Lehrers furchtet.
«Das kenne ich nicht. Wo ist dieser Ort zu finden?«
«Auf der Landkarte von Schottland, «erklarte der Reiter, indem sein Gesicht fast noch dummer wurde als vorher.
«Gott segne Euren Verstand, Sir! Was geht mich Schottland an. Und wohin reitet Ihr?«
«Nach Kalkutta.«
«Mir auch unbekannt. Wo liegt denn dieser schone Ort?«
«In Ostindien.«
«Lack-a-day! So wollt Ihr also an diesem sonnigen Nachmittage von Schottland aus uber die Vereinigten Staaten nach Ostindien reiten?«
«Heute nicht ganz.«
«So! Wurdet es wohl auch nicht leicht machen konnen. So seid Ihr wohl ein Englishman?«
«Yes.«
«Von welcher Profession?«
«Lord.«
«Alle Wetter! Ein englischer Lord mit einer runden Hutschachtel auf dem Kopfe! Euch mu? man sich genauer besehen. Komm, Uncle, der Mann wird uns wohl nicht bei?en. Ich habe alle Lust, seinen Worten Glauben zu schenken. Entweder ist er ubergeschnappt oder wirklich ein englischer Lord mit funf Meter Spleen und zehn Hektoliter Leberleiden.«
Jetzt wurden auf der Hohe des nachsten Wellenhugels zwei Gestalten, welche dort im Grase gelegen hatten, sichtbar, eine lange und eine sehr kleine. Beide waren ganz gleich gekleidet, ganz in Leder wie echte, richtige Westmanner, selbst ihre breitkrampigen Hute waren von Leder. Die Gestalt des Langen stand steif wie ein Pfahl auf dem Hugel; der Kleine war buckelig und hatte eine Habichtsnase, deren Rucken fast so scharf wie ein Messer war. Auch ihre Gewehre waren von gleicher Konstruktion, alte, sehr lange Rifles. Der kleine Buckelige hatte das seinige mit dem Kolben auf die Erde gesetzt, und doch ragte die Mundung des Laufes noch um einige Zoll uber seinen Hut hinaus. Er schien der Sprecher der beiden zu sein, denn wahrend der Lange noch kein Wort gesagt