mit?«
«Wohin denn?«
«Nach Frisco hinuber.«
«Das sagt Ihr so ruhig, als ob es nur ein Tagesritt sei?«
«Es ist ein Ritt. Ob er einen Tag oder ein Jahr dauert, das bleibt sich gleich.«
«Hm, ja. Aber habt Ihr eine Ahnung von dem, was einem unterwegs begegnen kann?«
«Habe noch nicht daran gedacht, hoffe aber, es zu erfahren.«
«Wunscht Euch nicht zu viel. Ubrigens konnen wir nicht mit. Wir sind nicht so reich, wie Ihr zu sein scheint; wir leben von der Jagd und konnen also keinen monatelangen Abstecher nach Frisco machen.«
«Ich bezahle euch!«
«So? Na, dann wurde sich uber die Sache sprechen lassen.«
«Konnt ihr schie?en?«
Es war ein fast mitleidiger Blick, den der Buckelige auf den Lord warf, als er antwortete:»Ein Prairiejager und schie?en! Das ist fast noch schlimmer, als ob Ihr fragt, ob ein Bar fressen konne. Beides ist genau so selbstverstandlich wie mein Buckel.«
«Mochte aber doch eine Probe sehen. Konnt ihr die Geier von da oben herunterholen?«
Humply ma? die Hohe, in welcher sich die beiden Vogel wiegten, mit den Augen und antwortete.»Warum nicht? Ihr freilich wurdet es uns mit Euren beiden Sonntagsflinten nicht nachmachen.«
Er deutete auf das Pferd des Lords. Die Gewehre hingen noch an den Bugelriemen; sie waren blank geputzt, so da? sie ganz wie neu aussahen, was dem Westmann ein Greuel ist.
«So schie?t!«gebot der Lord, ohne auf die letzte Behauptung des Buckeligen zu achten.
Dieser stand auf, legte sein Gewehr an, zielte kurz und druckte ab. Man sah, da? der eine der Geier einen Sto? erhielt; er schlug flatternd die Flugel, suchte sich zu halten, doch vergebens; er mu?te nieder, erst langsam, dann schneller; endlich zog er die Flugel an den Leib und fiel wie ein schwerer Klumpen senkrecht zur Erde nieder.
«Nun, Mylord, was sagt Ihr dazu?«fragte der kleine Schutze.
«Nicht ubel, «lautete die kalte Antwort.
«Was? Nicht ubel nur? Bedenkt diese Hohe, und da? die Kugel den Vogel gerade ins Leben traf, denn er war schon in der Luft tot! Jeder Kenner hatte das einen Meisterschu? genannt.«
«Well, der zweite!«nickte der Lord dem langen Jager zu, ohne auf den Vorwurf des Kleinen einzugehen.
Gunstick-Uncle erhob sich steif vom Boden, stutzte sich mit der Linken auf seine lange Rifle, erhob die Rechte wie ein Deklamierender, wendete das Auge gen Himmel zu dem zweiten Geier und sprach in pathetischem Tone:»Wandelt der Aar in Gefilden der Lufte — blickt er herab auf die Grufte und Schlufte — denket mit Sehnsucht des Aases voll Dufte — ich aber schie?e ihn tot in die Hufte!«
Bei diesen improvisierten Reimen war seine Pose so steif und eckig wie diejenige eines Gliedermannes. Er hatte bisher noch kein einziges Wort gesprochen, desto gro?eren Eindruck mu?te dieses herrliche Poem machen. So dachte er. Darum lie? er den erhobenen Arm sinken, wendete sich gegen den Lord und blickte diesen mit stolzer Erwartung an. Der Englander hatte langst wieder sein dummes Gesicht angenommen; jetzt zuckte es in und auf demselben, als ob das Lachen mit dem Weinen kampfe.
«Habt Ihr es richtig gehort, Mylord?«fragte der Buckelige.»Ja, der Gunstick-Uncle ist ein feiner Kerl. Er war Schauspieler und ist noch jetzt ein Dichter. Er spricht blutwenig, aber wenn er einmal den Mund aufthut, so redet er nur in Engelszungen, das hei?t in Reimen.«
«Well!«nickte der Englander.»Ob er in Reimen oder in Gurkensalat redet, das ist nicht meine, sondern seine Sache, aber kann er schie?en?«
Der lange Dichter zog den Mund bis an das rechte Ohr und warf die Hand weit von sich, was eine Bewegung der Verachtung sein sollte. Dann erhob er seine Rifle zum Zielen, setzte sie aber wieder ab. Er hatte den rechten Augenblick versaumt, denn wahrend seines dichterischen Ergusses hatte das Geierweibchen, erschrocken uber den Tod ihres Mannchens, beschlossen, sich davon zu machen. Der Vogel hatte sich schon weit entfernt.
«Er ist unmoglich zu treffen, «sagte Humply.»Meinst du nicht, Uncle?«
Der Gefragte erhob beide Hande gen Himmel nach dem Punkte, an welchem man den Geier erblickte, und antwortete in einem Tone, als ob er Tote erwecken wolle:»Es tragen ihn die Flugel — fort uber Thal und Hugel — er ist mit gro?en Wonnen — nun leider mir entronnen — und wer ihn nun will kriegen — schnell hinterdrein mag fliegen!«
«Unsinn!«rief der Lord.»Meint ihr wirklich, da? er nicht mehr zu treffen ist?«
«Ja, Sir, «antwortete Humply.»Kein Old Firehand, kein Winnetou und kein Old Shatterhand vermochte ihn jetzt noch herunterzuholen, und das sind doch die drei besten Schutzen des fernen Westens.«
«So!«
Wahrend der Lord dies mehr hervorstie? als deutlich aussprach, ging ein helles, blitzartiges Zucken uber sein Gesicht. Er trat schnell zum Pferde, nahm eins der Gewehre vom Riemen, entfernte die Sicherung, legte an, zielte, druckte ab, alles wie in einem einzigen kurzen Augenblicke, lie? das Gewehr wieder sinken, setzte sich nieder, griff nach der Rehkeule, um sich noch ein Stuck von derselben zu schneiden, und sagte:»Nun, war er zu treffen oder nicht?«
Auf den Gesichtern der beiden Jager lag der Ausdruck des hochsten Erstaunens, ja der Bewunderung. Der Vogel war getroffen, und zwar gut, denn er fiel mit zunehmender Schnelligkeit in einer sich verengenden Schneckenlinie zur Erde nieder.
«Wonderful!«rief Humply ganz begeistert aus.»Mylord, wenn das nicht ein Zufall — «
Er hielt inne. Er hatte sich nach dem Englander umgedreht und sah diesen kauend am Boden sitzen, den Rucken nach der Seite gerichtet, wohin der Meisterschu? gerichtet gewesen war. Das war doch kaum zu glauben!
«Aber, Mylord, «fuhr er fort,»dreht Euch doch um! Ihr habt den Geier nicht nur getroffen, sondern wirklich erlegt!«
«Das wei? ich, «antwortete der Englishman, indem er, ohne sich umzusehen, ein Stuck Fleisch in den Mund schob.
«Aber Ihr habt es ja gar nicht beobachtet!«
«Ist nicht notig; ich wei? es doch. Meine Kugel geht nie fehl.«
«Aber dann seid Ihr ja ein Kerl, der es, wenigstens was das Schie?en betrifft, mit den drei beruhmten Mannern, deren Namen ich vorhin nannte, getrost aufnehmen kann! Oder nicht, Uncle?«
Der famose Ladestock-Onkel stellte sich abermals in Positur und antwortete, mit beiden Handen gestikulierend:»Getroffen ist der Geier — der Schu? war ungeheuer — ich mu? auf Ruhm verzichten — «
«Und hore auf, zu dichten!«fiel der Englander ihm in die Rede.
«Wozu diese Reime und das Geschrei! Ich wollte wissen, was fur Schutzen ihr seid. Nun setzt euch wieder her, und la?t uns weiter verhandeln. Also ihr geht mit mir, und ich bezahle euch die Reise. Einverstanden?«
Beide blickten einander an, nickten sich zu und antworteten mit einem beistimmenden Ja.
«Well! Und wieviel verlangt ihr?«
«Ja, Mylord, mit dieser Frage bringt Ihr mich in Verlegenheit. Wir haben noch nie im Dienste eines Mannes gestanden, und von einer sogenannten Bezahlung kann bei Scouts, die wir sein sollen, doch wohl nicht gesprochen werden.«
«All right! Ihr habt euren Stolz, und das gefallt mir. Es kann hier nur von einem Honorare die Rede sein, dem ich, wenn ich mit euch zufrieden bin, eine Extragratifikation zufuge. Ich bin hierher gekommen, um etwas zu erleben, um beruhmte Jager zu sehen, und mache euch also folgendes Anerbieten: Ich bezahle euch fur jedes Abenteuer, welches wir erleben, funfzig Dollar.«
«Sir, «lachte Humply,»da werden wir reiche Leute, denn an Abenteuern gibt's hier keinen Mangel, erleben thut man sie, ja, ob aber uberleben, das ist eine andre Frage. An uns beiden soll es da nicht fehlen; aber fur einen Fremden ist es geratener, die Abenteuer zu fliehen, anstatt sie aufzusuchen.«
«Ich aber will sie haben! Verstanden! Auch will ich mit beruhmten Jagern zusammentreffen. Ihr nanntet vorhin drei Namen, von denen ich schon viel gehort habe. Sind diese drei Manner jetzt im Westen?«
«Da fragt Ihr mich zu viel. Diese beruhmten Personen sind uberall und nirgends. Man kann sie nur durch Zufall treffen, und selbst wenn man ihnen einmal begegnet, ist es die Frage, ob sich so ein Konig der Westmanner