«Ich wei? es nicht, denn als sie meine Flucht entdecken mu?ten, war ich schon fort.«
«Wer ist es denn? Welche Wei?en konnten es wagen, die» gute Sonne «gefangen zu nehmen, um sie zu toten?«
«Es sind viele, viele Menschen, mehrere hundert schlechte Leute, welche von den Bleichgesichtern Tramps genannt werden.«
«Tramps? Wie kommen diese hierher, und was wollen sie in dieser abgelegenen Gegend? An welchem Orte befinden sie sich?«
«In dem Winkel des Waldes, welchen ihr Osage-nook nennt, den aber wir die Ecke des Mordes hei?en, weil unser beruhmtester Hauptling mit seinen tapfersten Kriegern dort hinterlistig umgebracht worden ist. Alle Jahre, wenn der Mond sich dreizehnmal gefullt hat, besuchen einige Abgesandte unsres Stammes diesen Ort, um an den Grabern der gefallenen Helden den Tanz des Todes aufzufuhren. So verlie? auch ich in diesem Jahre mit zwolf Kriegern unsre Weidegrunde, um mich nach dem Osage-nook zu begeben. Wir kamen vorgestern dort an, suchten die Gegend ab und uberzeugten uns, da? kein feindliches Wesen vorhanden sei. Wir fuhlten uns also sicher und schlugen unser Lager bei den Grabern auf. Gestern jagten wir, um Fleisch zur Speise zu haben, und heute nahmen wir die Feier vor. Ich war so vorsichtig gewesen, zwei Wachen auszustellen, dennoch war es wei?en Mannern gelungen, sich unbemerkt in unsre Nahe zu schleichen. Sie hatten die Spuren gesehen, welche wahrend der Jagd von unsern Fu?en und den Hufen unsrer Pferde zuruckgelassen worden waren, und fielen wahrend des Tanzes so plotzlich uber uns her, da? wir nur wenige Augenblicke zum Widerstande fanden. Sie waren mehrere hundert Kopfe stark; wir toteten einige von ihnen; sie erschossen acht von uns; ich wurde mit den ubrigen vier uberwaltigt und gebunden. Man hielt Gericht uber uns, und wir erfuhren, da? wir heute abend am Feuer gemartert und dann verbrannt werden sollten. Sie lagerten sich bei den Grabern und trennten mich von meinen Kriegern, damit ich nicht mit denselben sprechen konne. Man band mich an einem Baume fest und stellte einen wei?en Wachter zu mir; aber der Riemen, welcher mich hielt, war zu schwach; ich zerri? ihn. Zwar schnitt er mir, wie ihr sehen konnt, tief in das Fleisch, hoch kam ich los und benutzte den Augenblick, an welchem der Wachter einmal fortging, dazu, mich heimlich davon zu schleichen.«
«Und deine vier Gefahrten?«fragte Bill.
«Sie sind naturlich noch dort. Oder meinst du, da? ich hatte nach ihnen forschen sollen?«
«Nein; du warst dadurch nur von neuem in die Gefangenschaft geraten.«
«Mein Bruder sagt die Wahrheit. Ich hatte sie nicht retten konnen, sondern ware mit ihnen umgekommen. Ich beschlo?, nach Butlers Farm zu eilen, deren Besitzer mein Freund ist, und von dort her Hilfe zu holen.«
Humply-Bill schuttelte den Kopf und meinte:»Fast unmoglich! Vom Osage-nook bis zu Butlers Farm sind gute sechs Stunden zu reiten, mit einem schlechten Pferde bringt man noch viel langer zu. Wie kannst du da bis zum Abend, an welchem deine Gefahrten sterben sollen, zuruckgekehrt sein?«
«O, die Fu?e der guten Sonne sind ebenso schnell wie diejenigen eines Pferdes, «antwortete der Hauptling selbstbewu?t.»Meine Flucht wird die Folge haben, da? man die Hinrichtung aufschiebt und sich zunachst alle Muhe gibt, mich wieder einzufangen. Die Hilfe wurde also wohl zur rechten Zeit eintreffen.«
«Dieses Exempel kann stimmen und auch nicht. Gut, da? du uns getroffen hast, denn nun ist es nicht notig, nach Butlers Farm zu laufen; wir werden mit dir gehen, um deine Gefahrten zu befreien.«
«Will mein wei?er Bruder dies wirklich thun?«fragte der Indianer in freudigem Tone.
«Naturlich! Was denn anders? Die Osagen sind ja unsre Freunde, wahrend die Tramps die Gegner eines jeden ehrlichen Mannes sind.«
«Aber es sind ihrer so viele, so sehr viele, und wir hier haben zusammen nur acht Arme und Hande!«
«Pshaw, du kennst mich ja! Meinst du, da? ich die Absicht habe, mich offen mitten unter sie hineinzusturzen? Vier listige Kopfe konnen es schon wagen, sich an eine Horde Tramps zu schleichen, um einige Gefangene herauszuholen. Was sagst du dazu, alter Uncle?«
Der Steifnackige breitete beide Arme aus, schlo? entzuckt die Augen und rief:»Ich reite sofort mit Vergnugen — hin, wo die wei?en Schufte liegen — und hole ohne Furcht und Graus — die roten Bruder alle 'raus!«
«Schon! Und Ihr, Mylord?«
Der Englander hatte sein Notizbuch herausgenommen, um den Namen des Hauptlings zu notieren; er schob es jetzt wieder in die Tasche und antwortete:»Naturlich reite ich mit; es ist ja ein Abenteuer!«
«Aber ein sehr gefahrliches, Sir!«
«Desto besser! Da zahle ich zehn Dollar mehr, also sechzig. Aber wenn wir reiten wollen, so mussen wir ein Pferd fur die» gute Sonne «besorgen!«
«Hm, ja!«antwortete der Buckelige, indem er ihn uberrascht anblickte.
«Aber woher wurdet denn Ihr eins nehmen, he?«
«Naturlich von seinen Verfolgern, welche wahrscheinlich nahe genug hinter ihm sind.«
«Ganz richtig, ganz richtig! Ihr seid kein unebener Kerl, Sir, und ich denke, da? wir uns so leidlich zusammenarbeiten werden. Nur ist es dabei wunschenswert, da? unser roter Freund eine Waffe besitzt.«
«Ich trete ihm eins von meinen Gewehren ab. Hier ist's ja schon; den Gebrauch desselben werde ich ihm erklaren. Und nun durfen wir keine Zeit versaumen, sondern ich schlage vor, uns so aufzustellen, da? die Verfolger, wenn sie hier ankommen, von allen Seiten eingeschlossen sind.«
Der Ausdruck des Erstaunens auf dem Gesichte des Kleinen wurde immer intensiver. Er ma? den Englander mit einem fragenden Blicke und antwortete:»Ihr sprecht da grad wie ein alter, erfahrener Jager, Sir! Wie meint Ihr denn eigentlich, da? wir das anzufangen hatten?«
«Sehr einfach. Einer bleibt hier auf dem Hugel, auf welchem wir beide jetzt waren. Er empfangt die Kerls genau so, wie ihr beide vorher mich empfangen habt. Die andern drei gehen einen Bogen, so da? ihre Spuren nicht zu sehen sind, und besteigen die drei benachbarten Hohen. Kommen dann die Kerls, so befinden sie sich zwischen den vier besetzten Hugeln, und wir haben sie fest, denn wir sind oben gedeckt und konnen sie nach Belieben wegputzen, wahrend sie von uns nur den Rauch unsrer Schusse bemerken.«
«Ihr redet wirklich wie ein Buch, Mylord! Sagt aufrichtig, befindet Ihr Euch wirklich jetzt zum erstenmal in der Prairie?«
«Allerdings. Aber ich habe mich vorher an andern Orten befunden, wo man nicht weniger vorsichtig sein mu? als hier. Wir haben ja bereits davon gesprochen.«
«Well! Ich sehe, da? wir mit Euch nicht viel Arger haben werden, und das ist mir lieb. Ich gestehe, da? ich ganz denselben Vorschlag machen wollte. Bist du einverstanden, alter Uncle?«
Der Steife machte eine theatralische Armbewegung und antwortete:»Jawohl, sie werden eingeschlossen — und miteinander totgeschossen!«
«Gut, so bleibe ich hier, um sie, sobald sie kommen, anzureden. Der Mylord geht nach rechts; du wendest dich links, und der Hauptling postiert sich auf den vorstehenden Hugel. Auf diese Weise bekommen wir sie zwischen uns, und ob wir sie toten oder nicht, das soll ganz darauf ankommen, wie sie sich verhalten.«
«Nicht toten!«meinte der Lord.
«Ganz recht, Sir! Auch ich bin dagegen, aber diese Schurken verdienen eigentlich keine Nachsicht, und wenn wir sie schonen, was thun wir dann mit ihnen? Konnen wir sie mit uns schleppen? Unmoglich! Und lassen wir ihnen die Freiheit, so verraten sie uns. Ich werde so laut mit ihnen reden, da? Ihr jedes Wort hort, dann wi?t Ihr, was zu thun ist. Schie?e ich einen uber den Haufen, so ist das ein sicheres Zeichen, da? Ihr auf die andern schie?en sollt. Entkommen darf keiner. Denkt daran, da? sie acht Osagen getotet haben, ohne von diesen vorher feindlich behandelt worden zu sein! Und nun vorwarts, Mesch'schurs; ich denke, da? wir nicht langer zogern durfen.«
Er stieg den nachsten Wellenberg empor und legte sich da, wo er vorher mit dem Englander den Indianer beobachtet hatte, in das Gras. Die drei andern verschwanden zu beiden Seiten in den Wellenthalern. Die Pferde blieben da, wo sie gestanden hatten. Der Lord hatte sein Fernrohr mitgenommen.
Es verging wohl eine Viertelstunde, ohne da? die Annaherung eines menschlichen Wesens zu bemerken war. Der Wachter, welchem der Hauptling entkommen war, mu?te sehr nachlassig gewesen sein und die Flucht desselben spat entdeckt haben. Dann war von dem Hugel, auf welchem sich der Englander befand, der laute Ruf zu horen:»Aufgepa?t, sie kommen!«
«Still!«warnte der Buckelige etwas weniger laut.
«Pshaw! Sie konnen es nicht horen, sind fast noch eine Meile entfernt.«
«Wo?«
«Geradeaus nach Ost. Habe durch das Rohr zwei Kerls gesehen, welche auf einem Hugel standen und