«Ja, Ihr waret diesen Leutchens gerade in die Hande geritten, und ich hatte Euer Tagebuch nach Frisco tragen mussen, ohne einen einzigen Dollar zu bekommen.«

«Nichts bekommen? Warum?«

«Weil wir unser Abenteuer noch nicht ganz erlebt haben.«

«Haben es erlebt! Ist bereits voruber und auch eingetragen. Begegnen mit dem Hauptling und Erschie?en der funf Tramps war ein vollstandiges Abenteuer fur funfzig Dollar. Steht bereits im Buche. Befreiung der Osagen ist ein neues Abenteuer.«

«Auch fur funfzig Dollar?«

«Yes!«nickte der Lord.

«Nun, dann notiert nur immer fort, Sir, «lachte Bill.»Wenn Ihr jedes Erlebnis in so und so viele Unterabenteuer zerlegt, werdet Ihr uns in Frisco ein solches Geld zu zahlen haben, da? Ihr nicht wi?t, woher es nehmen!«

Der Lord lachelte leise vor sich hin und antwortete:»Wird schon ausreichen. Kann Euch bezahlen, ohne Schlo? Castlepool verkaufen zu mussen. Wollen wir wetten? Ich setze zehn Dollar. Wer noch?«

«Ich nicht, Sir. Wollte ich immer so mit Euch wetten, so wurde ich alles, was ich mir bei Euch verdiene, wieder verlieren, und das kann dem Neffen meines Onkels nicht einfallen.«

Die Sonne verschwand, und die Schatten der Dammerung huschten durch die Wellenthaler, stiegen hoher und hoher, uberfluteten auch die Hugel und hullten endlich die ganze Erde in ihr dusteres Gewand. Auch der Himmel war dunkel und ganz sternenleer.

Nun wurde aufgebrochen; aber man ritt nicht bis ganz an den Wald heran. Die Vorsicht gebot, die Pferde im Freien zu lassen. Holzerne Pflocke, um die Pferde mittels der Zugel an den Boden zu fesseln, fuhrt jeder Westmann mit sich. Auf diese Weise band man die Tiere an und wendete sich dann im Gansemarsch dem Walde zu.

Der Rote schritt voran. Sein Fu? beruhrte den Boden so leise, da? das Ohr nichts davon zu vernehmen vermochte. Der Lord, welcher ihm folgte, gab sich Muhe, ebenso unhorbar zu gehen. Es war rundum nichts zu vernehmen als der leise Wind, welcher die Wipfel der Baume bewegte.

Jetzt ergriff der Osage die rechte Hand des Englanders und flusterte ihm zu:»Mein wei?er Bruder gebe seine andre Hand weiter, damit die drei Bleichgesichter eine Kette bilden, welche ich fuhre, damit sich keiner an einen Baum sto?e.«

Wahrend er mit der ausgestreckten einen Hand sich vorwarts tastete, zog er mit der andern die Wei?en hinter sich her. Dem Lord wurde die Zeit sehr lang, denn in solchen Lagen dehnen die Minuten sich zu Stunden aus. Endlich blieb der Hauptling stehen und flusterte:»Meine Bruder mogen lauschen. Ich habe die Stimmen der Tramps vernommen.«

Sie horchten und bemerkten bald, da? der Rote sich nicht geirrt hatte. Man horte sprechen, wenn auch aus weiter Ferne, so da? die Worte nicht verstanden werden konnten. Nach wenigen Schritten gewahrte man einen leisen Dammerschein, welcher es dem Auge ermoglichte, die Baumstamme zu unterscheiden.

«Meine Bruder mogen hier warten, bis ich zuruckkehre, «sagte der Osage. Kaum gesagt, huschte der Rote schon fort und war im nachsten Augenblicke verschwunden. Es war wohl uber eine halbe Stunde vergangen, als er zuruckkehrte. Sie hatten sein Kommen weder gesehen noch gehort; er tauchte plotzlich vor ihnen, wie aus der Erde, auf.

«Nun?«fragte Bill.»Was hast du uns zu melden?«

«Da? noch mehr Tramps gekommen sind, noch viel mehr.«

«Wetter! Ob diese Kerls vielleicht hier ein Meeting abzuhalten gedenken? Dann wehe den Farmers und sonstigen Leuten, welche in der Gegend wohnen. Hast du gehort, was gesprochen wurde?«

«Es brannten mehrere Feuer, und der ganze Platz war hell. Die Tramps hatten einen Kreis gebildet, in welchem ein Bleichgesicht mit roten Haaren stand und eine lange und sehr laute Rede hielt.«

«Wovon sprach er? Hast du ihn verstanden?«

«Ich verstand ihn ganz genau, denn er sprach beinahe brullend, aber meine Aufmerksamkeit war darauf gerichtet, meine roten Bruder zu entdecken, und so habe ich nur sehr wenig von dem, was er sprach, behalten.«

«Nun, und das Wenige? Was war es?«

«Er sagte, der Reichtum sei ein Raub an den Armen und man musse also den Reichen alles nehmen, was sie haben. Er behauptete, der Staat durfe von dem Unterthan keine Steuern erheben und man musse ihm also alles Geld, welches er in den Kassen habe, wieder wegnehmen. Er sagte, da? die Tramps alle Bruder seien und schnell sehr reich werden konnten, wenn sie seinen Vorschlagen folgen wollten.«

«Weiter! Was noch?«

«Ich habe nicht weiter auf seine Worte geachtet. Er sprach noch von der gro?en, vollen Kasse einer Eisenbahn, welche leer gemacht werden musse. Dann aber habe ich nicht mehr auf seine Worte gehort, denn ich sah den Ort, an welchem sich meine roten Bruder befinden.«

«Wo ist das?«

«In der Nahe eines kleineren Feuers, an welchem niemand sa?. Dort standen sie an Baumstammen, an welche sie gebunden waren, und bei jedem von ihnen sa? ein Tramp, der ihn bewachte.«

«So kann man sich nicht leicht anschleichen?«

«Man kann es. Ich hatte sie wohl losschneiden konnen; besser aber war es, ich that es nicht und holte meine wei?en Bruder, um mir dabei zu helfen, weil es da viel schneller geht. Aber ich bin vorher bis zu einem meiner roten Bruder gekrochen und habe ihm zugeflustert, da? sie gerettet werden sollen.«

«Das ist sehr gut, denn nun sind sie vorbereitet und werden, wenn wir ihnen nahe kommen, uns nicht etwa durch eine Bewegung der Freude und Uberraschung verraten. Diese Tramps sind keine Westmanner. Es ist eine ungeheure Dummheit von ihnen, die Gefangenen nicht in ihre Mitte zu nehmen. In diesem Falle konnten wir sie nicht durch List befreien, sondern wir mu?ten, obgleich wir nur vier Personen sind, in den Kreis dieser Kerls hineinspringen, um, wahrend der Schreck sie lahmt, die Osagen loszuschneiden. Fuhre uns nach dem Orte, an welchem sie sich befinden!«

Der Hauptling voran, huschten die vier von Baum zu Baum und gaben sich dabei Muhe, moglichst im Schatten der Stamme zu bleiben. So naherten sie sich schnell dem Lagerplatze, auf welchem sie jetzt acht Feuer zahlen konnten. Das kleinste brannte in dem innersten Winkel der Ecke, sehr nahe bei den Baumen, und dorthin waren die Schritte des Hauptlings gerichtet. Er blieb einmal fur einige Augenblicke stehen und raunte den drei Wei?en zu:»Jetzt sitzen mehrere Bleichgesichter an diesem Feuer. Vorhin sa? niemand dort. Der Mann mit dem roten Haar ist dabei. Diese Leute scheinen die Anfuhrer, die Hauptlinge zu sein. Seht ihr wenige Schritte davon meine Osagen an den Baumen?«

«Ja, «antwortete der Buckelige.»Die Rede, welche der Rote gehalten hat, ist zu Ende und nun sitzen die Kerls abgesondert von den ubrigen, jedenfalls um Rat zu halten. Es kann sehr wichtig sein, zu erfahren, was sie vorhaben. So viele Tramps sind nicht wegen einer Kleinigkeit hier versammelt. Glucklicherweise stehen einige Busche unter den Baumen. Ich werde einmal hinkriechen, um zu horen, wovon gesprochen wird.«

«Mein Bruder mag es lieber nicht thun, «warnte der Hauptling.

«Warum? Glaubst du, da? ich mich erwischen lasse?«

«Nein. Ich wei?, da? mein Bruder das Anschleichen versteht; aber er konnte doch gesehen werden.«

«Gesehen, doch nicht erwischt!«

«Ja, mein Bruder hat leichte Fu?e und wurde schnell entkommen, doch wurde es uns dann unmoglich sein, die Osagen zu befreien.«

«Nein. Wir wurden in einigen Augenblicken ihre Wachter niedergemacht und ihre Banden zerschnitten haben; dann schnell fort durch den Wald und zu den Pferden. Mochte den Tramp sehen, welcher das verhindern wollte! Also ich schleiche mich hin. Werde ich bemerkt, so springet Ihr zu den Gefangenen. Geschehen kann uns nichts. Hier ist mein Gewehr, Uncle.«

Er gab, um von derselben nicht gehindert zu sein, seinem Gefahrten die Buchse, legte sich auf die Erde nieder und kroch dem Feuer zu. Seine Aufgabe war viel leichter zu losen, als er geglaubt hatte. Die Tramps sprachen so laut, da? er fast auf halbem Wege liegen bleiben und doch jedes Wort horen konnte.

Wenn der Hauptling der Ansicht gewesen war, da? die vier an diesem Feuer sitzenden Manner die hervorragenden Tramps, die Anfuhrer seien, so hatte er sich nicht geirrt. Der eine von ihnen, der mit dem roten Kopfe, war der Cornel Brinkley, welcher sich mit seinen wenigen, den Rafters entkommenen Begleitern heute

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