Bill erzahlte im Vorwartsjagen, was er gehort hatte.

«Uff!«rief der Hauptling.»Dann ist die Farm gerettet, denn der Kopf dieses Bleichgesichts ist mehr wert als die Waffen von tausend Tramps. Wie freue ich mich, ihn sehen zu konnen!«

«Kennst du ihn schon?«

«Alle Hauptlinge des Westens haben ihn gesehen und mit ihm das Calumet geraucht. Warum soll ich allein ihn nicht kennen? Fuhlst du, da? es zu regnen beginnt? Das ist gut, denn der Regen gibt dem niedergetretenen Grase die Kraft, sich bald wieder aufzurichten. Die Tramps werden also morgen fruh unsre Fahrte nicht wahrnehmen konnen.«

Jetzt horte die Unterhaltung auf. Die Schnelligkeit des Rittes und die Aufmerksamkeit, welche dabei zu verwenden war, erschwerten das Sprechen, und au?erdem macht ja der Regen stets weniger mitteilsam.

Der Weg an und fur sich bot keine Schwierigkeiten; kein Stein, kein Graben, kein ahnliches Hindernis hemmte den Schritt, und die Wellenthaler waren so breit, da? stets mehrere Pferde ganz bequem nebeneinander gehen konnten. Der Boden bestand ganz ausschlie?lich aus weichem Graslande. Nur die Dunkelheit war zu uberwinden.

Zuweilen lie?en die Reiter ihre Pferde, um dieselben nicht allzusehr zu ermuden, im Schritte gehen; dann wurde wieder im Trab oder gar Galopp geritten. Als einige Stunden vergangen waren, schien die vorherige Zuversicht Bills doch ein wenig nachzulassen, denn er fragte den Hauptling:»Ist mein Bruder uberzeugt, da? wir uns in der beabsichtigten Richtung befinden?«

«Mein wei?er Bruder sorge nicht, «antwortete der Gefragte.»Wir haben uns sehr beeilt und werden sehr bald die Stelle erreichen, an welcher ich dich und den Uncle heute getroffen habe.«

War das Ubung oder angeborener Instinkt, da? dieser Indianer diese Behauptung so bestimmt auszusprechen vermochte? Bill wollte gar nicht glauben, da? man eine so bedeutende Strecke zuruckgelegt habe. Aber mit dem Regen hatte sich ein scharfer Luftzug erhoben, welcher die Reiter von hinten traf und den Pferden das Laufen wesentlich erleichterte.

Schon kurze Zeit nach der erwahnten Frage und Antwort fiel das Pferd des Hauptlings plotzlich aus dem Galopp in einen langsamen Schritt, blieb dann sogar, ohne von dem Reiter angehalten worden zu sein, stehen und stie? ein leises Schnauben aus.

«Uff!«sagte der Rote in gedampftem Tone.»Es mussen Menschen vor uns sein. Meine Bruder mogen lauschen, sich nicht bewegen und die Lust scharf durch die Nase atmen.«

Der Trupp hielt stille und man horte, da? der Hauptling den Geruch der Luft prufte.

«Ein Feuer!«flusterte er.

«Man sieht ja keine Spur davon!«meinte Bill.

«Ich rieche aber Rauch, welcher um den nachsten Hugel zu kommen scheint. Mein Bruder mag absteigen und den Hugel mit mir erklimmen, damit wir sehen, was sich hinter demselben befindet.«

Die beiden verlie?en ihre Pferde und huschten nebeneinander nach dem Wellenberge hin. Noch waren sie aber nicht zehn Schritte weit gekommen, so legten sich zwei Hande mit gewaltigem Drucke um den Hals des Indianers, welcher zur Erde niedergedruckt wurde und mit Armen und Beinen um sich schlug, ohne da? es ihm moglich war, einen Laut von sich zu geben. Zu gleicher Zeit ergriffen zwei andre Hande den Buckeligen bei der Kehle und zogen ihn ebenso zum Boden nieder.

«Haben Sie ihn fest?«fragte derjenige, welcher den Indianer gepackt hielt, den andern ganz leise und zwar in deutscher Sprache.

«Ja, ich habe ihn so fest ergriffe, da? er gar nich rede kann, «lautete die ebenso leise gegebene Antwort.

«Dann schnell fort, hinter den Hugel! Wir mussen wissen, wen wir vor uns haben. Oder wird er Ihnen zu schwer?«

«Kann mir gar nich einfalle! Der Kerl is ja leichter wie eene Fliege, die drei Woche lang nischt gegesse und getrunke hat. Herrje, er scheint hinten eenen Buckel zu habe, was mer so ee schiefes Ruckgrat nennt! Es wird doch nich etwa — «

«Was?«

«Nich etwa mein guter Freund Humply-Bill sein!«

«Das werden wir am Feuer erfahren. Fur den Augenblick sind wir sicher, da? uns niemand folgen wird. Ich mochte den Trupp auf wenigstens ein Dutzend Manner schatzen, die sich aber nicht von der Stelle bewegen werden, weil sie auf die Ruckkehr dieser beiden zu warten haben.«

Das war alles so blitzschnell und gerauschlos vor sich gegangen, da? die Begleiter der beiden Ergriffenen trotz der gro?en Nahe, in der es von ihnen geschah, keine Ahnung davon hatten. Old Firehand — denn dieser war es — nahm seinen Gefangenen auf die Arme, und Droll zog den seinigen auf dem Rasen hinter sich her, um den Hugel. Jenseits desselben lagen mude Pferde, ein kleines Feuer brannte, und bei dem Scheine desselben konnte man uber zwanzig Gestalten sehen, welche mit angelegten Gewehren bereit standen, einen etwaigen Feind mit ebenso vielen Kugeln zu begru?en.

Als die beiden Manner ihre Gefangenen an das Feuer brachten, entfuhr jedem von ihnen ein Ruf der Verwunderung.

«Alle Wetter!«meinte Old Firehand.»Das ist ja Menaka schecha, der Hauptling der Osagen. Von dem haben wir nichts zu befurchten.«

«Sapperlot!«stimmte Droll ein.»Es is wirklich Bill, der Humply-Bill! Kerl, Freund, geliebtes Menschenkind, konnste mer denn das nich sage, als ich der an de Gurgel ging! Nu liegste da und kannst weder schnaufe noch rede! Schteh off, und fall mer in de Arme, Bruderherz! Ach so, der verschteht ja gar nich deutsch. Er wird mer doch nich etwa schterbe! Schpring doch endlich off, Herzensschatz! Ich hab' dich wirklich nich erwurge wolle, wenn's halbwegs moglich is!«

Der brave Altenburger stand in diesem Augenblicke fast mehr Angst aus als der Gewurgte, welcher mit geschlossenen Augen da lag, begierig nach Luft schnappte, dann endlich die Lider offnete, einen langen, immer bewu?ter werdenden Blick auf den uber ihn gebeugten Droll warf und nun mit heiserer Stimme fragte:»Ist's moglich! Tante Droll!«

«Gott sei Dank, ich habe dich nicht umgebracht!«antwortete der Gefragte jauchzend, nun in englischer Sprache.»Naturlich bin ich es. Warum hast du mir nicht gesagt, da? du es bist?«

«Konnte ich sprechen? Ich wurde so schnell gepackt, ohne jemand gesehen zu haben, da? ich — Himmel, Old Firehand!«

Er sah den Jager stehen und der Anblick desselben gab ihm seine Bewegungsfahigkeit zuruck. Der Druck von Firehands Fausten war weit kraftiger gewesen als derjenige von Tante Droll. Der Hauptling lag mit geschlossenen Augen und bewegungslos am Boden.

«Ist er tot?«fragte Bill.

«Nein, «antwortete der Riese, indem er dem Kleinen die Hand reichte.»Er ist nur bewu?tlos und wird bald zu sich kommen. Willkommen, Bill! Das ist eine freudige Uberraschung. Wie kommt Ihr zu dem Hauptling der Osagen?«

«Ich kenne ihn schon seit Jahren.«

«So? Wer ist bei Euch? Vermutlich Indianer vom Stamme des Hauptlings?«

«Ja, vier Mann.«

«Nur? So habt Ihr ledige Pferde bei Euch?«

«Allerdings. Au?erdem befinden sich der Gunstick-Uncle, den Ihr wohl auch kennt, und ein englischer Lord bei uns.«

«Ein Lord? Vornehme Begegnung also. Holt diese Leute herbei. Sie haben von uns und wir von ihnen nichts zu befurchten.«

Bill lief fort, doch legte er nur die Halfte der Entfernung zuruck und rief dann freudig:»Uncle, reitet immer vorwarts! Wir sind bei Freunden. Old Firehand und die Tante Droll sind da.«

Der Angerufene gehorchte diesen Worten. Die im Anschlage liegenden Rafters erhoben sich aus dem Grase, um die Ankommlinge zu bewillkommnen. Wie erstaunten diese letzteren, als sie den Hauptling bewu?tlos sahen und erfuhren, was geschehen war! Die Osagen standen, als sie von ihren Pferden gestiegen waren, von fern und betrachteten den beruhmten Jager mit ehrfurchtsvollen Blicken. Der Lord machte gro?e Augen und naherte sich der Riesengestalt desselben mit langsamen Schritten; dabei machte er ein so dummes Gesicht, da? man uber dasselbe hatte lachen konnen. Old Firehand sah dasselbe und die auf der einen Seite so dick angeschwollene

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