Nase. Er reichte ihm die Hand und sagte:»Willkommen, Mylord! Ihr seid in der Turkei, in Indien, vielleicht auch in Afrika gewesen?«
«Woher wi?t Ihr das, Sir?«fragte der Englishman.
«Ich vermute es, da Ihr noch jetzt den Rest des Bouton d'Alep an Eurer Nase tragt. Wer solche Reisen gemacht hat, wird sich wohl auch hier zurecht finden, obgleich — «
Er hielt inne und warf einen lachelnden Blick auf die Ausrustung des Englanders, besonders auf den Bratapparat, welcher auf den Tornister desselben geschnallt war. In diesem Augenblicke kam der Hauptling zu sich. Die Augen offnen, tief Atem holen, aufspringen und das Messer ziehen war bei ihm eins. Da aber fiel sein Blick auf den Jager; er senkte die Hand mit dem Messer und rief:»Old Firehand! Warst du es, der mich ergriff?«
«Ja. Es war so dunkel, da? ich meinen roten Bruder nicht erkennen konnte.«
«So bin ich froh. Von Old Firehand besiegt zu sein, ist keine Schande. Ware es aber ein andrer gewesen, so hatte die Schmach so lange auf meinem Haupte gelegen, bis ich ihn getotet hatte. Mein wei?er Bruder will nach Butlers Farm?«
«Ja. Woher wei?t du es?«
«Bleichgesichter sagten es.«
«Nach der Farm will ich spater. Jetzt liegt mein Ziel am Osage-nook.«
«Wen sucht mein beruhmter Bruder dort?«
«Einen Wei?en, der sich Cornel Brinkley nennt, und seine Genossen, lauter Tramps.«
«So kann mein Bruder getrost nach der Farm mit uns reiten, denn der Rote kommt morgen hin, um sie zu uberfallen.«
«Woher wei?t du das?
«Er selbst hat es gesagt, und Bill horte es. Die Tramps haben heute mich und meine Osagen uberfallen, acht von ihnen getotet und mich mit den ubrigen gefangen genommen. Ich entkam und holte Bill und den Uncle, welche mir mit diesem wei?en Englander halfen, meine roten Bruder zu befreien.«
«Du wurdest von funf Tramps bis hierher verfolgt?«
«Ja.«
«Bill und der Uncle lagerten hier?«
«So ist es.«
«Und der Englander war kurz vorher auf diese beiden getroffen?«
«Du sagst es; aber woher wei?t du das?«
«Wir sind am schwarzen Barenflusse aufwarts geritten und haben ihn heute fruh verlassen, um an den Osage-nook zu kommen. Wir fanden hier die Leichen von funf Tramps und — «
«Sir, «unterbrach ihn der Humply-Bill,»woher wi?t Ihr, da? diese Manner Tramps gewesen sind? Niemand kann es Euch gesagt haben?«
«Dieses Stuck Papier hat es mir verraten, «antwortete er.»Ihr habt diese Kerls ausgesucht, das Papier aber in der Tasche des einen stecken lassen.«
Er zog ein Stuck Zeitung hervor, hielt es gegen das Feuer und las:»Ein Vergessen oder Versehen, welches man nicht fur moglich halten sollte, ist jetzt durch den Kommissar des Landbureaus der Vereinigten Staaten an das Tageslicht gezogen worden. Dieser Beamte lenkte die Aufmerksamkeit der Regierung auf die erstaunliche Thatsache, da? es innerhalb der Vereinigten Staaten einen Landstrich gibt, gro?er als mancher Staat, der sich der Auszeichnung erfreut, ganz und gar nicht regiert und verwaltet zu werden. Dieses merkwurdige Stuck Land ist ein ungeheures Viereck von 40 Meilen Breite und 150 Meilen Lange und enthalt beinahe 4 Millionen Acres Land. Es liegt zwischen dem Indianerterritorium und New Mexiko, nordlich von Texas und sudlich von Kansas und Colorado. Wie sich jetzt herausgestellt hat, ist dieses Land bei der offentlichen Vermessung ubersehen worden und verdankt den erwahnten Vorzug einem Fehler in der Bestimmung der Grenzlinien der benachbarten Territorien. Es ist infolgedessen keinem Staate und keinem Territorium zugeteilt, ohne Regierung irgend welcher Form, und also auch der Jurisdiktion keines Gerichtes unterworfen. Gesetz, Recht und Steuern sind dort unbekannte Dinge. In dem Berichte des Kommissars wird dieses Land als eine der schonsten und fruchtbarsten Gegenden des ganzen Westens angegeben, vortrefflich fur Viehzucht und Ackerbau geeignet. Die wenigen Tausend freie Amerikaner, welche es bewohnen, sind aber nicht friedliche Ackerbauer oder Hirten, sondern sie bilden Banden von zusammengelaufenem Gesindel, Strolchen, Pferdedieben, Desperados und fluchtigen Verbrechern, welche sich aus allen Himmelsgegenden da zusammengefunden haben. Sie sind der Schrecken der benachbarten Territorien, in denen namentlich die Viehzuchter durch die Raubereien dieser Menschen viel zu leiden haben. Von diesen geplagten Nachbarn wird dringend verlangt, da? diesem freien Rauberstaate ein Ende gemacht werde, damit durch Einfuhrung einer Regierungsoberhoheit dieses gesetzlose Treiben aufhoren musse.«
Die Roten, welche diese Worte gehort hatten, blieben gleichgultig, die Wei?en aber blickten sich erstaunt an.
«Ist das wahr? Ist das moglich?«fragte der Lord.
«Ich halte es fur wahr, «antwortete Old Firehand.»Ob dieser Bericht lugt oder nicht, ist ubrigens hier Nebensache. Hauptsache ist, da? nur ein Tramp so ein Blatt so lange und so weit mit sich herumschleppen kann. Dieses Papier ist der Grund, weshalb ich die funf Manner fur Tramps gehalten habe. Als wir hier ankamen und die Leichen sahen, wu?ten wir naturlich, da? ein Kampf stattgefunden habe. Wir untersuchten die Leichen und alle vorhandenen Spuren und stellten uns als Ergebnis folgende Thatsachen zusammen: Zwei Wei?e kampierten hier, ein langer und ein kleiner. Dann kam ein dritter Wei?er, der sich zu ihnen gesellte und den Rest ihres Mahles verspeiste. Es wurde ein Probeschie?en abgehalten, bei welchem man zwei Geier totete. Der dritte Wei?e bewies, da? er ein guter Schutze sei und wurde in die Gesellschaft der beiden andern aufgenommen. Dann naherte sich ihnen ein Indianer in eiligem Laufe. Er befand sich auf der Flucht, vom Osage-nook her, und wurde von funf Tramps verfolgt. Es stellte sich heraus, da? er ein Freund der Wei?en sei; diese standen ihm bei und erschossen die funf Verfolger. Dann stiegen die drei Bleichgesichter und der Indianer zu Pferde, um sich auf einem Umwege nach dem Osage-nook zu schleichen; sie wollten also die Tramps uberfallen. Ich beschlo?, ihnen zu helfen. Da es aber mittlerweile Nacht geworden war, so mu?te ich bis zum Anbruche des Tages warten, da ich des Nachts den Spuren nicht zu folgen vermochte.«
«Warum uberfiel uns mein wei?er Bruder?«fragte der Hauptling.
«Weil ich euch fur Tramps halten mu?te.«
«Aus welchem Grunde?«
«Ich wu?te, da? sich am Osage-nook viele Tramps befinden. Funf von ihnen waren fortgeritten, um einen Indianer zu verfolgen. Sie wurden hier erschossen, kehrten also nicht zuruck. Das mu?te die Besorgnis der ubrigen erwecken, und es lag sehr im Bereiche der Moglichkeit, da? man ihnen Hilfe nachsenden werde. Ich stellte darum Wachen aus, welche mir vorhin meldeten, da? sich ein Trupp von Reitern nahere. Da der Wind vom Osage-nook her wehte, so konnten wir eure Annaherung sehr fruh bemerken. Ich lie? meine Leute zu den Waffen greifen und schlich mit Droll euch entgegen. Zwei stiegen ab, um uns zu beschleichen, und wir nahmen sie gefangen, um am Feuer ihre Gesichter anzusehen. Das ubrige wi?t ihr.«
«Mein Bruder hat wieder bewiesen, da? er der beruhmteste Jager unter den Bleichgesichtern ist. Was gedenkt er zu thun? Sind die Tramps seine personlichen Feinde?«
«Ja. Ich verfolge den Roten, um mich seiner zu bemachtigen. Doch, was ich zu thun beschlie?en werde, das kann ich erst dann wissen, wenn ich erfahren habe, wie es am Osage-nook steht und was dort geschehen ist. Wollt Ihr es mir erzahlen, Bill?«
Der Humply-Bill gehorchte dieser Aufforderung und stattete einen ausfuhrlichen Bericht ab. Am Schlusse desselben fugte er hinzu:»Ihr seht also ein, Sir, da? wir schnell handeln mussen. Ihr werdet wohl gern aufsitzen, um mit uns sofort nach der Farm zu reiten.«
«Nein. Das werde ich nicht thun.«
«Warum? Wollt Ihr etwa unterwegs einen Kampf mit den Tramps aufnehmen?«
«Kann mir nicht einfallen. Aber ich bleibe hier, obgleich ich wei?, da? die Gefahr noch viel gro?er ist, als Ihr denkt.«
«Gro?er? Wieso?«
«Ihr meint, da? diese Kerls erst nachmittags aufbrechen?«
«Ja.«
«Und ich sage Euch, da? sie den Ritt schon am fruhen Morgen beginnen werden!«