«Glaubt es nur immerhin!«

«Sie wurde doch Tante genannt!«

«Zum Scherze nur, weil er eine so hohe Fistelstimme hat und sich so eigenartig kleidet. Er hei?t Droll und ist ein sehr tuchtiger Jager. Als Fallensteller besitzt er sogar einen ganz au?erordentlichen Ruf. Die Biber und Ottern drangen sich geradezu in seine Fallen. Er scheint da ein Geheimnis zu besitzen, eine Lockung, welche kein andrer hat. Doch lassen wir jetzt das Reden. Wie wir jetzt reiten, hat man seine Portion Verstand zusammenzunehmen.«

Er hatte recht. Old Firehand ritt wie ein Teufel voran, und die andern hetzten wohl oder ubel mit gleicher Schnelligkeit hinter ihm drein. Der Lord war ein leidenschaftlicher Parforcereiter und hatte schon oft seinen Hals gewagt; ein Ritt aber wie der gegenwartige war ihm noch nicht vorgekommen. Man befand sich in dichter Finsternis, gerade wie in einem unerleuchteten Tunnel; kein Hugel war zu erkennen, auch nicht die Erde, welche die Hufe der Pferde beruhrten. Es war, als ob die Tiere sich in einem unendlichen, lichtlosen Schlunde bewegten, und doch kein Fehltritt und kein Straucheln! Ein Pferd folgte genau dem andern und alles kam blo? auf Old Firehand an. Sein Pferd war noch nie in dieser Gegend gewesen und noch dazu ein ganz gewohnlicher Klepper, den er hatte nehmen mussen, weil kein andrer zu bekommen gewesen war. Der Lord begann wieder Respekt vor diesem Manne zu fuhlen.

So ging es fort, eine halbe Stunde, eine ganze und noch eine ganze, mit nur kurzen Unterbrechungen, wahrend denen sich die Pferde verschnaufen durften. Der Regen fiel noch immer hernieder, doch so dunn und leicht, da? er diese abgeharteten Manner nicht im geringsten zu genieren vermochte. Dann horte man Old Firehand vorn rufen:»Aufgepa?t, Mesch'schurs! Es geht abwarts und dann durch eine Furt. Doch reicht das Wasser den Pferden nur bis an den Leib.«

Es wurde langsamer geritten. Man horte das Rauschen eines Flusses und man sah trotz der agyptischen Finsternis die phosphoreszierende Oberflache des Wassers. Die Fu?e der Reiter badeten sich in der Flut, dann erreichte man das jenseitige Ufer. Noch ein kurzer Ritt von einer Minute; dann wurde angehalten und der Lord vernahm das scharfe Lauten einer Glocke. Vor seinen Augen war es gerade noch so finster wie vorher.

«Was ist das? Wer lautet, und wo sind wir?«fragte er den Humply-Bill.

«An dem Thore von Butlers Farm, «antwortete dieser.

«Seht Ihr denn etwas von dieser Farm?«

«Nein. Aber reitet einige Schritte naher, so werdet Ihr die Mauer fuhlen.«

Hunde bellten. Aus ihren tiefen, rauhen Stimmen lie? sich auf ihre Gro?e schlie?en. Dann ertonte eine fragende Stimme:»Wer lautet, wer will herein?«

«Ist Master Butler schon zuruck?«fragte der Jager.

«Nein.«

«So holt den Schlussel von der Lady und sagt, da? Old Firehand hier ist!«

«Old Firehand? Well, Sir, soll schnell besorgt werden. Die Ma'am schlaft nicht, und auch jedes andre Auge ist offen. Der Osage war im Voruberreiten hier und hat gemeldet, da? Ihr kommen werdet.«

«Was fur Menschen gibt es hier!«dachte der Lord.»Der Hauptling ist also noch viel, viel schneller geritten als wir!«

Nach einiger Zeit horte man Befehle, durch welche die Hunde zuruckgescheucht wurden; dann klirrte ein Schlussel im Schlosse, holzerne Riegel schrieen, Angeln kreischten, und nun endlich sah der Lord mehrere Laternen, deren Lichter aber die Finsternis eines grenzenlos scheinenden Hofes nur noch undurchdringlicher machte. Herbeieilende Knechte nahmen den Reitern die Pferde ab, und dann wurden die Gaste in ein hohes, finster erscheinendes Haus gefuhrt. Eine Magd bat Old Firehand, nach oben zur Ma'am zu kommen. Fur die andern wurde im Parterre ein gro?es, rauchgeschwarztes Gemach geoffnet, von dessen Decke eine schwere Petroleumlampe herniederhing. Da standen einige Tafeln und Tische mit Banken und Stuhlen, auf denen die Manner Platz zu nehmen hatten. Auf den Tischen standen allerlei E?waren, Flaschen und Glaser, eine Folge davon, da? der Trupp von dem Hauptlinge angemeldet worden war.

Die Rafters lie?en sich mit den Osagen an zwei langen Tafeln nieder und griffen sofort wacker zu. Der Westmann gibt und nimmt nicht gern unnotige Komplimente. Dabei hatte es sich wie ganz von selbst gemacht, da? die Elite der Gesellschaft an einen entfernten Tisch zu sitzen gekommen war. Dort hatte zuerst der Lord Platz genommen und den Humply-Bill und den Gunstick-Uncle neben sich gewinkt; dann war Tante Droll mit Fred Engel und dem schwarzen Tom zu ihnen gekommen, und endlich hatte sich auch Blenter, der alte Missourier, zu ihnen gemacht.

Nun ging es ans Essen und Trinken, da? es eine Art hatte. Der Lord schien der Ansicht zu sein, da? er, wenn er sich unter Wolfen befand, mit denselben heulen musse, denn er hatte alle seine Standeswurde abgelegt und benahm sich nicht besser und nicht schlimmer als die Nachbarn, welche bei ihm sa?en.

Spater kam Old Firehand mit der Dame des Hauses, welche ihre Gaste auf das freundlichste willkommen hie?, herein. Sie erklarte dem Englishman, da? ein besonderes Zimmer fur ihn bereit stehe, er aber verzichtete auf dasselbe und auf jeden Vorzug vor seinen Kameraden, da er jetzt nichts andres als ein Westmann sei. Dieses Verhalten erfreute die andern so, da? sie ihm ihre laute und aufrichtig gemeinte Anerkennung zuriefen. Old Firehand teilte dann mit, da? die Kameraden fur heute nacht nicht in Anspruch genommen werden, sondern sich ausruhen sollten, um morgen frisch auf dem Platze sein zu konnen; es seien Knechte und Hirten genug da, mit deren Hilfe er die notigen Vorbereitungen treffen werde.

Der Lord konnte den Blick nicht von ihm wenden, denn der beruhmte Jager hatte in kurzer Zeit seinen» zivilisierten «Anzug ab- und sein Jagerkostum angelegt. Er trug ausgefranste, nur bis an die Knie reichende und an den beiden Seiten reich gestickte Leggins, deren Saume in den weit heraufgezogenen Aufschlagestiefeln steckten, eine Weste von weichem, wei?gegerbtem Rehleder, eine kurze hirschlederne Jagdjacke und daruber einen starken Rock von Buffelbauch. Um die kraftigen Lenden hatte er einen breiten Ledergurtel geschnallt, in welchem die kurzen Waffen steckten, und auf dem Kopfe sa? ein Biberhut mit sehr breiten Krempen und hinten herabhangendem Biberschwanz, welcher wohl weniger dazu bestimmt war, dem riesigen Manne ein abenteuerliches Aussehen zu geben, als vielmehr dazu, seinen Nacken gegen den Hieb eines hinterlistigen Feindes zu schutzen. Um seinen Hals hing eine lange Kette, welche aus den Zahnen des grauen Baren bestand, und an ihr die Friedenspfeife mit einem meisterhaft geschnittenen Kopfe aus dem heiligen Thone. Samtliche Nahte des Rockes waren mit Grislykrallen verbramt, und da ein Mann wie Old Firehand sicherlich nicht fremde Beute trug, so konnte man aus diesem Schmucke und der Pfeifenkette ersehen, wie viele dieser furchtbaren Tiere seiner sichern Kugel und seiner starken Faust zum Opfer gefallen waren. Als er sich dann mit der Dame entfernt hatte, meinte der Englishman zu den andern:»Nun glaube ich gern alles, was man von ihm erzahlt. Dieser Mann ist ja der richtige Gigant!«

«Pshaw!«antwortete Droll.»Nicht nach der Gestalt allein will ein Westmann beurteilt sein; der Geist hat weit hohern Wert. Es ist hochst selten, da? solche Riesen Mut besitzen. Bei ihm ist freilich beides beisammen. Old Shatterhand ist nicht so lang und breit, und Winnetou, der Apache, ist noch weit schmachtiger; aber beide stehen ihm in jeder Beziehung gleich.«

«Auch in Betreff der Korperstarke?«

«Ja. Ich habe gesehen, da? Old Shatterhand mit einem Arme einen Mustang dreimal auf und nieder ri?. Wer wei?, ob Old Firehand ihm das nachzumachen versteht. Die Muskeln des Westmannes werden nach und nach wie Eisen und die Flechsen wie Stahl, auch wenn er nicht die Gestalt eines Riesen besitzt.«

«So seid wohl auch Ihr von Stahl und Eisen, Master Droll?«

Es klang etwas wie Hohn in seinem Tone, doch der Kleine antwortete freundlich lachelnd:»Wollt Ihr das wissen, Sir?«

«Yes, sehr gern.«

«Es scheint aber, Ihr zweifelt daran?«

«Allerdings! Eine Tante, und stahlerne Muskeln und Flechsen! Wollen wir wetten?«

«Was und wie?«

«Wer starker ist, ich oder Ihr.«

«Warum nicht?«

Jetzt endlich hatte der Englishman einen gefunden, der ihn nicht zuruckwies. Er sprang erfreut auf und rief:»Aber, Tante Droll, ich habe manchen geworfen, der sich bucken mu?te, um Euch nur zu sehen! Wollt Ihr's wirklich wagen?«

«Versteht sich!«

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