«Um funf Dollar?«
«Well!«
«Ich werde sie Euch borgen.«
«Danke! Droll borgt nie.«
«So habt Ihr Geld?«
«Fur das, was Ihr gewinnen konnt, reicht es gewi?lich aus, Sir.«
«Auch zehn Dollar?«
«Auch das.«
«Oder zwanzig?«
«Warum nicht!«
«Vielleicht sogar funfzig?«rief der Lord in seiner Herzensfreude.»Einverstanden! Aber nicht mehr, denn ich will Euch nicht um Euer Geld bringen, Sir.«
«Wie? Was? Den Lord Castlepool um sein Geld bringen! Seid Ihr wahnsinnig, Tante? Heraus mit dem Gelde! Hier sind funfzig Dollar.«
Er zog die an dem starken Huftriemen hangende eine Tasche nach vorn, entnahm derselben zehn Funfdollarnoten und legte sie auf den Tisch. Droll fuhr mit der Hand in das herabhangende Armelende seines Sleeping-gown und brachte einen Beutel zum Vorscheine. Als er denselben geoffnet hatte, zeigte es sich, da? er mit lauter haselnu?gro?en Nuggets gefullt war. Er legte funf derselben auf den Tisch, steckte den Beutel wieder ein und sagte:»Ihr habt Papier, Mylord? Fie! Die Tante Droll macht nur in echtem Gold. Diese Nuggets sind mehr als funfzig Dollar wert. Und nun kann's losgehen, aber wie?«
«Macht mir's vor, und ich mach's nach; dann umgekehrt.«
«Nein. Ich bin nur eine Tante; Ihr aber seid ein Lord. Ihr habt also den Vortritt.«
«Gut! Steht also fest, und wehrt Euch; ich hebe Euch da auf den Tisch!«
«Versucht's einmal!«
Droll spreizte die Beine auseinander, und der Lord packte ihn bei den Huften, um ihn zu heben; aber die Fu?e der Tante verlie?en den Boden um keines Zolles Hohe. Es war, als ob Droll von Blei sei. Der Englander muhte sich vergeblich ab und mu?te endlich eingestehen, da? er au?er stande sei, sein Vorhaben auszufuhren, doch trostete er sich selbst mit den lauten Worten:»Brachte ich Euch nicht hinauf, dann bringt Ihr's mit mir erst recht nicht zuwege.«
«Wollen sehen, «lachte Droll, indem er den Blick zur Decke hob, an welcher gerade uber dem Tische ein starker Eisenhaken zum Aufhangen einer zweiten Lampe angebracht war. Die andern, welche diesen sahen und die drollige Tante, welche wirklich eine sehr ungewohnliche Korperstarke besa?, kannten, stie?en sich heimlich an.
«Nun, vorwarts!«drangte der Lord.
«Also blo? bis auf den Tisch?«fragte Droll.
«Wollt Ihr mich vielleicht noch hoher bringen?«
«So hoch, wie es hier moglich ist. Pa?t auf, Sir!«
Er stand trotz der Unbeholfenheit seiner Kleidung mit einem einzigen Sprunge auf dem Tische und ergriff den Lord bei den Achseln. Dieser flog so schnell, da? er gar nicht bemerken konnte, in welcher Weise es geschah, empor, hoch uber den Tisch hinauf und hing einen Augenblick spater mit dem bereits erwahnten Huftriemen an dem Haken. Droll aber sprang herab und fragte lachend:»Nun, seid Ihr oben, Sir?«
Der Englishman schlug mit Armen und Beinen um sich und rief:»Himmel, wo bin ich! Woe to me, an der Decke! Nehmt mich herab, nehmt mich herab! Wenn der Haken nachgibt, breche ich den Hals!«
«Sagt erst, wer gewonnen hat!«
«Ihr naturlich, Ihr.«
«Und der zweite Teil der Wette, den nun ich Euch vormachen soll?«
«Den erlasse ich Euch. Nehmt mich nun herab! Schnell, schnell!«
Droll stieg wieder auf den Tisch, von welchem naturlich das Speisegeschirr entfernt worden war, ergriff den Englander mit beiden Handen an den Huften, hob ihn empor, da? der Riemen aus dem Haken kam, und schwenkte ihn erst neben sich auf dem Tisch und dann hinab auf den Fu?boden. Als er nachgesprungen war, legte er ihm die Hand auf die Schulter und fragte:»Nun, Sir, wie gefallt Euch die Tante?«
«Much, how much, too much — sehr, wie sehr, allzusehr!«antwortete der Gefragte, indem sein Blick noch immer dort hing, wo er selbst gehangen hatte.
«Dann also in den Sack mit dem alten Papiere!«
Er steckte die Noten und Nuggets in den Beutel und fuhr dann schmunzelnd fort:»Und bitte, Mylord, wenn Ihr wieder einmal wetten wollt, so wendet Euch getrost an mich! Ich mache immer mit.«
Er stellte die Teller, Flaschen und Glaser wieder auf den Tisch, wobei ihm von allen Seiten anerkennend zugenickt wurde. Der Lord aber setzte sich wieder nieder, betastete seine Arme, Beine und Huften, um zu sehen, ob da vielleicht eine Schraube locker geworden sei, und als er sich uberzeugt hatte, da? er sich ganz wohl befinde, gab er der Tante die Hand und sagte, indem er vergnugt lachelte:»Herrliche Wette. Nicht wahr? Sind doch prachtige Kerls, diese Westmanner? Man mu? sie nur richtig behandeln!«
«Nun, ich denke, da? ganz im Gegenteile ich es bin, der Euch behandelt hat, Sir.«
«Auch richtig. Ihr seid wirklich stark. Das hat aber seinen guten Grund, denn Ihr stammt jedenfalls aus Oldengland?«
«O nein, Sir. Ich bin ein Deutscher, «antwortete die Tante bescheiden.
«Ein Deutscher? Dann aber doch sicher aus Pommern?«
«Falsch geraten! Dort wachsen die Pflanzen hoher und breiter als ich bin. Ich stamme aus Altenburg.«
«Hm! Kleines Nest!«
«Deutsches Herzogtum, Sir! Dort kommen die besten Ziegenkase her.«
«Kenne ich nicht.«
«Das ist jammerschade!«
«Ruhrt mich aber nicht zu Thranen. Ihr seid ein tuchtiger Kerl, Tante. Interessiere mich fur Euch. Ihr seid doch nicht immer Westmann gewesen? Oder gibt es in Altenburg auch Trappers?«
«Zu meiner Zeit noch nicht. Es mu?ten sich vielleicht jetzt welche eingenistet haben.«
«Was war Euer Vater, und warum seid Ihr nach den Vereinigten Staaten gegangen?«
«Mein Vater war kein Lord, aber viel, viel mehr.«
«Pshaw, ist nicht moglich!«
«Sehr! Ihr seid nur Lord, wahrscheinlich weiter nichts. Mein Vater aber war vielerlei.«
«Nun, was denn?«drangte der Lord, welcher erwartete, eine sehr interessante Lebensgeschichte zu horen.
«Er war Hochzeits-, Kindtaufs- und Leichenbitter, Glockner, Kirchner, Kellner und Totengraber, Sensenschleifer, Obsthuter und zugleich Burgergardenfeldwebel. Ist das nicht genug?«
«Well, mehr als genug!«
«Richtig, denn wenn ich es kurzer fassen will, so war er ein braver Mann.«
«Er ist tot?«
«Schon langst. Ich besitze keine Verwandten mehr.«
«Und da seid Ihr aus Gram uber das gro?e Wasser gegangen?«
«Nicht aus Gram. Mein Dialekt hat mich herubergetrieben.«
«Euer Dialekt? Wie ist das moglich?«
«Um das zu verstehen, mu?tet Ihr ein Deutscher sein, oder wenigstens deutsch sprechen konnen. Man sagt, da? ein jeder Mensch unsichtbar einen Engel und einen Teufel neben sich habe; nun, mein Teufel ist der Altenburger Dialekt gewesen. Er hat mich daheim, aus einem Hause in das andre, aus einer Stra?e in die andre, aus einem Orte in den andern und endlich gar uber das Meer getrieben. Dann endlich ist mir dieser Satanas, da hier englisch gesprochen wird, abhanden gekommen. Ich sehne mich nach meinem Vaterlande, ich hatte auch die Mittel, mich da druben dauernd zur Ruhe zu setzen, aber ich kann leider nicht hinuber, denn in Hamburg oder Bremerhaven steht dieser Teufel schon seit Jahren, um sich mir sofort nach der Landung wieder beizugesellen.«
«Das verstehe ich nicht.«
«Aber ich verstehe es, «fiel der schwarze Tom ein.»Droll spricht namlich ein so schauderhaftes Deutsch,