standen die angeblichen Arbeiter. Old Firehand winkte. Seine zwei Schusse krachten fast zu gleicher Zeit mit denen Toms und Drolls; die beiden Reiter flogen von ihren Pferden, und die Kundschafter lagen an der Erde. Als die Tramps das sahen, erhoben sie ein wutendes Geheul und drangten vorwarts, um ans Ufer zu gelangen. Einer schob den andern dem Verderben entgegen, denn sobald ein Pferd landete, wurde der Reiter desselben von der Farm aus durch eine Kugel aus dem Sattel geholt. In der Zeit von kaum zwei Minuten gab es zwanzig bis drei?ig ledige Pferde, welche huben fuhrerlos umhersprangen. Einen solchen Empfang hatten die Tramps nicht erwartet. Die ihnen von den Kundschaftern uber das Wasser zugerufenen Worte waren jedenfalls des Inhalts gewesen, da? die Farm lacherlich arm an Verteidigern sei. Und nun fiel rasch Schu? auf Schu? aus den Scharten; keine von diesen Kugeln ging fehl, sondern traf genau ihren Mann. Das Wutgeheul wurde zum angstlichen Schreien; eine befehlende Stimme ertonte, worauf alle schon und noch im Wasser befindlichen Reiter ihre Pferde wendeten, um an das jenseitige Ufer zuruckzukehren.

«Abgeschlagen!«meinte der alte Blenter.»Bin neugierig, was sie nun machen werden.«

«Daruber kann es gar keinen Zweifel geben, «antwortete Old Firehand.»Sie werden an einer Stelle, welche au?erhalb des Bereiches unsrer Kugeln liegt, heruberschwimmen.«

«Und dann?«

«Dann? Das la?t sich noch nicht sagen. Wenn sie es klug anfangen, werden wir einen schweren Stand haben.«

«Und was haltet Ihr fur klug?«

«Sie durfen nicht in Masse herankommen, sondern sie mussen sich zerstreuen. Lassen sie ihre Pferde zuruck, um von allen vier Seiten zugleich nach der Mauer zu rennen und hinter derselben Deckung zu suchen, so sind wir zu schwach, sie zuruckzuschlagen. Wir waren gezwungen, uns uber vier Fronten zu verteilen. Ziehen die Tramps sich dann plotzlich auf einen Punkt zusammen, so ist es ihnen moglich, uber die Mauer zu kommen.«

«Das ist wahr, doch wurden ihrer viele weggeputzt. Wir freilich standen ihnen auch so ziemlich ohne Deckung gegenuber.«

«Pshaw! Wir zogen uns ins Haus zuruck und waren dann zahlreich genug, sie wieder uber die Mauer zuruckzujagen. Ein Gluck, da? der Hof so gro? und frei ist, und das Haus gerade in der Mitte desselben steht. Mir ist nicht angst; warten wir ab, was sie thun werden. Sie scheinen sich zu beraten.«

Die Tramps hielten in einem Haufen beisammen, von welchem sich vier derselben abgesondert hatten, wahrscheinlich die Anfuhrer. Man konnte ihre Gesichter nicht erkennen, aber aus ihren lebhaften Gestikulationen war zu ersehen, da? sie sich uber Wichtiges unterhielten. Dann setzten sich alle flu?aufwarts, also nach Norden zu, in Bewegung, bis sie sich au?erhalb des Schu?bereiches der Farm befanden. Dort gingen sie an das andre Ufer. Als alle beisammen waren, bildeten sie einen geschlossenen Haufen, dessen Front, nach dem Thore der Mauer gerichtet war. Bis jetzt hatten die Verteidiger die Ostseite inne gehabt, nun aber rief Old Firehand mit lauter Stimme:»Schnell alle hinuber nach der Nordseite! Sie wollen das Thor forcieren.«

«Sie konnen es doch nicht einrennen!«entgegnete Blenter.

«Nein, aber wenn sie es erreichen, so konnen sie sich vom Sattel aus so schnell, uber Thor und Mauer schwingen, da? es ihnen moglich ist, uns hier im Hofe zu erdrucken.«

«Vorher aber werden viele fallen.«

«Noch mehr aber ubrig bleiben. Schie?t nicht eher, als bis ich es befehle, dann aber alle zu gleicher Zeit, zwei Salven aus den Doppelgewehren, mitten in den Haufen hinein!«

Die Nordseite wurde schnell besetzt. Teils hielten die Verteidiger an den Schie?scharten, teils standen sie auf den zwischen diesen befindlichen Erhohungen, von denen aus uber die Mauer geschossen werden konnte. Diese letzteren duckten sich nieder, um von den Angreifenden nicht zu fruh gesehen zu werden.

Nun zeigte es sich, wie richtig Old Firehand vermutet hatte. Der Trupp setzte sich in Bewegung, im Galopp gerade nach dem Thore zu. Erst als er sich hochstens noch achtzig Schritte von demselben befand, erscholl der Befehl zum Feuern; zwei Salven krachten schnell hintereinander, so genau abgegeben, da? sie wie zwei einzelne Schusse klangen. Der Erfolg entsprach ganz den Erwartungen Old Firehands. Es war, als ob die Tramps mitten im Jagen durch ein quer vorgespanntes Seil aufgehalten worden seien. Sie bildeten einen wilden Knauel, welcher sich nicht schnell genug zu losen vermochte. Der Lord, welcher zwei Gewehre besa?, gab noch zwei Schusse ab; die andern bekamen Zeit, rasch zu laden, wenn auch nur einen Lauf, und feuerten nun nicht salvenma?ig, sondern ad libitum und unaufhorlich in den Wirrwarr hinein. Das vermochten die Tramps nicht auszuhalten; sie stoben auseinander und lie?en ihre Toten und Verwundeten liegen, da es hochst gefahrlich fur sie war, sich bei und mit denselben aufzuhalten. Die ledigen Pferde rannten instinktma?ig dem Farmhause zu, und man offnete das Thor, um sie hereinzuholen. Als dann die Tramps doch den Versuch machten, sich ihrer Verwundeten anzunehmen, wurden sie nicht belastigt, da es einem Akt der Menschlichkeit galt. Man sah, da? sie dieselben unter eine ferne Baumgruppe schafften, um sie dort, so gut die Verhaltnisse es erlaubten, zu verbinden.

Wahrenddessen war es Mittag geworden, und es wurde Speise und Trank unter die tapferen Verteidiger verteilt. Dann sah man, da? die Tramps sich entfernten, indem sie die Beschadigten unter den Baumen liegen lie?en; sie ritten nach Westen.

«Ob sie abziehen?«fragte Humply-Bill.»Sie haben eine tuchtige Lehre erhalten, und es ware nur klug von ihnen, wenn sie sich dieselbe zu Herzen nahmen.«

«Fallt ihnen gar nicht ein, «antwortete Tante Droll.»Gaben sie wirklich ihre Absicht auf, so wurden sie die Verwundeten mitnehmen. Ich meine, da? sie jetzt an die Herden denken werden, welche zur Farm gehoren. Gegen diese ist ihr jetziges Vorhaben gerichtet. Da schaut hinauf auf das Haus! Droben steht Old Firehand mit dem Fernrohr in der Hand. Er beobachtet die Kerls, und ich denke, da? wir bald einen Befehl erhalten werden.«

«Welchen?«

«Den Hirten und Indianern zu Hilfe zu kommen.«

Die Vermutung der Tante erwies sich als ganz richtig. Die Tramps waren nun so weit fort, da? man sie von der Mauer aus nicht mehr sehen konnte; aber Firehand hatte sie noch im Auge; er rief plotzlich von oben herab:»Schnell die Pferde satteln! Die Kerls wenden sich sudwarts, und werden nun mit der» guten Sonne «und seinen Leuten zusammentreffen.«

In weniger als funf Minuten standen die Pferde bereit, und alle, au?er einigen Knechten, welche im Hofe zuruckbleiben und notigenfalls das Thor schnell offnen sollten, stiegen auf. Old Firehand an ihrer Spitze, ritten sie zum Thore hinaus, und um die nachste Mauerecke, um sich dann sudlich zu halten. Dort gab es zunachst einige Felder, hinter denen die Prairie begann, ein grunes Weideland, auf welchem hie und da ein Buschwerk zu sehen war.

Auch jetzt waren die Tramps nicht mit dem blo?en Auge zu erkennen; aber Old Firehand hatte das Fernrohr mit, durch welches er sie beobachtete. Dadurch wurde es moglich, ihnen stets parallel und unsichtbar zu bleiben. Nach einer Viertelstunde hielt Old Firehand an, denn die Tramps hatten auch angehalten. Sie waren an der Grenze des Nachbars angekommen und erblickten nicht nur die dort weidenden Tiere, sondern auch die bewaffneten Beschutzer derselben.

Old Firehand musterte die verschiedenen Buschinseln des Graslandes, und suchte sich diejenigen aus, welche ihm Deckung gewahren konnten. Hinter ihnen verborgen, naherte er sich mit seinen Leuten der Gegend, in welcher der Zusammensto? voraussichtlich stattzufinden hatte. Dann verlie?en sie die Pferde und schlichen in gebuckter Stellung weiter, bis sie eine breite Strauchgruppe erreichten, zu welcher aller Voraussetzung nach die Tramps wahrend des Kampfes kommen mu?ten. Hier stellten sie sich so auf, da? sie von denselben nicht gesehen werden konnten, und hielten ihre Gewehre schu?bereit. Von dieser Stelle aus nun waren sowohl die Angreifer als auch diejenigen, welche angegriffen werden sollten, mit unbewaffnetem Auge zu erkennen.

Die ersteren schienen ziemlich betroffen zu sein, eine solche Anzahl von Indianern zum Schutze der Tiere vorzufinden. Wie kam es, da? rote Manner dazu engagiert worden waren, und noch dazu in solcher Anzahl? Die Tramps stutzten. Bald aber bemerkten sie, da? die Indianer nur mangelhaft, weil nicht mit Feuergewehren, bewaffnet waren, und das beruhigte sie. Die Anfuhrer hielten eine kurze Beratung, und dann erfolgte der Befehl zum Angriff. Es war aus der Art und Weise desselben sofort zu ersehen, da? man sich nicht mit einem langen Fernkampfe aufhalten, sondern die Roten einfach niederreiten wollte. Die Reiter sprengten in geschlossenem Trupp und unter drohendem Geschrei gerade auf dieselben ein.

Jetzt zeigte es sich, da? die» gute Sonne «ihrer Aufgabe gewachsen war. Er gab einen lauten Befehl, infolgedessen seine eng bei einander stehenden Leute sich zerstreuten, so, da? von einem Niederreiten keine Rede sein konnte. Die Tramps sahen das ein; sie machten eine Schwenkung, um an den rechten Flugel der Roten zu kommen und dieselben nach dem linken hin aufzurollen. Der Osagenhauptling durchschaute diese Absicht.

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