war schon oft dagewesen, da? ein einziger kuhner Mann eine ganze Bande verfolgt hatte, um sich an derselben zu rachen, und da? nach und nach alle seiner sicheren Buchse erlegen waren. Und wenn irgend einem Menschen, so war es gerade diesem Old Firehand zuzutrauen, dieses Bravourstuck nachzumachen. Doch hutete der Tramp sich gar wohl, dies zuzugeben; er hob den Blick, bohrte ihn hohnisch in das Auge des Jagers und sagte:»Warten wir es ab! Waret Ihr Eurer Sache so sicher, so standet Ihr nicht hier. Nur die Besorgnis kann Euch zu mir heraus getrieben haben.«
«Schwatzt nicht solches Zeug. Ich habe mich bereit finden lassen, mit Euch, gerade nur mit Euch zu sprechen, aber nicht aus Angst, sondern um mir Euer Gesicht und Eure Stimme noch einmal genau einzupragen, um fur die Zukunft meiner Sache sicher zu sein. Das ist der Grund. Jetzt seid Ihr meinem Gedachtnisse so sicher einverleibt, da? wir uns trennen konnen. Wir sind fertig miteinander.«
«Noch nicht, Sir! Erst mu? ich wissen, welche Antwort Ihr uns gebt.«
«Ihr habt sie schon.«
«Nein, denn ich habe Euch einen neuen Vorschlag zu machen. Wir wollen namlich von der Besetzung der Farm absehen.«
«Ach, sehr gnadig! Und was weiter?«
«Ihr gebt uns unsre Pferde, welche ihr eingefangen habt, zuruck; dazu legt ihr alle eure Waffen und Munition; dann liefert ihr uns die notigen Rinder aus, damit wir uns Proviant machen konnen, und endlich zahlt ihr zwanzigtausend Dollar; so viel wird auf der Farm vorhanden sein.«
«Nur das? Weiter nichts! Sehr schon! Und was bietet Ihr uns dafur?«
«Wir liefern euch die Gefangenen aus und ziehen ab, nachdem Ihr uns Euer Ehrenwort gegeben habt, da? Ihr Euch fortan gegen jeden von uns aller Feindseligkeit enthalten werdet. Jetzt wi?t Ihr, was ich will, und ich bitte mir Eure Entscheidung aus. Wir haben bereits zu lange und unnotigerweise geschwatzt.«
Er sagte das in einem Tone, als ob er das gro?te moralische Recht zu seiner Forderung habe. Old Firehand zog seinen Revolver und antwortete, nicht zornig, sondern sehr ruhig und unter einem unbeschreiblich verachtlichen Lacheln:»Ja, geschwatzt habt Ihr genug, und lauter tolles, hirnverrucktes Zeug, auf welches ich Euch nur das eine sagen kann: Ihr trollt Euch augenblicklich von dannen, sonst erhaltet Ihr eine Kugel in den Kopf!«
«Wie? Ist das — «
«Fort! Augenblicklich!«unterbrach ihn der Jager mit erhobener Stimme, und indem er den Lauf der Waffe auf ihn richtete.»Eins — zwei — «
Der Tramp zog es vor, die» drei «nicht abzuwarten; er drehte sich, einen drohenden Fluch aussto?end, um, und schritt schnell davon. Er hatte es Old Firehand angesehen, da? dieser bei der dritten Zahl wirklich schie?en werde. Der Jager blickte ihm nach, bis er sicher war, nicht etwa hinterrucks von ihm geschossen zu werden; dann kehrte er nach der Farm zuruck, von welcher aus man die Zusammenkunft mit gro?er Aufmerksamkeit beobachtet hatte. Von dem Erfolge derselben gefragt, erstattete er einen kurzen Bericht, welcher sehr beifallig aufgenommen wurde.
«Ihr habt sehr richtig gehandelt, Sir, «erklarte der Lord.»Solchen Schurken darf man keinesfalls auch nur das geringste Zugestandnis machen. Sie haben Angst und werden es unterlassen, sich an den Gefangenen zu vergreifen. Was denkt Ihr, da? sie nun beginnen werden?«
«Hm!«antwortete der Gefragte.»Die Sonne ist im Untergehen. Ich vermute, da? sie warten werden, bis es finster geworden ist, um dann doch noch den Versuch zu machen, uber die Mauer zu kommen. Gelingt ihnen das nicht, nun, so bleiben ihnen immer noch die Gefangenen fur einen weiteren Erpressungsversuch.«
«Sollten sie wirklich noch einen Angriff wagen?«
«Wahrscheinlich. Sie wissen, da? sie uns an Zahl noch immer vielfach uberlegen sind. Wir mussen uns zur Abwehr vorbereiten. Die Vorsicht gebietet uns, sie genau zu beobachten. Sobald es dunkel ist, mussen einige von uns hinaus, um sich an sie anzuschleichen und mich von jeder ihrer Bewegungen zu benachrichtigen. Wer meldet sich freiwillig zu dieser gefahrlichen Aufgabe?«
Es waren nicht weniger als alle, welche sich bereit erklarten, und Old Firehand wahlte drei aus, welche ihm am geeignetsten erschienen, namlich die Tante Droll, den Humply-Bill und den Gunstick-Uncle; diese waren herzlich erfreut, ein solches Zeichen seines Vertrauens zu erhalten. Die Sonne hatte jetzt den Horizont erreicht und ihre wie flussiges Gold uber die weite Ebene flutenden Strahlen trafen die Gruppe der Tramps in der Weise, da? man von der Farm aus jeden einzelnen deutlich zu erkennen vermochte. Sie trafen keinerlei Vorbereitungen, weder zur Abreise, noch zum Nachtlager. Daraus war zu vermuten, da? sie die Gegend nicht zu verlassen gedachten, aber auch nicht da, wo sie sich jetzt befanden, bleiben wollten.
Old Firehand lie? Holz nach den vier Ecken des Hofes schaffen, auch Kohlen, welche in Kansas massenhaft gefunden werden, und darum sehr billig sind, dazu einige Fasser mit Petroleum. Als es vollstandig dunkel geworden war, wurden die Kundschafter hinausgelassen. Damit dieselben im Falle einer schleunigen Ruckkehr, bei welcher sie verfolgt wurden, nicht auf das Offnen des Thores zu warten brauchten, wobei sie von den Feinden erreicht werden konnten, wurden an einigen Stellen der Mauer starke Lassos befestigt und drau?en herabgelassen, an denen sie sich schnell empor- und in den Hof schwingen konnten. Dann tauchte man Holzscheite in Petroleum, brannte sie an und warf sie durch die Schie?scharten hinaus. Nachdem noch mehr Holz und dann Kohlen darauf gekommen waren, loderten an den Au?enecken vier Feuer, durch welche die Mauerseiten und das vor ihnen liegende Terrain so hell erleuchtet wurden, da? man die Annaherung der Tramps, nicht nur in Haufen, sondern auch jedes einzelnen von ihnen leicht bemerken konnte. Die Flammen wurden nach Bedarf fort und fort durch die Schie?scharten gespeist, weil dies diejenige Art und Weise war, bei welcher man sich nicht den Kugeln der Feinde blo?zustellen brauchte. Nun verging weit uber eine Stunde, und nichts schien drau?en sich zu regen. Da kam der Gunstick-Uncle uber die Mauer geturnt. Er suchte Old Firehand auf und meldete in seiner originellen Weise:»Die Tramps sind von den Baumen fort — nach einem vollig andern Ort.«
«Dachte es mir. Aber wohin?«fragte der Jager, uber den Reim lachelnd. Der Gefragte deutete nach der Ecke, rechts vom Thore, und antwortete in unerschutterlichem Ernste:»Da drau?en, im Gestrauch am Flu? — man sie von jetzt an suchen mu?.«
«So nahe haben sie sich herangewagt! Aber da hatte man doch ihre Pferde horen mussen?«
«Die trieb man weislich unterdessen — auf die Prairie, um Gras zu fressen — doch kenne ich die Stelle nicht — es fehlte mir das Lampenlicht.«
«Und wo sind Bill und Droll?«
«Die wollten hinterher sich machen — um die Halunken zu bewachen!«
«Schon! Ich mu? die Stelle ganz genau wissen, an welcher die Tramps liegen. Seid also so gut, Euch wieder zu den beiden zu gesellen. Sobald die Kerls sich fest gelagert haben, mag Droll kommen und es mir sagen; sie glauben wahrscheinlich, klug zu handeln, sind aber in eine Falle gegangen, welche wir nur zu schlie?en brauchen.«
Der Uncle entfernte sich, und der Lord, welcher die Unterredung mit angehort hatte, fragte, welche Falle Old Firehand meine. Dieser antwortete:»Der Feind befindet sich dort am Flusse. Er hat hinter sich das Wasser, und vor sich die Mauer; wenn wir die beiden andern Seiten versperren, so haben wir ihn fest.«
«Ganz richtig! Aber wie wollt Ihr diese Sperrung vornehmen?«
«Indem ich die Indianer holen lasse, welche ihn von Suden nehmen mussen; wir aber, die wir uns hier befinden, schleichen uns zum Thore hinaus und greifen ihn im Norden an.«
«So wollt Ihr die Mauer ohne Bedeckung lassen?«
«Nein, die Knechte bleiben zuruck; sie werden genugen. Wir wurden allerdings schlimm daran sein, wenn die Tramps auf den klugen Gedanken kamen, sich auf die Mauer zu werfen; aber ich traue ihnen die Schlauheit nicht zu, anzunehmen, da? wir so verwegen sind, gerade diesen Hauptverteidigungspunkt preiszugeben. Auch werde ich erkunden lassen, wo sich ihre Pferde befinden. Erfahren wir das, so sind die wenigen Wachter jedenfalls nicht schwer zu uberwaltigen. Befinden wir uns im Besitze der Pferde, so sind die Kerle verloren, denn wir konnen diejenigen, welche uns heute abend entkommen, am Tage verfolgen, einholen und aufreiben.«
«Well, ein zwar kuhner, aber sehr vortrefflicher Plan. Es ist wahr, Sir, Ihr seid ein tuchtiger Kerl!«
Jetzt mu?te der schwarze Tom mit dem alten schlauen Blenter hinaus, um nach den Pferden zu suchen. Dann wurden zwei Knechte, da dieselben die Gegend genau kannten, zu dem Osagenhauptling geschickt, um demselben eine ausfuhrliche Instruktion zu uberbringen. Vor der Wiederkehr dieser Leute konnte nichts unternommen werden.
Es verging eine lange Zeit, ehe sich einer von ihnen sehen lie?. Endlich kamen die Knechte zuruck. Sie hatten die Indianer gefunden und herbeigefuhrt, dieselben lagen nur einige hundert Schritte von den Tramps