«Wi?t Ihr das genau?«

«Ganz genau. Wo habt Ihr ihn denn kennen gelernt?«

«Eben droben am Silbersee. Wir haben einen ganzen Winter dort verbringen mussen, weil wir eingeschneit — «

«So hei?t Ihr Watson?«rief Droll, ihn unterbrechend.

«Ja, Sir; so ist mein Name.«

«Watson, Watson! Welch ein Zufall! Doch nein, es gibt ja keinen Zufall! Es ist Gottes Schickung! Master, ich kenne Euch, wie ich meine Tasche kenne, und habe Euch doch noch nie gesehen.«

«So hat man Euch von mir erzahlt? Wer ist das gewesen?«

«Der Bruder Eures Kameraden Engel. Schaut her! Dieser Knabe hei?t Fred Engel; er ist der Neffe Eures Gefahrten vom Silbersee und mit mir ausgezogen, um den Morder seines Vaters zu suchen.«

«Ist sein Vater ermordet worden?«fragte Watson, indem er dem Knaben die Hand bot und ihm freundlich zunickte.

«Ja, und zwar einer Zeichnung wegen, welche — «

«Wieder die Zeichnung!«fiel der Schichtmeister ein.»Kennt Ihr den Morder? Jedenfalls ist's der rote Cornel!«

«Ja, er ist's, Sir. Aber — er soll ja auch Euch ermordet haben!«

«Nur verwundet, Sir, nur verwundet. Der Stich traf glucklicherweise nicht ins Herz. Dennoch ware ich an Verblutung zu Grunde gegangen, wenn nicht ein Retter erschienen ware, ein Indianer, welcher mich verband und dann zu andern Roten brachte, bei denen ich bleiben durfte, bis ich gesund geworden war. Dieser, mein Retter, ist der beruhmteste der Indianer und hei?t — «

Er sprach den Satz nicht aus; er hielt mitten in demselben inne; richtete sich langsam empor und starrte nach dem Felsen, als ob er eine uberirdische Erscheinung sahe. Von dorther kam Winnetou langsam gegangen. Er hatte sich entfernt, um zu rekognoszieren.

«Da kommt er, da kommt er, Winnetou der Hauptling der Apachen!«schrie der Schichtmeister.»Er ist da, er ist hier! Welch ein Gluck! Winnetou, Winnetou!«

Er sturzte auf den Hauptling zu, fa?te die Hande desselben und zog sie an seine Brust. Der Apache blickte ihm ins Angesicht, und seine Zuge legten sich in ein weiches, freundliches Lacheln, als er antwortete:»Mein wei?er Bruder Watson! Ich kam zu den Kriegern der Timbabatsch und erfuhr von ihnen, da? du wieder gesund geworden und nach dem Mississippi gegangen seist. Der gute Manitou mu? dich sehr lieb gehabt haben, da? er deine Wunde, welche schlimmer war, als ich dir gestand, heilen lie?. Setze dich nieder, und erzahle, wie deine ferneren Tage bis auf den heutigen verlaufen sind!«

Es gab keinen, welcher gemeint hatte, da? jetzt der Gedanke an die Tramps weit notwendiger sei als die Erzahlung der Erlebnisse des Schichtmeisters. Was Winnetou that, war gewi? richtig; wenn er die Aufmerksamkeit von dem eigentlichen Grunde der Anwesenheit so vieler Menschen auf die eine Person, den Schichtmeister, lenkte, so hatte er sicher seine gute Absicht dabei und hatte sich auf seiner Rekognoszierung uberzeugt, da? man sich vollstandig in Sicherheit befinde und ganz ruhig von etwas anderm als den Tramps sprechen konne.

Naturlich waren alle gespannt auf die Erzahlung eines Mannes, welchem Winnetou das Leben gerettet hatte, und man horte fast keinen lauten Atemzug, als Watson jetzt sein Abenteuer so berichtete, wie er es Old Firehand und dem Ingenieur erzahlt hatte. Als er zu Ende war, zogerte er keinen Augenblick, zu fragen:»Und Ihr, Master Droll, konnt mir also sagen, was aus meinem Kameraden geworden ist?«

«Ja, das kann ich, «antwortete der Dicke.»Ein toter Mann ist aus ihm geworden.«

«So hat der Cornel ihn ermordet?«

«Nein, aber verwundet, grad' so wie Euch, und daran ist der arme Teufel gestorben.«

«Erzahlt, erzahlt, Sir!«

«Das ist schnell berichtet; ich brauche gar nicht viele Worte zu machen. Als der Cornel Euch vom Lagerplatze fortgelockt hatte; begann Engel daruber nachzudenken, da? Ihr als waffenloser Mann dem Roten bei der Jagd doch gar nichts nutzen konntet. Warum hatte er Euch mitgenommen? Er mu?te eine besondere Absicht, welche mit der Jagd gar nichts zu thun hatte, dabei verfolgen. Ihr beide hattet dem Cornel nicht getraut, und nun wurde es Engel, der Euch sehr lieb gewonnen hatte, angst um Euch. Diese Angst lie? ihm keine Ruhe, und so machte er sich auf, um Euren Spuren, welche sehr deutlich waren, nachzufolgen. Die Sorge verdoppelte seine Schritte, und so hatte er Euch nach Verlauf von vielleicht einer Stunde soweit eingeholt, da? er Euch sehen konnte. Er trat eben um die Ecke eines Gebusches, als er Euch erblickte; aber was er sah, ri? ihn wieder hinter dieselbe zuruck. Vor Entsetzen fast starr, sah er durch die Zweige. Der Rote stach Euch nieder und kniete dann uber Euch, um sich zu uberzeugen, ob die Wunde todlich sei. Dann stand er wieder auf und blieb, wie sich besinnend, eine Weile stehen. Was sollte nun Engel thun? Den wohlbewaffneten Morder angreifen, um Euch zu rachen, er, der keine einzige Waffe besa?? Das ware Wahnsinn gewesen. Oder sollte er warten, bis der Cornel sich entfernt hatte und dann zu Euch gehen um nachzusehen, ob vielleicht noch Leben vorhanden sei? Auch das nicht! Ihr waret ja sicher tot, sonst hatte der Kerl gewi? mit einem nochmaligen Stiche nachgeholfen, und sodann ware der Rote unbedingt auf Engels Spur getroffen und hatte ihn verfolgt und auch kalt gemacht. Nein; hatte der Schurke Euch ermordet, so sollte jedenfalls die Reihe nun an Engel kommen, und so erkannte dieser, da? die schleunigste Flucht das einzige sei, was er zu unternehmen habe. Er wendete sich also zuruck und eilte davon, erst auf der bisherigen Spur zuruck und dann, als das Terrain gunstig war, ostwarts ab. Aber nur zu bald sollte er den Beweis bekommen, da? der Morder sich nicht lange an der Stelle seiner That aufgehalten, sondern zuruckgekehrt, die Fahrte gefunden habe und derselben nachgegangen sei. Engel hatte eine Hohe erstiegen und sah, als er da zuruckblickte, den Roten hinter sich herkommen, zwar noch im Thale unten, aber doch nur in einer Entfernung von hochstens zehn Minuten. Jenseits der Hohe gab es eine ebene Prairie. Engel rannte hinab und dann weiter, immer geradeaus, so schnell er konnte. Erst nach einer Viertelstunde wagte er es, fur einen Augenblick stehen zu bleiben und sich umzublicken. Er sah den Verfolger viel naher hinter sich als vorher und rannte weiter. Die Hetze ging wohl eine Stunde lang fort, bis Engel Busche vor sich sah; er glaubte sich gerettet; aber die Busche standen weit auseinander, und dazwischen gab es fettes Gras, welches die Spuren der Fu?e in gro?ter Deutlichkeit aufnahm. Der Fluchtige war eigentlich ein guter Laufer; aber die Entbehrungen des harten Winters hatten ihn doch entkraftet; der Verfolger kam ihm immer naher. Als er sich wieder umblickte, sah er ihn in einer Entfernung von hochstens hundert Schritten hinter sich. Das spornte seine Krafte zur letzten Anstrengung. Er sah Wasser vor sich. Es war der Orfork des Grand Rivers. Er rannte auf dasselbe zu, hatte es aber noch nicht erreicht, als ein Schu? fiel. Er fuhlte einen Sto? wie von einer kraftigen Faust an der rechten Korperseite, sprang weiter und in das Wasser hinein, um nach dem gegenuberliegenden Ufer zu schwimmen. Da sah er von links her einen Bach sein Wasser in den Flu? ergie?en. Er wendete sich nach der Mundung desselben und schwamm eine kleine Strecke aufwarts, bis er ein Gestrupp erblickte, welches seine dichten Zweige, die durch hangengebliebenes Spulgras fur das Auge noch undurchdringlicher geworden waren, vom Ufer aus bis ins Wasser niederhing. Er schlupfte darunter und blieb dort stehen. Seine Fu?e hatten den Boden erreicht. Ihr konnt denken, da? er vor Aufregung am ganzen Korper zitterte.«

«Und vor Anstrengung und Angst!«fugte Watson hinzu.»Bitte, weiter, weiter!«

«Der Cornel hatte nun auch das Ufer erreicht; da er Engel nicht sah und der Flu? schmal war, glaubte er, da? ersterer hinubergeschwommen sei, und ging auch ins Wasser. Aber das konnte nur mit gro?er Vorsicht geschehen, weil er seine Schie?waffen und Munition nicht na? machen durfte. Es dauerte also lange, ehe er, auf dem Rucken schwimmend und die genannten Gegenstande uber Wasser haltend, druben ankam und im Gestrauch verschwand.«

«Er ist gewi? zuruckgekehrt, «meinte der Humply-Bill.»Da er druben keine Fahrte fand, mu?te er annehmen, da? der Fluchtling noch diesseits des Flusses sei.«

«Allerdings, «nickte Droll.»Er suchte erst druben eine Strecke des Ufers ab und kehrte dann zuruck, um auch huben zu forschen; aber da gab es auch keine Fahrte, und das machte ihn irr. Zweimal ging er an dem Verstecke voruber, aber er sah den Verborgenen nicht. Dieser lauschte lange Zeit, ohne den Morder wiederzusehen oder zu horen. Dennoch blieb er im Wasser stehen, bis es dunkel geworden war; dann schwamm er hinuber und lief die ganze Nacht hindurch gerade nach West, um moglichst weit fortzukommen.«

«War er nicht verwundet?«

«Doch, ein Streifschu? am Oberkorper unter dem Arme. In der Aufregung und bei der Kalte des Wassers hatte er das nicht so bemerkt oder doch nicht beachtet; aber wahrend des Marsches begann die Wunde zu brennen. Er verstopfte sie so gut es ging, bis er am Morgen kuhlende Blatter fand, welche er auflegte und von Zeit

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