«Aber sie werden den Zug besteigen!«
«Immerhin! Ich wei?, da? sich alle hineindrangen werden; ich bleibe au?en stehen und warte, bis die Kasse herausgebracht wird. Ist dann der Zug fort, so wird sich finden, was geschieht.«
«Wie steht es denn mit uns beiden?«
«Ihr bleibt bei mir. Dadurch, da? ich euch nach Sheridan schickte, habe ich bewiesen, da? ich euch Vertrauen schenke. Jetzt geht zu Woodward. Er kennt meinen Plan und wird euch die Namen derer nennen, welche ich bei mir behalten werde.«
Sie gehorchten dieser Forderung und lagerten sich zu dem Genannten, welcher ungefahr den Rang eines Lieutenants unter dem Cornel bekleidete. Jetzt lag noch alles in Dunkelheit; spater, als die Stunde nahte, wurde neben der Strecke ein Feuer angebrannt. Die Tramps ahnten nicht, da? diese spate Nachtstunde zu ihrem Verderben gewahlt worden sei. Um drei war es noch dunkel; aber bis der Zug den Eagle-tail erreichte, graute der Tag und man hatte leichtes Zielen.
Es war ein Viertel nach drei, als die Wartenden das ferne Rollen des Zuges horten und kurz darauf die scharfen Lichter der Maschine erblickten. Old Firehand hielt das Feuerloch geschlossen, damit er und die andern drei Personen nicht deutlich gesehen werden konnten. Kaum hundert Schritte von dem Feuer entfernt, gab der Maschinist, als ob er einem plotzlichen Zwange gehorche, Gegendampf. Die Pfeife ertonte, die Rader kreischten und stohnten; der Zug kam zum Stehen.
Bis jetzt waren die Tramps in Sorge daruber gewesen, ob es dem angeblichen Schreiber und dessen Genossen gelingen werde, den Maschinisten und den Heizer einzuschuchtern; als sie nun sahen, da? die Wagen hielten, jauchzten sie vor Freude auf und drangten nach dem hinteren Wagen. Jeder wollte der erste sein, der ihn bestieg. Der Cornel aber wu?te wohl, was das Notigste sei. Er trat an die Lokomotive, warf um die Kante der einen Schutzwand einen Blick hinauf und fragte:»Alles richtig, Boys?«
«Well antwortete der eine Arbeiter, welcher dem Maschinisten den Revolver auf die Brust hielt.»Sie haben wohl parieren mussen. Schau her, Cornel! Bei der geringsten Bewegung drucken wir los.«
Old Firehand stand wie furchtsam an den Wasserbehalter gedruckt und vor ihm der andre Arbeiter mit seinem Revolver. Der Cornel wurde vollstandig getauscht. Er sagte:»Schon! Habt eure Sache gut gemacht und werdet dafur ein Extrageld erhalten. Bleibt noch oben, bis wir fertig sind, und dann, wenn ich das Zeichen gebe, steigt ab, damit diese guten Leute nicht vor Angst sterben, sondern weiterfahren konnen.«
Er trat von der Maschine ins Dunkel zuruck. Er war uberzeugt gewesen, seine beiden Tramps zu sehen, zumal der Arbeiter, welcher antwortete, die Stimme des falschen Schreibers nachgeahmt hatte. Als er fort war, bog sich Old Firehand vor, um einen Blick uber den Platz zu werfen. Er sah niemand stehen, aber in den Wagen wimmelte es von Menschen. Man horte, da? sie sich um den Koffer stritten.
«Fort, fort!«gebot der Jager dem Maschinisten.»Und nicht langsam, sondern schnell! Der Cornel scheint nun auch eingestiegen zu sein. Wir durfen nicht langer warten, sonst steigen sie wieder aus.«
Der Zug setzte, ohne da? der Maschinist die Pfeife ertonen lie?, sich wieder in Bewegung.
«Halt. halt!«schrie eine Stimme.»Schie?t die Hunde nieder! Schie?t, schie?t!«
Man konnte die Worte verstehen, aber nicht die Klangfarbe der Stimme unterscheiden. Darum wu?te Old Firehand nicht, da? der Cornel der Rufende war.
Die im Innern der Wagen befindlichen Tramps erschraken, als diese letzteren weiterzurollen begannen. Sie wollten aussteigen, abspringen, aber das war bei der Schnelligkeit, welche der Maschinist der Fahrt gab, unmoglich. Old Firehand mu?te das Feuer schuren. Die Flammen beleuchteten ihn und seine Genossen. Die Vorderthur des ersten Wagens wurde aufgerissen und Woodward erschien in derselben. Er sah die Maschine vor sich und das hell erleuchtete Gesicht des Jagers, bei dem die vermeintlichen Tramps ganz friedlich standen.
«Old Firehand!«brullte er so laut, da? es selbst durch das Rollen der Rader und das Pusten der Maschine tonte.»Dieser Hund ist es! Fahr zum Teufel!«
Er ri? sein Pistol aus dem Gurtel und scho?. Firehand warf sich zu Boden und wurde nicht getroffen. Im nachsten Augenblicke aber blitzte sein Revolver auf, und Woodward sturzte, ins Herz getroffen, in den Wagen zuruck. Andre erschienen an der offenen Thure, wurden aber augenblicklich von seinen Kugeln getroffen. Auch die beiden Arbeiter richteten ihre Revolver auf die Thur und schossen, bis es gelungen war, die eine Seitenschutzwand in den Querfalz und also zwischen den Wagen und die Maschine zu bringen. Nun mochten die Tramps schie?en.
Indessen war der Zug weitergerast. Der Fuhrer hielt das Auge scharf auf die von den Lichtern beschienene Strecke gerichtet. Zwei Viertelstunden vergingen, und im Osten wurde es hell. Da lie? er die Pfeife ertonen, nicht in kurzen Sto?en, sondern in einem langen, endlos scheinenden Brullen. Er naherte sich der Brucke und wollte die dort wartenden Manner von dem Kommen des Zuges unterrichten.
Diese letzteren standen langst auf ihrem Posten. Kurz vor Mitternacht waren die Dragoner aus Fort Wallace angekommen; sie hatten sich jetzt auf beiden Seiten des Flusses unter die Brucke postiert, um jeden Tramp, der etwa von oben herab entkommen sollte, da unten festzunehmen. Da, wo die Brucke begann, hielt Winnetou mit den Rafters und Jagern. Jenseits derselben, zu beiden Seiten des Tunneleinganges, standen drei Vierteile der bewaffneten Arbeiter, und am Ausgange des Tunnels wartete der Rest derselben. Bei diesen befand sich der Schichtmeister, welcher die nicht ungefahrliche Aufgabe ubernommen hatte, im Innern des Tunnels die Lokomotive vom Zuge zu losen. Als er das Gebrull der Pfeife horte, gebot er seinen Leuten:»Das Feuer anbrennen!«
Wahrend diesem Befehle sofort Folge geleistet wurde, indem man den vor dem Tunnelmunde liegenden Holz- und Kohlensto? in Brand steckte, trat er selbst in den Tunnel, um, ganz an die Wand desselben gedruckt, den Zug zu erwarten.
Dieser war mit sich vermindernder Kraft und Schnelligkeit uber die Brucke gekommen und naherte sich dem Tunnel. Old Firehand sah die dort postierten Leute und rief ihnen zu:»Hinter uns anbrennen!«
Einen Augenblick spater hielt der Zug. Die Lokomotive stand gerade da, wo der Schichtmeister sie erwartet hatte.
«Nur einen Augenblick!«
Bei diesen Worten kroch er zwischen die Maschine und den ersten Wagen, loste die Verbindung zwischen beiden und rannte zum Tunnel hinaus. Die Lokomotive folgte augenblicklich; die Wagen blieben stehen, und die vorn und hinten brennenden Feuer wurden von den Arbeitern, nachdem man die Geleise schnell durch daraufgelegte Steine geschutzt hatte, in die Mitte der Strecke geschoben.
Dies alles war viel schneller geschehen, als es erzahlt werden kann, viel zu schnell auch, als da? es den Tramps ebenso rasch moglich gewesen ware, zu erkennen, in welcher Lage sie sich befanden. Es war ihnen schon wahrend der sausenden Fahrt nicht wohl gewesen. Sie hatten erfahren, da? Old Firehand auf der Maschine stehe, und wu?ten also, da? ihr Plan vereitelt sei; aber sie waren gewi?, da? sie da, wo der Zug zum Halten kam, selbst wenn dieser Ort eine belebte Station sein sollte, ihre Freiheit wiedererlangen wurden. Sie waren gut bewaffnet und ihrer so viele, da? es wohl niemand wagen wurde, sie halten zu wollen.
Nun stand der Zug; darauf hatten sie gewartet. Aber als sie aus den Seitenfenstern blickten, starrte ihnen eine unterirdische Dunkelheit entgegen. Denjenigen, welche sich nach der Thur des letzten Wagens drangten, um auszusteigen, war es, als ob sie durch eine enge, finstere Rohre in ein machtig gro?es, qualmendes Feuer blickten. Und die von ihnen, welche im vorderen Wagen standen, sahen, da? die Lokomotive verschwunden und an deren Stelle ein brennender Kohlenhaufen getreten war. Da kam einem von ihnen der richtige Gedanke.
«Ein Tunnel, ein Tunnel!«rief er erschrocken aus, und» ein Tunnel, ein Tunnel!«schrieen ihm die andren nach.»Was ist da zu thun? Wir mussen hinaus!«
Man schob und stie?, so da? diejenigen, welche an den Thuren — denn nun war auch diejenige des vorderen Wagens passierbar — standen, nicht aussteigen konnten, sondern formlich hinausgeworfen wurden. Der zweite sturzte auf den ersten, der dritte auf den zweiten und so weiter. Es gab ein Chaos von Korpern, Armen und Beinen, von Schreien, Verwunschungen und Fluchen, und das ging nicht ohne manche Verletzung ab. Es gab sogar welche, die zu den Waffen griffen, um sich derer zu erwehren, welche an ihnen hingen oder auf ihnen lagen.
Und zu der Finsternis, welche von den vorn und hinten am Tunnel brennenden Feuern und den Waggonslampen nicht einmal nur notdurftig erleuchtet wurde, gesellte sich jetzt der dicke, schwere Kohlenqualm, welcher von dem Morgenwinde in den Tunnel getrieben wurde.
«Beim Teufel! Man will uns ersticken!«rief eine kreischende Stimme.»Hinaus, hinaus!«
Zehn, zwanzig. funfzig, hundert schrieen es ihm nach, und in wahrer Todesangst drangte sich, trieb, schob und stie? sich alles den beiden Ausgangen zu. Aber dort prasselten die Feuer, deren breit und hoch lodernde