Er riss seine Hand weg.
»Wei?t du immer, was du tust, mein Sohn?« Ihre Stimme war noch leiser.
»Mutter, um Himmels willen!«
»Du hast dieser Familie schon genug angetan, David. Burde mir nicht noch mehr auf. Ich glaube, ich konnte es nicht ertragen.«
Sein Gesicht war aschfahl. »Du wei?t, dass ich nicht – ich konnte nichts dafur -«
»Du bist zu alt, um wieder fortgeschickt zu werden. Jetzt bist du ein Mann. Ich mochte, dass du auch wie ein Mann handelst.«
Seine Stimme war voll tiefer Qual. »Ich – liebe sie -«
Sie bekam einen Anfall, und David lie? den Arzt holen. Spater hatten er und der Arzt eine Unterredung.
»Ich furchte, Ihre Mutter wird nicht mehr lange leben, David.«
Und so wurde die Entscheidung fur ihn getroffen.
Er besuchte Cissy Topping.
»Ich liebe eine andere«, sagte David. »Meine Mutter dachte immer, dass du und ich -«
»Das dachte ich auch, Liebling.«
»Ich wei?, es ist etwas Ungeheuerliches, worum ich dich bitten mochte, aber warest du bereit, mich zu heiraten, bis – bis meine Mutter stirbt, und dich dann von mir scheiden zu lassen?«
Cissy sah ihn an und sagte leise: »Wenn du das willst, David.«
Es kam ihm vor, als ware ein unertragliches Gewicht von seinen Schultern genommen worden. »Danke, Cissy, ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr -«
Sie lachelte und sagte: »Wozu sind alte Freunde da?«
Sofort nachdem David gegangen war, rief Cissy Topping Davids Mutter an. Alles, was sie sagte, war: »Es ist alles geregelt.«
Das einzige, was David Kenyon nicht vorausgesehen hatte, war, dass Josephine von der bevorstehenden Heirat horen wurde, ehe er ihr alles erklaren konnte. Als David zu Josephines Haus kam, wurde die Tur von Mrs. Czinski geoffnet.
»Ich mochte gerne Josephine sprechen«, sagte er.
Sie blitzte ihn mit Augen an, aus denen ein bosartiger Triumph leuchtete. »Jesus wird Seine Feinde bezwingen und niederschlagen, und die Bosen sollen fur immer verflucht sein.«
David sagte geduldig: »Ich mochte mit Josephine reden.«
»Sie ist fort«, sagte Mrs. Czinski. »Sie ist fortgegangen!«
18.
Der staubige Greyhound Bus, der von Odessa uber El Paso und San Bernardino nach Los Angeles fuhr, war um sieben Uhr morgens in der Hollywood-Station in der Vine Street eingetroffen, und wahrend der zweitagigen Reise uber funfzehnhundert Meilen war aus Josephine Czinski Jill Castle geworden. Au?erlich war sie die alte geblieben. Innerlich hatte sie sich verandert. Etwas in ihr war verschwunden. Das Lachen war erstorben!
In dem Augenblick, als sie die Nachricht gehort hatte, wusste Josephine, dass sie fliehen musste. Sie begann, achtlos ihre Kleider in einen Koffer zu werfen. Sie hatte keine Ahnung, wohin sie fahren oder was sie tun wurde, wenn sie dort ankame. Sie wusste nur, dass sie fort musste, auf der Stelle.
Als sie ihr Schlafzimmer verlie? und die Fotos der Filmstars an der Wand sah, wusste sie plotzlich, wohin sie fahren wurde. Zwei Stunden spater sa? sie im Bus nach Hollywood. Odessa und alle Bewohner dieser Stadt traten in den Hintergrund, verblassten immer mehr, als der Bus sie ihrer neuen Bestimmung entgegenfuhr. Sie versuchte, ihre wahnsinnigen Kopfschmerzen zu vergessen. Vielleicht hatte sie der schrecklichen Schmerzen wegen einen Arzt aufsuchen sollen. Aber jetzt war das gleichgultig. Sie waren ein Teil ihrer Vergangenheit, und sie war sicher, sie wurden vergehen. Von jetzt an wurde das Leben wunderbar werden. Josephine Czinski war tot. Es lebe Jill Castle.
ZWEITES BUCH
19.
Toby Temple wurde zum Superstar aufgrund des unwahrscheinlichen Zusammentreffens eines Vaterschaftsprozesses mit einem Blinddarmdurchbruch und dank dem Prasidenten der Vereinigten Staaten.
Der Presseklub von Washington gab sein alljahrliches Bankett, und der Ehrengast war der Prasident. Es war eine Reprasentationsveranstaltung; anwesend waren der Vizeprasident, Senatoren, Kabinettsmitglieder, Oberste Richter und jeder, der eine Eintrittskarte kaufen, leihen oder stehlen konnte. Weil uber das Ereignis immer in der internationalen Presse berichtet wurde, war die Rolle des Conferenciers ein hochbezahlter Job geworden. In diesem Jahr war einer von Amerikas Star-Komikern als Conferencier ausersehen worden. Eine Woche, nachdem er zugesagt hatte, wurde er als Beklagter in einem Vaterschaftsprozess genannt, der ein funfzehnjahriges Madchen betraf. Dem Rat seines Rechtsanwalts folgend, fuhr der Komiker sofort fur unbestimmte Zeit auf Urlaub ins Ausland. Der Organisationsausschuss wandte sich nun an Nummer zwei seiner Wahl, einen beliebten Film- und Fernsehstar. Er kam am Abend vor dem Bankett in Washington an. Am folgenden Nachmittag, dem Tag des Festessens, rief sein Agent an und teilte mit, der Schauspieler sei im Krankenhaus und musse sich wegen eines Blinddarmdurchbruchs einer plotzlichen Operation unterziehen.
Es waren nur noch sechs Stunden bis zum Beginn des Banketts. Der Ausschuss ging verzweifelt die Liste moglicher Ersatzleute durch. Die geeigneten Kunstler waren alle in einem Film oder in einer Fernsehshow beschaftigt oder zu weit weg, um noch rechtzeitig nach Washington kommen zu konnen. Ein Kandidat nach dem anderen fiel aus, und schlie?lich, fast am Ende der Liste, tauchte der Name Toby Temple auf. Ein Ausschuss- Mitglied schuttelte den Kopf. »Temple ist Nachtklubkomiker. Er ist zu unbeherrscht. Wir konnen nicht wagen, ihn auf den Prasidenten loszulassen.«
»Er ware schon brauchbar, wenn wir ihn veranlassen konnten, seinen Ton zu dampfen.«
Der Vorsitzende des Ausschusses blickte um sich und sagte: »Ich will Ihnen mal sagen, warum er besonders brauchbar ist, meine Herren. Er ist in New York und kann in einer Stunde hier sein. Das gottverdammte Bankett findet heute abend statt.«
Auf diese Weise entschied sich der Ausschuss fur Toby Temple.
Als Toby sich in dem uberfullten Bankettsaal umsah, dachte er, wenn heute abend eine Bombe auf diesen Saal fiele, ware die Regierung der Vereinigten Staaten mit einem Schlag fuhrerlos.
Der Prasident sa? in der Mitte am Tisch des Sprechers auf dem Podium. Ein halbes Dutzend Beamte des Geheimdienstes stand hinter ihm. In der Hast der letzten Minuten, als alles koordiniert werden musste, hatte niemand daran gedacht, Toby dem Prasidenten vorzustellen, aber Toby storte das nicht. Der Prasident wird sich an mich erinnern, dachte er. Er rief sich sein Treffen mit Downey, dem Vorsitzenden des Organisationsausschusses, ins Gedachtnis zuruck. Downey hatte gesagt: »Wir mogen Ihre Art von Humor, Toby. Sie sind sehr komisch, wenn Sie die Leute angreifen. Aber -« Er machte eine Pause, um sich zu rauspern. »Das ist – ah – ein empfindlicher Kreis hier heute abend. Verstehen Sie mich nicht falsch. Es ist nicht so, dass sie einen kleinen Scherz uber sich selbst nicht akzeptieren konnten, aber alles, was heute abend in diesem Saal gesagt wird, wird von den Nachrichten-Medien in der ganzen Welt verbreitet, und naturlich will keiner von uns, dass irgend etwas gesagt wird, das den Prasidenten der Vereinigten Staaten oder Mitglieder des Kongresses lacherlich macht. Mit anderen Worten, wir mochten, dass Sie komisch sind, aber wir wollen nicht, dass Sie jemanden verargern.«