wirst es tun«, sagte Jill. »Du wirst es fur mich tun.«

Am folgenden Morgen entlie? Jill die Schwestern, den Heilgymnastiker und die Sprach-Therapeutin. Sowie er die Neuigkeit horte, suchte Dr. Kaplan Jill auf.

»In Bezug auf den Heilgymnastiker bin ich ganz Ihrer Meinung, Jill. Aber die Schwestern! Es muss standig jemand bei Toby sein -«

»Ich werde bei ihm sein.«

Er schuttelte den Kopf. »Sie haben keine Ahnung, worauf Sie sich da einlassen. Ein Mensch allein kann nicht -«

»Ich werde Sie rufen, wenn ich Sie brauche.«

Sie schickte ihn fort.

Die Schinderei begann.

Jill unternahm den Versuch, etwas zu tun, was die Arzte als unmoglich bezeichnet hatten. Als sie Toby das erstemal hochhob und ihn in seinen Rollstuhl setzte, erschrak sie daruber, wie leicht er war. Sie brachte ihn im Aufzug, der inzwischen installiert worden war, hinunter und begann mit ihm im Schwimmbecken zu arbeiten, wie sie es bei dem Heilgymnastiker gesehen hatte. Aber was nun folgte, unterschied sich grundlegend von der Arbeit des Therapeuten. Wo er behutsam und zart gewesen war, ging Jill hart und unerbittlich vor. Wenn Toby zu sprechen versuchte, um ihr zu bedeuten, dass er mude sei und es nicht mehr ertragen konne, sagte Jill: »Du bist noch nicht fertig. Noch einmal. Fur mich, Toby!«

Und sie zwang ihn, es noch einmal zu versuchen.

Und noch einmal, bis er vor Erschopfung weinend dasa?. Nachmittags ging Jill daran, Toby sprechen zu lehren. »Ooh… oooooooh.«

»Ahaaah… aaaaaaaaaagh.«

»Nein! Oooooooooooh. Mit runden Lippen, Toby. Befiehl ihnen, dir zu gehorchen. Oooooooooh.«

»Aaaaaaaaagh…«

»Nein, verdammt noch mal! Du wirst wieder sprechen! Los, sag es -Oooooooh.«

Und er versuchte es von neuem.

Jill futterte ihn jeden Abend und legte ihn ins Bett und hielt ihn in den Armen. Sie zog seine nutzlosen Hande langsam an ihrem Korper auf und ab, von ihren Brusten hinunter zu der weichen Spalte zwischen ihren Beinen. »Fuhl das, Toby«, flusterte sie. »Das ist alles dein, Liebling. Es gehort dir. Ich will dich. Ich will, dass du gesund wirst, damit wir uns wieder lieben konnen. Ich will, dass du wieder mit mir schlafst, Toby.«

Er blickte sie mit seinen lebendigen, hellen Augen an und gab unzusammenhangende, wimmernde Laute von sich.

»Bald, Toby, bald.«

Jill war unermudlich. Sie entlie? das Personal, weil sie niemanden im Haus haben wollte. Danach begann sie selbst zu kochen. Sie bestellte die Lebensmittel telefonisch und verlie? das Haus nie. Anfangs war sie noch damit beschaftigt gewesen, Telefonanrufe entgegenzunehmen, aber die waren bald seltener geworden und hatten dann ganzlich aufgehort. Die Nachrichtensprecher verlasen keine Bulletins mehr uber Toby Temples Zustand. Die Welt wusste, dass er im Sterben lag. Es war nur eine Frage der Zeit.

Doch Jill wurde Toby nicht sterben lassen. Und wenn er starb, wurde sie mit ihm sterben.

Die Tage verschwammen zu einer langen, endlosen Folge von Muh und Plagerei. Jill war um sechs Uhr fruh auf den Beinen. Als erstes musste sie Toby saubern. Er konnte nichts mehr halten. Obgleich er einen Katheter hatte und eine Windel trug, beschmutzte er sich nachts, und die Bettwasche sowie Tobys Pyjamas mussten haufig gewechselt werden. Der Gestank im Schlafzimmer war fast unertraglich. Jill fullte eine Schussel mit warmem Wasser, nahm einen Schwamm und ein weiches Tuch und sauberte Tobys Korper von Urin und Kot. Wenn er sauber war, trocknete sie ihn ab und puderte ihn, dann rasierte und kammte sie ihn.

»So, nun siehst du gro?artig aus, Toby. Deine Verehrer sollten dich jetzt sehen. Ja, sie werden dich schon bald sehen. Sie werden um den Eintritt kampfen, um dich zu sehen. Der Prasident wird dasein – alle werden dasein, um Toby Temple zu sehen.«

Dann bereitete Jill Tobys Fruhstuck. Sie machte Haferflockenbrei oder lockere Mehlspeisen oder Ruhrei; Speisen, die sie ihm in den Mund loffeln konnte. Sie futterte ihn wie ein Baby und redete die ganze Zeit auf ihn ein und versprach ihm, dass er wieder gesund werden wurde.

»Du bist Toby Temple«, intonierte sie im Sing-Sang. »Jeder liebt dich, jeder mochte dich wiederhaben. Deine Fans da drau?en warten auf dich, Toby. Du musst fur sie gesund werden.«

Und ein neuer, entsetzlich strapazioser Tag begann.

Sie schob seinen nutzlosen, gelahmten Korper zum Schwimmbecken. Nach den Ubungen massierte sie ihn und fuhr mit der Sprechtherapie fort. Dann war es Zeit fur sie, ihm eine Mahlzeit zuzubereiten, und danach wurde alles wieder von vorn beginnen. Und unaufhorlich erzahlte Jill Toby, wie wunderbar er ware, wie sehr man ihn liebte. Er war Toby Temple, und die Welt wartete auf seine Ruckkehr. Abends brachte sie ihm oft eines der Alben mit seinen Presseausschnitten und hielt es hoch, damit er es sehen konnte.

»Da sind wir mit der Queen. Erinnerst du dich noch, wie sie dich an diesem Abend feierten? So wird es wieder werden. Du wirst gro?er denn je sein, Toby, gro?er denn je.«

Am Abend kroch sie erschopft auf das Notlager, das sie sich neben seinem Bett eingerichtet hatte. Um Mitternacht wurde sie von einem widerlichen Gestank geweckt. Sie schleppte sich zu Tobys Bett, um seine Windel zu wechseln und ihn zu saubern. Und dann war es schon wieder soweit, mit den Vorbereitungen furs Fruhstuck zu beginnen und einem neuen Tag ins Auge zu blicken.

Und wieder einem. In einer endlosen, eintonigen Folge.

Jeden Tag trieb Jill Toby ein bisschen harter an, ein bisschen weiter. Ihre Nerven waren so angespannt, dass sie Toby ins Gesicht schlug, wenn sie den Eindruck hatte, dass er sich keine Muhe gab. »Wir werden den Kampf gewinnen«, sagte sie leidenschaftlich. »Du wirst wieder gesund werden.«

Jill war von der aufreibenden Routine, die sie sich auferlegte, korperlich total erschopft, aber wenn sie sich nachts hinlegte, fand sie keinen Schlaf. Zu viele Bilder tanzten durch ihren Kopf wie Szenen aus alten Filmen. Sie und Toby, umdrangt von Reportern bei den Filmfestspielen in Cannes… Der Prasident in ihrem Haus in Palm Springs, wie er Jill ein Kompliment machte. Fans, die sich bei einer Premiere um Toby und sie scharten… Das Goldene Paar… Toby, wie er hinaufschritt, um seine Medaille in Empfang zu nehmen, und zu Boden sturzte… sturzte… Schlie?lich versank sie in Schlaf.

Manchmal wachte sie mit einem plotzlichen heftigen Kopfschmerzanfall auf, der nicht verschwinden wollte. Sie lag in der Dunkelheit, kampfte gegen den Schmerz an, bis die Sonne aufging, und dann war es Zeit, sich auf die Fu?e zu zwingen.

Und alles wurde wieder von vorn beginnen. Es war, als waren sie und Toby die einzigen Uberlebenden einer langst vergessenen Katastrophe. Ihre Welt war auf die Dimensionen dieses Hauses, dieser Raume, dieses Mannes zusammengeschrumpft. Von der Morgendammerung bis nach Mitternacht trieb sie sich unbarmherzig an.

Und sie trieb Toby an, ihren in dieser Holle gefangenen Toby, gefangen in einer Welt, in der es einzig Jill gab, der er blindlings gehorchen musste.

Aus den duster und qualvoll sich dahinschleppenden Wochen wurden Monate. Toby begann zu weinen, wenn er Jill auf sich zukommen sah, denn er wusste, dass er bestraft werden wurde. Von Tag zu Tag wurde Jill unbarmherziger. Sie zwang Tobys nutzlose Glieder, sich zu bewegen, bis er unertragliche Schmerzen litt. Mit gurgelnden Lauten versuchte er, sie zu bitten aufzuhoren, aber Jill hatte nur eine Antwort: »Noch nicht. Nicht, bevor du wieder ein Mann bist, nicht, bevor wir es ihnen allen zeigen werden.« Und sie knetete seine kraftlosen Muskeln weiter. Er war ein hilfloses, erwachsenes Baby, eine Pflanze, ein Nichts. Aber wenn Jill ihn anblickte, sah sie ihn, wie er einst wieder sein wurde, und sie erklarte: »Du wirst jetzt gehen!«

Dann stellte sie ihn auf die Fu?e und hielt ihn aufrecht, wahrend sie ein Bein vor das andere zwang, so dass er sich wie eine betrunkene, ausgerenkte Marionette vorwarts bewegte.

Ihre Kopfschmerzen traten immer haufiger auf. Helles Licht oder ein lautes Gerausch oder eine plotzliche Bewegung konnten sie auslosen. Ich muss einen Arzt aufsuchen, dachte sie. Spater, wenn es Toby wieder gutgeht. Jetzt hatte sie weder Zeit noch einen Raum fur sich.

Sie war nur fur Toby da.

Jill schien wie besessen. Ihre Kleider hingen lose an ihr, aber sie hatte keine Ahnung, wieviel sie abgenommen hatte oder wie sie aussah. Ihr Gesicht war mager und verzerrt, ihre Augen hohl. Ihr einst herrlich

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