Er wandte sich an Toby. »Wir sind wirklich stolz auf Sie, Toby. Im Ernst. Wie ich hore, sind Sie gebeten worden, einen Teil Ihres Korpers der Wissenschaft zur Verfugung zu stellen. Man will ihn in einem Gefa? in der Harvard Medical School konservieren. Das Problem ist nur, dass sie kein Gefa? finden konnten, das gro? genug ist, um ihn aufzunehmen.«

Brullendes Gelachter.

Als Toby zu seiner Erwiderung aufstand, ubertraf er sie alle.

Alle waren sich daruber einig, dass es das beste Essen war, das die Friars je veranstaltet hatten.

Auch Clifton Lawrence war an jenem Abend anwesend.

Er sa? an einem der hinteren Tische in der Nahe der Kuche, zusammen mit anderen unwichtigen Leuten. Er war gezwungen gewesen, sich alten Freunden aufzudrangen, um auch nur diesen Platz zu bekommen. Seit Toby Temple ihn gefeuert hatte, hing an Clifton Lawrence der Makel des Verlierers. Er hatte versucht, sich einer gro?en Agentur anzuschlie?en, aber da er keine Klienten mehr besa?, hatte er nichts zu bieten. Dann hatte Clifton es bei kleineren Agenturen versucht, aber die waren an einem Mann seines Alters nicht interessiert; die wollten energische, junge Leute. Schlie?lich hatte er sich mit einem Job ohne Gewinnbeteiligung bei einer kleinen, neu gegrundeten Agentur zufriedengegeben. Sein Wochengehalt war geringer als der Betrag, den er fruher an einem einzigen Abend bei Romanoff ausgegeben hatte.

Er erinnerte sich an den ersten Tag in der neuen Agentur. Sie gehorte drei energischen jungen Mannern – oder vielmehr Kindern -, alle Ende Zwanzig. Ihre Klienten waren Rock-Stars. Zwei der Agenten waren bartig, und alle trugen Jeans, Sporthemden und Tennisschuhe ohne Socken. Sie gaben Clifton das Gefuhl, tausend Jahre alt zu sein. Sie redeten in einer Sprache, die er nicht verstand. Sie nannten ihn »Dad« und »Pop«, und er musste an den Respekt denken, der ihm einst in dieser Stadt bezeugt worden war, und war den Tranen nahe.

Der einstmals elegante, lebensfrohe Mann war heruntergekommen und verbittert. Toby Temple war sein ganzer Lebensinhalt gewesen, und Clifton sprach wie unter Zwang uber diese vergangene Zeit. Es war alles, woran er dachte. Das und Jill. Clifton machte sie fur alles, was ihm geschehen war, verantwortlich. Toby konnte nichts dafur; er war von diesem Luder beeinflusst worden. Aber, oh, wie Clifton Jill Hasste!

Er sa? hinten im Saal und beobachtete die Menge, die Jill Temple applaudierte, als einer der Manner am Tisch sagte: »Toby hat wirklich unverschamtes Gluck. Ich wunschte, ich hatte ein Stuck von der. Sie ist gro?artig im Bett.«

»Nanu?« fragte jemand zynisch. »Woher wollen Sie das wissen?«

»Sie wird in diesem Porno-Kintopp im Pussycat-Theater gezeigt. Teufel, es sah aus, als wurde sie dem Kerl die Leber aus dem Leib saugen.«

Cliftons Mund war plotzlich so trocken, dass er kaum ein Wort herausbrachte. »Sind Sie – sind Sie sicher, dass es Jill Castle war?« fragte er.

Der Fremde wandte sich ihm zu. »Klar bin ich sicher. Sie lauft allerdings unter einem anderen Namen – Josephine Soundso. Ein verruckter Polakenname.« Er starrte Clifton an und sagte: »He! Sie sind doch Clif-ton Lawrence!«

Es gibt ein Gebiet am Santa Monica Boulevard, an der Grenze zwischen Fairfax und La Cienega, das Countyterritorium ist. Als Teil einer Insel, umgeben von der City von Los Angeles, untersteht es der Coun- tyverwaltung, die weniger strikt als die der City ist. In einem Gebiet von sechs Hauserblocks befinden sich allein vier Kinos, die ausschlie?lich Pornofilme zeigen, ein halbes Dutzend Bucherladen, wo man in Einzelkojen uber Fernsehschirme scharfe Filme sehen kann, und ein Dutzend Massagesalons mit jungen Madchen, die Experten sind in allem, blo? nicht in Massagen. Mitten drin liegt das Pussycat-Theater.

Es waren vielleicht zwei Dutzend Leute in dem verdunkelten Theater; von zwei Frauen abgesehen, die Handchen haltend dasa?en, ausschlie?lich Manner. Clifton blickte sich im Zuschauerraum um und fragte sich, was diese Leute mitten an einem sonnigen Tag in diese verdunkelte Hohle trieb, um Stunden damit zu verbringen, sich auf der Leinwand anzusehen, wie andere Leute Unzucht trieben.

Der Hauptfilm begann, und Clifton verga? alles au?er dem, was auf der Leinwand geschah. Er beugte sich auf seinem Sitz vor, konzentrierte sich auf die Gesichter der Darstellerinnen. Es ging um einen jungen CollegeProfessor, der seine Studentinnen zum Nachtunterricht in sein Schlafzimmer schmuggelte. Alle waren jung, uberraschend attraktiv und unglaublich begabt. Sie gingen eine Vielfalt von sexuellen Praktiken durch, oral, vaginal und anal, bis der Professor ebenso befriedigt wie seine Schulerinnen war.

Aber keines der Madchen war Jill. Sie muss dabeisein, dachte Clifton. Dies war seine einzige Chance, um sich je fur das rachen zu konnen, was sie ihm angetan hatte. Er wurde dafur sorgen, dass Toby diesen Film zu sehen bekam. Es wurde ihm wehtun, doch er wurde daruber hinwegkommen. Jill aber wurde vernichtet werden. Wenn Toby erfuhr, was fur eine Hure er geheiratet hatte, wurde er sie mit einem Tritt hinausbefordern. Jill musste in diesem Film sein.

Und plotzlich war sie da – auf Breitwand, in wundervollen, herrlichen, lebendigen Farben. Sie hatte sich inzwischen sehr verandert. Jetzt war sie dunner, schoner und erfahrener. Aber es war Jill. Clifton sa? da, schlang die Szene in sich hinein, schwelgte in ihr, frohlockte und weidete seine Sinne, erfullt von einem elektrisierenden Gefuhl des Triumphes und der Rache.

Clifton blieb auf seinem Platz, bis der Nachspann kam. Da war es: Josephine Czinski. Er stand auf und ging nach hinten in die Vorfuhrkabine. Ein Mann in Hemdsarmeln sa? in dem kleinen Raum und studierte Wettergebnisse. Er blickte auf, als Clifton eintrat, und sagte: »Hier ist kein Zutritt, Kumpel.«

»Ich mochte eine Kopie dieses Films kaufen.«

Der Mann schuttelte den Kopf. »Ist unverkauflich.« Er widmete sich wieder seinen Wettergebnissen.

»Ich zahle Ihnen hundert Piepen, wenn Sie mir eine Kopie davon machen. Niemand wird es je erfahren.«

Der Mann schaute nicht mal auf.

»Zweihundert«, sagte Clifton.

Der Vorfuhrer blatterte eine Seite um.

»Dreihundert.«

Der Mann blickte auf und musterte Clifton. »Bar?«

»Bar.«

Um zehn Uhr am nachsten Morgen kam Clifton mit einer Filmspule unter dem Arm vor Tobys Haus an. Nein, kein Film, dachte er begluckt. Dynamit. Genug, um Jill Castle in die Holle zu sprengen.

Die Tur wurde von einem englischen Butler geoffnet, den Clifton noch nie gesehen hatte.

»Sagen Sie Mr. Temple, Clifton Lawrence mochte ihn sprechen.«

»Tut mir leid, Sir. Mr. Temple ist nicht hier.«

»Ich werde auf ihn warten«, sagte Clifton bestimmt.

Der Butler erwiderte: »Ich furchte, das wird nicht moglich sein. Mr. und Mrs. Temple sind heute fruh nach Europa abgereist.«

32.

Europa war eine Serie von Triumphen.

An Tobys Premierenabend im Palladium in London war Oxford Circus von einer Menschenmenge blockiert, die versuchte, einen Blick auf Toby und Jill zu erhaschen. Den gesamten Bezirk um die Argyll Street herum hatte die Polizei abgesperrt. Als die Menschenmassen au?er Kontrolle gerieten, wurde zur Unterstutzung eiligst berittene Polizei eingesetzt. Punkt acht Uhr traf die konigliche Familie ein, und die Vorstellung begann.

Toby ubertraf die hochsten Erwartungen. Mit seinem Gesicht, das vor Unschuld strahlte, attackierte er die britische Regierung und ihren alten Akademikerdunkel. Er erklarte, wie sie es fertigbrachte, weniger machtig als Uganda zu sein, und wie das einem verdienstvolleren Land nicht hatte passieren konnen. Sie brullten vor Lachen, weil sie wussten, dass Toby Temple nur Spa? machte. Er meinte kein Wort im Ernst. Toby liebte sie. Und sie liebten ihn.

Der Empfang in Paris war noch sturmischer. Jill und Toby waren Gaste im Elysee-Palast und wurden in einer Limousine des Prasidenten durch die Stadt gefahren. Sie erschienen jeden Tag auf den Titelseiten der Zeitungen, und wenn sie im Theater auftauchten, musste das Polizeiaufgebot verstarkt werden, um die Menschen

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