Hollywood, London und Rom, vereint zu einer prachtigen, vielsprachigen Kakophonie in Technicolor und Panavision. Aus allen Ecken der Welt scharten sich die Filmemacher an der franzosischen Riviera, trugen Behalter voller Traume unter den Armen, Zelluloidrollen auf englisch und franzosisch und japanisch und ungarisch und polnisch, die sie uber Nacht reich und beruhmt machen sollten. Die Croisette war vollgestopft mit Profis und Amateuren, Veteranen und Neulingen, Kommenden und Gewesenen, und alle konkurrierten um die begehrten Preise. Wenn man einen Preis bei den Filmfestspielen in Cannes errang, bedeutete das Geld auf der Bank; wenn der Gewinner noch keinen Vertrag mit einem Verleih hatte, konnte er einen bekommen, und wenn er schon einen hatte, konnte er ihn verbessern.

Jedes Hotel in Cannes war ausgebucht, und die Besucherflut hatte sich die Kuste hinauf und hinunter nach Antibes, Beaulieu, Saint-Tropez und Menton ergossen. Die Bewohner der kleinen Dorfer sperrten vor Ehrfurcht Mund und Nase auf uber die beruhmten Leute, die ihre Stra?en und Restaurants und Bars fullten. '

Die Zimmer waren schon Monate im voraus reserviert worden, aber Toby Temple hatte keine Schwierigkeiten, eine gro?e Suite im Carlton zu bekommen. Toby und Jill wurden uberall, wohin sie auch kamen, gefeiert. Die Kameras klickten unaufhorlich, und ihre Bilder erschienen in der ganzen Welt. Das Goldene Paar, Konig und Konigin von Hollywood. Reporter interviewten Jill und fragten nach ihrer Meinung uber alles, von franzosischen Weinen bis zu afrikanischer Politik. Josephine Czinski aus Odessa, Texas, lag in weiter Ferne.

Tobys Film gewann zwar keinen Preis, aber zwei Abende vor Beendigung der Festspiele verkundete das Preisrichterkomitee, dass Toby Temple fur seinen Beitrag auf dem Gebiet der Unterhaltung mit einem Sonderpreis ausgezeichnet werden sollte.

Es war eine Veranstaltung, bei der man Smoking trug, und der gro?e Bankettsaal im Carlton quoll uber von Gasten. Jill sa? auf der Estrade neben Toby. Sie bemerkte, dass er nicht a?. »Was ist los, Liebling?« fragte sie.

Toby schuttelte den Kopf. »Wahrscheinlich habe ich zuviel Sonne abbekommen. Ich fuhle mich ein bisschen benebelt.«

»Morgen werde ich dafur sorgen, dass du dich ausruhst.« Jill hatte einen Tagesplan fur Toby aufgestellt: Interviews mit Paris Match und der Londoner Times am Vormittag, Lunch mit einer Gruppe von Fernsehreportern, danach eine Cocktail-Party. Sie beschloss, die weniger wichtigen Verabredungen zu streichen.

Als das Essen beendet war, erhob sich der Burgermeister von Cannes und stellte Toby vor: »Mesdames, messieurs et nos invites

honores, c'est un grand privilege ce jour pour moi de vous introduire un komme qni a donne bonheur etplaisirau monde entier.J'ai l'hon-neur de lui presenter cette medaille speciale, un signe de nos affecti-ons et appredations.« Er hielt eine goldene Medaille mit Band empor und verbeugte sich vor Toby. »Monsieur Toby Temple!« Ein begeisterter Applaus brach los, und das Publikum im gro?en Bankettsaal erhob sich zu einer Ovation. Toby blieb bewegungslos auf seinem Stuhl sitzen.

»Steh auf«, flusterte Jill.

Langsam erhob sich Toby, blass und unsicher. Er stand einen Augenblick da, lachelte und ging dann aufs Mikrophon zu. Auf halbem Weg stolperte er und sank bewusstlos zu Boden.

Toby Temple wurde in einer Dusenmaschine der franzosischen Luftwaffe nach Paris geflogen und auf dem schnellsten Weg ins amerikanische Hospital gebracht, wo er auf die Intensivstation gelegt wurde. Die besten Spezialisten Frankreichs wurden gerufen, wahrend Jill in einem Privatzimmer im Hospital sa? und wartete. Sechsunddrei?ig Stunden a? und trank sie nichts und nahm keinen der Telefonanrufe entgegen, die aus allen Teilen der Welt im Hospital einliefen.

Sie sa? da, starrte die Wande an und sah und horte nichts vom geschaftigen Treiben ringsum. Ihre Gedanken waren nur auf das eine gerichtet: Toby musste wieder gesund werden. Toby war ihre Sonne, und wenn die Sonne erlosch, wurde auch der Schatten sterben. Das konnte sie nicht zulassen.

Es war funf Uhr morgens, als Dr. Duclos, der Chefarzt, das Privatzimmer betrat, das Jill sich genommen hatte, um Toby nahe zu sein. »Mrs. Temple – ich furchte, es hat keinen Sinn, das Ungluck zu beschonigen. Ihr Gatte hat einen schweren Schlaganfall erlitten. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird er nie wieder gehen oder sprechen konnen.«

31.

Als man Jill endlich erlaubte, Tobys Krankenzimmer zu betreten, war sie entsetzt uber sein Aussehen. Uber Nacht war Toby alt geworden und geschrumpft, als waren alle seine Lebenssafte aus ihm herausgeflossen. Seine Arme und Beine waren partiell gelahmt, und obgleich er grunzende, tierische Laute von sich geben konnte, war er unfahig zu sprechen.

Es dauerte sechs Wochen, bis die Arzte einem Transport zustimmten. Als Toby und Jill in Kalifornien eintrafen, wurden sie auf dem Flugplatz von Presse und Fernsehen und Hunderten von besorgten Fans umdrangt. Toby Temples Erkrankung war eine Super-Sensation gewesen. Unaufhorlich riefen Freunde und Bekannte an, um sich nach Tobys Befinden und seinen Fortschritten zu erkundigen. Fernsehteams versuchten, ins Haus zu gelangen, um Aufnahmen von ihm zu machen. Es kamen Schreiben vom Prasidenten und von Senatoren und Tausende von Briefen und Postkarten von Verehrern, die Toby Temple liebten und fur ihn beteten.

Aber die Einladungen hatten aufgehort. Niemand rief an, um sich nach Jills Befinden zu erkundigen oder zu fragen, ob sie zu einem gemutlichen Dinner kommen oder irgendwohin fahren oder einen Film sehen wollte. Niemand in Hollywood sorgte sich auch nur im entferntesten um Jill.

Sie hatte Tobys Hausarzt, Dr. Eli Kaplan, kommen lassen, der zwei beruhmte Neurologen hinzugezogen hatte, einen vom UCLA Medical Center und den anderen vom John Hopkins. Ihre Diagnose entsprach der von Dr. Duclos in Paris.

»Es ist wichtig, stets daran zu denken«, sagte Dr. Kaplan zu Jill, »dass Tobys Verstand in keiner Weise gelitten hat. Er kann alles horen und begreifen, was Sie sagen, aber sein Sprechvermogen und seine Bewegungsfunktionen sind beeintrachtigt. Er kann nicht reagieren.«

»Wird – wird er immer so bleiben?«

Dr. Kaplan zogerte. »Es ist unmoglich, eine absolut sichere Prognose zu stellen, aber unserer Meinung nach ist sein Nervensystem zu sehr beschadigt, als dass eine Therapie eine nachhaltige Wirkung haben konnte.«

»Doch Sie wissen es nicht genau.«

»Nein…«

Aber Jill wusste es.

Zusatzlich zu den drei Schwestern, die Toby rund um die Uhr pflegten, lie? Jill jeden Morgen einen Heilgymnastiker kommen, der mit Toby arbeitete. Der Mann trug Toby in den Swimming-pool und hielt ihn in den Armen, vorsichtig die Muskeln und Sehnen streckend, wahrend Toby im warmen Wasser schwach mit den Beinen zu sto?en und die Arme zu bewegen versuchte. Es war kein Fortschritt zu erkennen. In der vierten Woche wurde eine Sprach-Therapeutin engagiert. Sie kam jeden Nachmittag eine Stunde und versuchte, Toby wieder das Sprechen beizubringen.

Nach zwei Monaten konnte Jill keine Anderung feststellen. Nicht die geringste. Sie lie? Dr. Kaplan kommen.

»Sie mussen etwas tun, um ihm zu helfen«, verlangte sie. »Sie konnen ihn nicht in diesem Zustand lassen.«

Er blickte sie hilflos an. »Es tut mir leid, Jill. Ich habe versucht, Ihnen zu erklaren…«

Jill sa? noch lange, nachdem Dr. Kaplan gegangen war, allein in der Bibliothek. Einer ihrer heftigen Kopfschmerzanfalle setzte wieder ein, aber sie hatte keine Zeit, jetzt an sich zu denken. Sie ging zu Toby hinauf.

Er sa? aufgestutzt im Bett und starrte ins Leere. Als Jill auf ihn zuging, leuchteten Tobys tiefblaue Augen auf. Sie folgten Jill hell und lebendig, als sie an sein Bett trat und auf ihn hinunterblickte. Er bewegte die Lippen, und ein unverstandlicher Laut kam heraus. Tranen der Enttauschung stiegen ihm in die Augen. Jill erinnerte sich an Dr. Kaplans Worte: Es ist wichtig, stets daran zu denken, dass Tobys Verstand in keiner Weise gelitten hat.

Jill setzte sich auf die Bettkante. »Toby, ich mochte, dass du mir zuhorst. Du wirst aus diesem Bett aufstehen. Du wirst wieder gehen, und du wirst wieder sprechen.« Tranen rannen ihm uber die Wangen. »Du

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