Verzweiflung.

Toby sagte: »Hor zu, Liebling, mach dir keine Sorgen. Winters wei? nicht, wovon er redet.«

O ja, er wusste es! Sie wurde es nicht schaffen. All die Qual und der Schmerz und die Hoffnung waren umsonst gewesen. Es war, als ob ihre Mutter Recht behalten hatte und ein rachender Gott Jill fur etwas strafte, von dem sie nicht wusste, was es war. Sie konnte den Prediger schreien horen: Seht ihr dieses kleine Madchen? Es wird fur seine Sunden in der Holle brennen, wenn es seine Seele nicht Gott anempfiehlt und bereut. Sie war voll guten Willens und mit vielen Traumen in diese Stadt gekommen, und die Stadt hatte sie gedemutigt.

Sie wurde von unertraglicher Trauer uberwaltigt und war sich nicht bewusst, dass sie schluchzte, bis sie Toby s Arm um sich fuhlte.

»Seht! Es ist ja alles in Ordnung«, sagte er, und seine Sanftmut bewirkte, dass sie noch mehr weinte.

Und wahrend er sie in den Armen hielt, erzahlte sie ihm davon, dass ihr Vater gestorben war, als sie geboren wurde, und von dem goldenen Pokal und den Missionsabenden und den Kopfschmerzen und den mit Entsetzen erfullten Nachten, wahrend sie darauf wartete, dass Gott sie erschlug. Sie erzahlte ihm von den unzahligen trostlosen Jobs, die sie angenommen hatte, um Schauspielerin zu werden, und von den Serien von Niederlagen. Ein tiefverwurzelter Instinkt hinderte sie, die Manner in ihrem Leben zu erwahnen. Obgleich sie angefangen hatte, mit Toby ein Spiel zu spielen, war sie jetzt jenseits aller Arglist. In diesem Augenblick tiefsten Verletztseins drang sie zu ihm durch. Sie beruhrte eine tief in ihm verborgene Saite, die kein anderer je angeschlagen hatte.

Er trocknete ihre Tranen mit seinem Taschentuch. »Ja, wenn du glaubst, dass du es schwer gehabt hast«, sagte er, »dann hor dir das an. Mein Alter war Fleischer und…«

Sie unterhielten sich bis drei Uhr morgens. Es war das erstemal in seinem Leben, dass Toby mit einer Frau wie mit einem menschlichen Wesen sprach. Er verstand sie. Wie konnte er sie nicht verstehen; sie war wie er.

Keiner von ihnen wusste, wer den ersten Schritt getan hatte. Was als ein sanfter Versuch des Trostens begonnen hatte, wurde langsam zu sinnlichem, animalischem Begehren. Sie kussten sich gierig, und er hielt sie fest. Sie konnte seine Mannlichkeit an sich spuren. Sie verlangte nach ihm, und er zog sie aus, und sie half ihm, und dann war er nackt in der Dunkelheit neben ihr, und es war ein Drangen in ihnen beiden. Sie legten sich auf den Boden. Toby drang in sie ein, und Jill stohnte uber seine Gro?e, und Toby fing schon an, sich zuruckzuziehen. Aber sie zog ihn dichter an sich heran und hielt ihn fest. Er umarmte sie, fullte sie vollig aus. Er war sanft und liebevoll, fuhrte sie von einem Hohepunkt zum anderen, und Jill schrie: »Liebe mich, Toby! Liebe mich, liebe mich!« Sein zuckender Korper war auf ihr und in ihr, war Teil von ihr, und sie waren eins.

Sie liebten sich die ganze Nacht und unterhielten sich und lachten, und es war, als hatten sie immer zueinander gehort.

Wenn Toby schon vorher geglaubt hatte, Jill gern zu haben, so war er jetzt geradezu verruckt nach ihr. Sie lagen im Bett, und er hielt sie schutzend in den Armen, und er dachte erstaunt: So also ist Liebe. Er drehte sich um und blickte sie an. Sie sah warm und zerzaust aus und war atemberaubend schon, und er hatte nie jemanden so sehr geliebt. Er sagte: »Ich mochte dich heiraten.«

Es war die naturlichste Sache der Welt.

Sie druckte ihn zartlich an sich und sagte: »O ja, Toby.« Sie liebte ihn und wurde ihn heiraten.

Und erst nach Stunden erinnerte sich Jill, warum all dies uberhaupt angefangen hatte. Sie hatte Tobys Macht gewollt. Sie hatte es allen Leuten heimzahlen wollen, die sie ausgenutzt, verletzt, erniedrigt hatten. Sie hatte Rache gewollt.

Jetzt wurde sie sie bekommen.

27.

Clifton Lawrence war in Schwierigkeiten. Er nahm an, dass es irgendwie seine eigene Schuld war; er hatte die Dinge zu weit treiben lassen. Er sa? an Tobys Bar, und Toby sagte: »Ich habe ihr heute morgen einen Heiratsantrag gemacht, Cliff, und sie hat ja gesagt. Ich komme mir wie ein sechzehnjahriger Junge vor.«

Clifton versuchte, seinen Schock nicht sichtbar werden zu lassen. Er musste diese Angelegenheit au?erordentlich behutsam behandeln. Eines aber wusste er: Er konnte dieses kleine Luder nicht Toby Temple heiraten lassen. In dem Augenblick, in dem das Aufgebot erschien, wurde jeder Schwanz in Hollywood aus dem Balkenwerk kriechen und melden, dass er zuerst da hineingekommen sei. Es war ein Wunder, dass Toby noch nichts uber Jill erfahren hatte, aber es konnte ihm nicht fur alle Zeiten verborgen bleiben. Wenn er die Wahrheit erfuhre, wurde Toby morden. Er wurde auf jeden in seiner Nahe einschlagen, auf jeden, der erlaubt hatte, dass ihm dies widerfuhr, und Clifton Lawrence ware der erste, der die volle Wucht seines Zorns zu spuren bekame. Nein, Clifton konnte diese Heirat nicht zulassen. Er fuhlte sich versucht, darauf hinzuweisen, dass Toby zwanzig Jahre alter als Jill war, aber er hielt an sich. Er blickte zu Toby hinuber und sagte vorsichtig: »Es ware vielleicht nicht gut, die Dinge zu ubersturzen. Es braucht eine gewisse Zeit, einen Menschen wirklich kennenzulernen. Vielleicht andern Sie Ihre -«

Toby schob das beiseite. »Sie werden mein Trauzeuge sein. Glauben Sie, wir sollten die Hochzeit hier oder in Las Vegas stattfinden lassen?«

Clifton wusste, dass er in den Wind redete. Es gab nur eine Moglichkeit, diese Katastrophe zu verhindern. Er musste einen Weg finden, Jill zu bremsen.

Am selben Nachmittag rief der kleine Agent Jill an und bat sie, in sein Buro zu kommen. Sie kam eine Stunde zu spat, lie? sich auf die Wange kussen, setzte sich auf den Rand der Couch und sagte: »Ich habe nicht viel Zeit. Ich bin mit Toby verabredet.«

»Es wird nicht lange dauern.«

Clifton musterte sie. Das war eine andere Jill. Sie hatte beinahe keine Ahnlichkeit mehr mit dem Madchen, das er vor ein paar Monaten kennengelernt hatte. Sie besa? jetzt ein Selbstvertrauen, eine Selbstsicherheit, die sie fruher nicht gehabt hatte. Nun, er hatte mit solchen Madchen mehr als einmal zu tun gehabt.

»Jill, ich will mit offenen Karten spielen«, sagte Clifton. »Sie sind eine Gefahr fur Toby. Ich mochte, dass Sie aus Hollywood verschwinden.« Er nahm einen wei?en Umschlag aus einer Schublade. »Hier sind funftausend Dollar in bar. Das ist genug, um uberall hinzugelangen, wohin Sie wollen.«

Sie starrte ihn einen Augenblick an, einen uberraschten Ausdruck auf dem Gesicht, dann lehnte sie sich auf der Couch zuruck und lachte.

»Ich scherze nicht«, sagte Clifton Lawrence. »Glauben Sie, dass Toby Sie heiraten wurde, wenn er herausfande, dass Sie mit allen und jedem in der Stadt ins Bett gegangen sind?«

Sie blickte Clifton einen langen Augenblick an. Sie hatte ihm gern gesagt, dass er fur alles, was ihr passiert war, die Verantwortung trug. Er und alle die anderen Leute an der Macht, die es abgelehnt hatten, ihr eine Chance zu geben. Sie hatten sie gezwungen, mit ihrem Korper, ihrem Stolz, ihrer Seele zu bezahlen. Aber sie wusste, er wurde sie nie verstehen. Er versuchte, sie zu bluffen. Er wurde es nicht wagen, Toby etwas uber sie zu erzahlen; sein Wort wurde gegen das ihre stehen.

Jill erhob sich und ging.

Eine Stunde spater erhielt Clifton einen Anruf von Toby.

Clifton hatte Toby noch nie so aufgeregt gehort. »Ich wei? nicht, was Sie Jill gesagt haben, Mann, aber ich muss es Ihnen zuschreiben - sie will nicht warten. Wir sind im Begriff, nach Las Vegas zu fliegen, um zu heiraten!«

Der Lear-Jet war funfunddrei?ig Meilen vom Los Angeles International Airport entfernt und machte 250 Meilen. David Kenyon nahm Kontakt mit der LAX Anflug-Kontrolle auf und gab ihr seine Position durch.

David war bester Laune. Er war auf dem Weg zu Jill.

Cissy hatte sich von den meisten Verletzungen, die sie sich bei dem Auto-Unfall zugezogen hatte, erholt, aber ihr Gesicht war schlimm zugerichtet worden. David hatte sie zu dem besten Chirurgen der Welt fur plastische Operationen geschickt, einem Arzt in Brasilien. Sie war sechs Wochen weg, und in dieser Zeit hatte sie ihm gluhende Berichte uber den Arzt geschickt.

Vor vierundzwanzig Stunden hatte Cissy ihn angerufen und ihm mitgeteilt, dass sie nicht zuruckkehren wurde. Sie hatte sich verliebt.

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