Man begann mit der Arbeit. Die Probe verlief ungewohnlich glatt, und Durkin merkte schnell, weshalb. Toby wollte Jill imponieren. Er hatte jedes andere Madchen in der Show aufs Kreuz gelegt, und Jill bedeutete eine neue Herausforderung fur ihn.
Der Sketch, den Toby mit Jill spielte, war der Hohepunkt der Show. Toby fugte fur Jill ein paar zusatzliche komische Zeilen ein. Nach der Probe sagte er zu ihr: »Wie war's mit einem Drink?«
»Herzlichen Dank, ich trinke nicht.« Jill lachelte und verschwand.
Sie hatte eine Verabredung mit einem Besetzungschef, und das war wichtiger als Toby Temple. Der war eine Eintagsfliege. Ein Besetzungschef dagegen bedeutete regelma?ige Beschaftigung.
Als die Show an jenem Abend gesendet wurde, war sie ein Riesenerfolg, eine der besten, die Toby Temple je gemacht hatte.
»Wieder ein Wurf«, sagte Clifton zu Toby. »Dieser Astronauten-Sketch war erstklassig.«
Toby grinste. »Yeah. Mir gefallt das Huhnchen darin. Die hat was Besonderes.«
»Sie ist hubsch«, bestatigte Clifton. Jede Woche gab es ein anderes Madchen. Alle hatten was Besonderes, und alle gingen mit Toby ins Bett und waren am nachsten Tag vergessen.
»Arrangieren Sie ein Abendessen fur uns drei, Cliff.«
Es war keine Bitte. Es war ein Befehl. Vor einigen Jahren noch hatte
Clifton Toby geantwortet, er solle sich selbst darum kummern. Doch heute war das anders. Wenn Toby etwas von einem verlangte, tat man es. Er war ein Konig, und dies war sein Konigreich, und wer nicht ausgesto?en werden wollte, musste sich seine Gunst erhalten.
»Klar, Toby«, sagte Clifton. »Ich werde es arrangieren.«
Clifton ging durch den Flur zur Garderobe, wo die Tanzerinnen und Schauspielerinnen sich umzogen. Er klopfte einmal an und trat ein. Im Raum befand sich ein Dutzend mehr oder weniger bekleidete Madchen. Sie erwiderten seinen Gru?, schenkten ihm aber weiter keine Aufmerksamkeit. Jill hatte sich abgeschminkt und zog gerade ihren Mantel an. Clifton ging auf sie zu. »Sie waren sehr gut«, sagte er.
Jill warf ihm im Spiegel einen uninteressierten Blick zu. »Danke.« Es hatte eine Zeit gegeben, da es aufregend gewesen ware, Clifton Lawrence so nahe zu sein. Er hatte ihr jede Tur in Hollywood offnen konnen. Jetzt aber wusste jeder, dass er nur noch Toby Temples Handlanger war.
»Ich habe eine gute Nachricht fur Sie. Mr. Temple mochte mit Ihnen zu Abend essen.«
Jill strich sich mit den Fingerspitzen durchs Haar und sagte: »Bestellen Sie ihm, dass ich mude bin. Ich gehe schlafen.« Und sie ging hinaus.
Das Essen an jenem Abend war hochst trubselig. Toby, Clifton Lawrence und Durkin, der Regisseur, sa?en im La Rue in einer der Nischen. Durkin hatte vorgeschlagen, ein paar Madchen aus der Show einzuladen, aber Toby hatte das wutend abgelehnt.
Der Kellner fragte: »Mochten Sie etwas bestellen, Mr. Temple?«
Toby wies auf Clifton und antwortete: »Ja. Bringen Sie dem Idioten dort eine Portion Zunge.«
Clifton stimmte in das Gelachter der anderen ein, um so zu tun, als handele es sich um einen Scherz.
Toby fuhr ihn an: »Ich habe Sie um die einfachste Sache der Welt gebeten: ein Madchen zum Essen einzuladen. Wer hat Sie gehei?en, sie zu verscheuchen?«
»Sie war mude«, erklarte Clifton. »Sie sagte -«
»Kein Weibsbild ist zu mude, um mit mir zu essen. Sie mussen etwas gesagt haben, was sie in Rage gebracht hat.« Toby hatte seine Stimme erhoben. Die Leute in der benachbarten Nische starrten zu ihnen heruber. Toby schenkte ihnen sein jungenhaftes Lacheln und sagte: »Das ist ein Abschiedsessen, Herrschaften.« Er zeigte auf Clif-ton. »Er hat sein Gehirn dem Zoo gespendet.«
Gelachter klang heruber. Clifton zwang sich zu einem Grinsen, aber unter dem Tisch hatte er seine Hande zu Fausten geballt.
»Wollen Sie wissen, wie dumm er ist?« fragte Toby. »In Polen erzahlt man sich Witze uber ihn.«
Das Gelachter schwoll an. Clifton ware am liebsten aufgestanden und gegangen, doch er wagte es nicht. Durkin sa? besturzt da, war aber klug genug, nichts zu sagen. Toby hatte jetzt die Aufmerksamkeit mehrerer benachbarter Nischen auf sich gezogen. Er hob wieder die Stimme und setzte dazu sein bezauberndstes Lacheln auf. »Cliff Lawrence hat seine Dummheit redlich verdient. Als er geboren wurde, hatten seine Eltern einen machtigen Streit seinetwegen. Seine Mutter behauptete, er sei nicht ihr Kind.«
Glucklicherweise ging der Abend schlie?lich zu Ende. Doch schon am nachsten Morgen wurden in der ganzen Stadt Clifton-Lawrence-Geschichten kursieren.
In jener Nacht lag Clifton Lawrence schlaflos im Bett. Er fragte sich, warum er es geduldet hatte, dass Toby ihn so demutigte. Die Antwort war einfach genug: Geld. Tobys Einnahmen brachten ihm jahrlich mehr als eine viertel Million Dollar. Cliftons Lebensstil war teuer und aufwendig, und er hatte nicht einen Cent gespart. Da er keine anderen Klienten mehr hatte, brauchte er Toby. Das war der springende Punkt. Toby wusste das, und Clifton zu qualen war fur ihn ein Sport geworden. Clifton musste aussteigen, ehe es zu spat war.
Aber er wusste, dass es bereits zu spat war.
In diese Lage war er durch seine Zuneigung zu Toby geraten: er hatte ihn wirklich sehr gern gehabt. Er hatte miterlebt, wie Toby andere vernichtete – Frauen, die sich in ihn verliebt hatten; Komiker, die mit ihm konkurrieren wollten; Kritiker, die ihn verrissen. Doch das waren immer die anderen gewesen. Clifton hatte nie geglaubt, dass Toby sich auch auf ihn sturzen wurde. Sie standen sich einfach zu nahe, Clifton hatte zu viel fur ihn getan. ,
Aber er furchtete sich vor dem Gedanken, was die Zukunft fur ihn bereithalten mochte.
Normalerweise hatte Toby Jill Castle keines zweiten Blickes mehr gewurdigt. Aber Toby war es nicht gewohnt, dass man ihm etwas verweigerte, was er haben wollte. Jills abschlagige Antwort sa? wie ein Stachel in ihm. Er lud sie erneut zum Essen ein. Als sie wieder ablehnte, tat Toby das als dummes Spiel ab und beschloss, sie zu vergessen. Nun war es aber so, dass Jill Toby nie hatte tauschen konnen, wenn es wirklich ein Spiel gewesen ware, weil Toby die Frauen zu gut kannte. Nein, er vermutete, dass Jill tatsachlich nicht mit ihm ausgehen wollte, und dieser Gedanke fra? an ihm. Er konnte sie nicht aus seinen Gedanken verbannen.
Beilaufig erwahnte Toby Eddie Berrigan gegenuber, dass es vielleicht ein guter Gedanke ware, Jill Castle in der nachsten Show wieder einzusetzen. Eddie rief sie an. Sie sagte ihm, sie hatte eine Nebenrolle in einem Western angenommen. Als Eddie das Toby mitteilte, war der Komiker au?er sich.
»Sagen Sie ihr, sie soll alles absagen, ganz egal, was«, fuhr er ihn an. »Wir werden ihr mehr bezahlen. Um Himmels willen, das ist die Fernsehshow Nummer eins! Was ist los mit diesem damlichen Weibsbild?«
Eddie rief Jill wieder an und sagte ihr, was Toby meinte. »Er mochte Sie unbedingt wieder in seiner Show haben, Jill. Konnen Sie das einrichten?«
»Tut mir leid«, erwiderte Jill. »Ich habe einen Vertrag mit Universal. Aus dem komme ich nicht heraus.«
Sie wurde es auch gar nicht versuchen. Eine Schauspielerin kam in Hollywood nicht voran, wenn sie aus einem Vertrag ausstieg. Toby Temples Show bedeutete fur Jill lediglich eine Eintagsfliege. Am nachsten Abend rief der Gro?e Mann sie hochstpersonlich an. Seine Stimme klang warm und verfuhrerisch.
»Jill? Hier ist Ihr kleiner alter Co-Star, Toby.«
»Hallo, Mr. Temple.«
»Ach-, lassen Sie das! Was soll der Mister-Quatsch?« Keine Antwort. »Mogen Sie Baseball?« fragte Toby. »Ich habe Logenplatze.«
»Nein.«
»Ich auch nicht«, sagte er lachend. »Das war nur eine Testfrage. Horen Sie, wie war's mit einem Dinner am Sonnabendabend bei mir? Ich habe den Chefkoch vom Pariser Maxim anheuern konnen. Er -«
»Tut mir leid. Ich habe eine Verabredung, Mr. Temple.« Nicht eine Andeutung von Interesse war in ihrer Stimme.
Toby merkte, dass er den Horer fester packte. »Und wann haben Sie mal Zeit?«
»Ich bin ein schwer arbeitendes Madchen. Ich gehe kaum aus. Trotzdem danke fur die Einladung.«
Und die Leitung war tot. Die Kanaille hatte aufgelegt – eine miese kleine Komparsin hatte ein Gesprach mit Toby Temple abgebrochen. Keine einzige der Frauen, die Toby Temple kannte, hatte nicht ein Jahr ihres Lebens hingegeben, um eine Nacht mit ihm zu verbringen, und dieses dumme Miststuck hatte ihn abblitzen lassen! Er war au?er sich vor Wut, und er lie? sie an jedem in seiner Umgebung aus. Nichts war ihm recht. Das Drehbuch war zum Kotzen, der Regisseur war ein Idiot, die Musik war entsetzlich und die Schauspieler miserabel. Er beorderte