Kapper seinen Rei?verschluss hoch.

»Du warst sensationell, Liebling. Diese Schreie bringen mich richtig in Fahrt.«

Und Jill fragte sich, was fur ein Ungeheuer er sein wurde, wenn er neunzehn war.

Er sah, dass sie blutete. »Mach dich sauber und komm zum Studio zwolf hinuber. Heute nachmittag geht's los.«

Nach dieser ersten Erfahrung war das ubrige leicht. Jill arbeitete regelma?ig in allen Studios: Warner Brothers, Paramount, MGM, Universal, Columbia, Fox. Wirklich uberall, au?er bei Disney, wo es keinen Sex gab.

Jill bereitete sich auf die Rolle, die sie im Bett spielte, so ernsthaft vor, als ware es eine Hauptrolle in einem Film. Sie las Bucher uber orientalische Erotik und kaufte Liebestranke und Reizmittel in einem Sex-Laden am Santa Monica Boulevard. Sie benutzte eine Lotion, die ihr eine Stewarde? aus dem Orient mitbrachte, mit einem Hauch von Immergrun darin. Sie lernte, ihre Liebhaber langsam und sinnlich zu massieren. Sie rieb die Lotion in die Brust ihres Partners und uber seinen Magen hinunter in die Leistengegend ein, machte sanft kreisende Bewegungen. »Schlie? die Augen und entspanne dich«, flusterte sie.

Ihre Finger waren so leicht wie Schmetterlingsflugel, bewegten sich an seinem Korper hinunter und liebkosten ihn. Sobald er eine Erektion bekam, nahm Jill das anschwellende Glied in die Hand und streichelte es sanft, strich mit ihrer Zunge zwischen seinen Beinen hinunter, bis er sich vor Wollust wand, und wanderte langsam bis zu seinen Zehen hinunter. Dann drehte Jill ihn herum, und alles fing von vorn an. War das Glied eines Mannes schlaff, fuhrte sie es sanft zwischen die Lippen ihrer Scheide und fuhlte es hart und steif werden. Sie brachte den Mannern bei, wie sie kurz vor dem Orgasmus aufhoren und erneut einen Hohepunkt erreichen konnten, so dass ihr Orgasmus schlie?lich wie eine Explosion kam. Sie hatten ihr Vergnugen, zogen sich an und gingen. Keiner blieb lange genug, um ihr die schonsten funf Minuten des Liebesspiels zu geben, die Ruhe danach, den friedlichen Ausklang in den Armen eines Geliebten.

Eine Rolle fur Jill war ein geringer Preis in Anbetracht des Vergnugens, das sie den entscheidenden Mannern, den Regieassistenten, den Regisseuren und den Produzenten, bot. In der ganzen Stadt war sie als »hei?e Ware« bekannt, und jeder wollte seinen Teil davon haben. Und Jill gab ihn. Jedesmal war weniger Selbstachtung und mehr Hass und Verbitterung dabei.

Sie wusste nicht, wie oder wann, aber sie wusste, dass diese Stadt eines Tages fur das bezahlen wurde, was sie ihr angetan hatte.

Im Laufe der nachsten funf Jahre erschien Jill in Dutzenden von Filmen, Fernsehshows und Reklamesendungen. Sie war die Sekretarin, die »Guten Morgen, Mr. Stevens« sagte, und der Babysitter, der sagte: »Machen Sie sich keine Sorgen, genie?en Sie den Abend. Ich bringe die Kinder zu Bett«, und die Fahrstuhlfuhrerin, die meldete: »Sechster Stock«, und das Madchen, das vertraulich mitteilte: »Alle meine Freundinnen benutzen elegante Unterwasche.« Aber etwas wirklich Entscheidendes geschah nicht. Sie war ein namenloses Gesicht in der Menge. Sie war im Geschaft, und doch war sie es nicht, und sie konnte den Gedanken nicht ertragen, dass sie den Rest ihres Lebens so verbringen wurde.

1969 starb Jills Mutter, und Jill fuhr zur Beerdigung nach Odessa. Es war ein Spatnachmittag, und knapp ein Dutzend Leute nahmen an der Feier teil. Keine der Frauen, fur die ihre Mutter die ganzen Jahre gearbeitet hatte, war anwesend. Einige der Trauergaste waren Mitglieder der Erweckungsbewegung. Jill erinnerte sich, wie verangstigt sie bei diesen Versammlungen gewesen war. Aber ihre Mutter hatte einen gewissen Trost darin gefunden.

Eine vertraute Stimme sagte ruhig: »Hallo, Josephine.« Sie drehte sich um, und er stand neben ihr, und sie blickte ihm in die Augen, und es war, als waren sie nie getrennt gewesen, als hatten sie einander immer gehort. Die Jahre hatten seinen Gesichtszugen mehr Reife verliehen, seinen Schlafen eine Spur von Grau hinzugefugt. Aber er hatte sich nicht verandert, war immer noch David, ihr David. Und doch waren sie Fremde.

Er sagte: »Darf ich dir mein Beileid aussprechen.«

Und sie horte sich erwidern: »Danke, David.«

Wie in einem Theaterstuck.

»Ich muss dich sprechen. Konnen wir uns heute abend treffen?« Seine Stimme war ein einziges Flehen.

Sie dachte an ihr letztes Zusammensein und an sein Verlangen und das Versprechen und die Traume. Und sie sagte: »Na gut, David.«

»Am See? Hast du einen Wagen?«

Sie nickte.

»Ich bin in einer Stunde da.«

Cissy stand nackt vor dem Spiegel und wollte sich gerade zu einem Abendessen anziehen, als David nach Hause kam. Er betrat ihr Schlafzimmer und musterte sie. Er konnte seine Frau ganz leidenschaftslos betrachten, denn er empfand nichts fur sie. Sie war schon. Cissy hatte auf ihre Figur geachtet, hatte sie mit Diat und Gymnastik in Form gehalten. Ihr Korper war ihr Aktivposten, und David hatte Grund zu der Annahme, dass sie ihn gro?zugig mit anderen teilte, mit ihrem Golflehrer, ihrem Skilehrer, ihrem Flugausbilder. Aber er konnte ihr keinen Vorwurf machen. Es war schon lange her, dass er mit ihr geschlafen hatte.

Anfangs hatte er wirklich geglaubt, dass sie in eine Scheidung einwilligen wurde, wenn Mama Kenyon starb. Aber seine Mutter lebte immer noch und fuhlte sich wohl. David konnte nicht sagen, ob er uberlistet worden oder ob ein Wunder geschehen war. Ein Jahr nach ihrer Heirat hatte David zu Cissy gesagt: »Ich glaube, wir sollten jetzt uber die Scheidung reden.«

Cissy hatte geantwortet: »Was fur eine Scheidung?« Und als sie sein Erstaunen sah, lachte sie. »Ich bin gerne Mrs. David Kenyon, Liebling. Hast du wirklich geglaubt, ich wurde dich fur diese kleine polnische Hure aufgeben?«

Er hatte sie geohrfeigt.

Am nachsten Tag war er zu seinem Anwalt gegangen. Nachdem David die Situation geschildert hatte, sagte der Anwalt: »Ich kann Ihnen die Scheidung verschaffen. Aber wenn Cissy entschlossen ist, sich nicht von Ihnen zu trennen, David, wird es Sie verdammt teuer zu stehen kommen.«

»Verschaffen Sie sie mir.«

Nachdem Cissy die Scheidungsklage erhalten hatte, schloss sie sich in Davids Badezimmer ein und nahm eine Uberdosis Schlaftabletten.

Es hatte Davids und zweier seiner Diener bedurft, die schwere Tur einzuschlagen. Cissy hatte zwei Tage mit dem Tode gerungen. David hatte sie in dem Privatkrankenhaus besucht, in das sie gebracht worden war.

»Tut mir leid, David«, hatte sie gesagt. »Ich konnte nicht ohne dich leben. So einfach ist das.«

Am nachsten Morgen hatte er die Scheidungsklage zuruckgezogen.

Das war vor fast zehn Jahren gewesen, und Davids Ehe war zu einer Art Waffenstillstand geworden. Er hatte das Kenyon-Imperium ubernommen und verwandte seine ganze Energie auf dessen Leitung. Er fand korperlichen Trost bei einer Kette von Madchen, die er sich in den verschiedenen Stadten der Welt hielt, wohin seine Geschafte ihn fuhrten.

Josephine aber konnte er nicht vergessen.

David hatte keine Ahnung, wie sie uber ihn dachte. Er wollte es wissen, und doch furchtete er sich davor, es herauszufinden. Sie hatte allen Grund, ihn zu hassen. Als er die Nachricht vom Tod ihrer Mutter erhalten hatte, war er zur Beerdigung gegangen, nur um sie zu sehen. Bei ihrem Anblick wusste er, dass sich nichts geandert hatte. Jedenfalls nicht fur ihn. Die Jahre waren in einem Augenblick hinweggefegt, und er liebte sie noch genauso wie damals.

Ich muss dich sprechen… konnen wir uns heute abend treffen… Na gut,

David…

Am See.

Cissy drehte sich um, als sie Davids prufenden Blick im Spiegel bemerkte. »Du solltest dich umziehen, David. Wir kommen zu spat.«

»Ich treffe mich mit Josephine. Wenn sie mich noch will, werde ich sie heiraten. Ich glaube, es ist wirklich an der Zeit, diese Farce zu beenden, findest du nicht auch?«

Sie stand da und sah David an, ihr nackter Korper wurde im Spiegel reflektiert.

»Ich muss mich anziehen«, sagte sie.

David nickte und ging hinaus. Er betrat das gro?e Wohnzimmer, schritt auf und ab und bereitete sich auf

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