Eddie Ber-rigan, den Besetzungschef, in seine Garderobe.

»Was wissen Sie uber Jill Castle?« fragte Toby.

»Nichts«, antwortete Eddie sofort. Er war doch nicht verruckt. Wie jeder Mitwirkende der Show wusste er genau, was los war. Wie immer die Sache ausging, er hatte keine Lust, da hineingezogen zu werden.

»Hurt sie rum?«

»Nein, Sir«, sagte Eddie bestimmt. »Wenn sie es tate, wusste ich's.«

»Holen Sie Erkundigungen uber sie ein«, befahl Toby. »Stellen Sie fest, ob sie einen Freund hat, wo sie sich herumtreibt, was sie tut – Sie wissen schon, was ich meine.«

»Ja, Sir«, erwiderte Eddie angelegentlich.

Um drei Uhr fruh wurde Eddie vom Telefon neben seinem Bett geweckt.

»Was haben Sie herausbekommen?« fragte eine Stimme.

Eddie setzte sich im Bett auf und versuchte, sich wachzublinzeln. »Wer zum Teufel -« Plotzlich ging ihm auf, wer am anderen Ende der Leitung war. »Ich habe mich erkundigt«, sagte er hastig. »Sie hat ein einwandfreies Gesundheitszeugnis.«

»Ich habe Sie nicht nach ihrem verdammten Gesundheitszeugnis gefragt«, fuhr er ihn an. »Hurt sie rum?«

»Nein, Sir. Ganz im Gegenteil. Ich habe mit allen meinen Kollegen in der Branche gesprochen. Alle mogen Jill und verpflichten sie, weil sie eine gro?artige Schauspielerin ist.« Er sprach jetzt schneller, weil er seinen Gesprachspartner unbedingt uberzeugen wollte. Wenn Toby Temple je erfuhr, dass Jill mit Eddie geschlafen hatte – ihn Toby Temple vorgezogen hatte -, ware Eddie fur immer erledigt. Er hatte mit allen ihm bekannten Besetzungschefs gesprochen, und alle waren in derselben Lage wie er. Niemand wollte sich Toby Temple zum Feind machen, und sie waren ubereingekommen zu schweigen. »Sie gibt sich mit niemandem ab.«

Tobys Stimme wurde ruhiger. »Aha. Dann hat sie wohl so 'ne Art Fimmel, was?«

»Sieht so aus«, meinte Eddie erleichtert. »O je! Hoffentlich habe ich Sie nicht aufgeweckt?« »Aber nein, naturlich nicht, Mr. Temple.«

Trotzdem lag Eddie noch lange wach und grubelte daruber nach, was ihm passieren wurde, wenn die Wahrheit jemals herauskame. Denn dies war Toby Temples Stadt.

Toby und Clifton Lawrence a?en Mittag im Hillcrest Country Club. Der Klub war gegrundet worden, weil nur wenige der fuhrenden Landklubs in Los Angeles Juden aufnahmen und die anderen das Verbot der Zulassung so streng einhielten, dass Groucho Marx' zehnjahrige Tochter Me-linda aus dem Swimming-pool eines dieser Klubs herausgeholt worden war, in den eine nichtjudische Freundin sie mitgenommen hatte. Als Groucho das erfuhr, rief er den Manager des Klubs an und sagte: »Horen Sie mal – meine Tochter ist nur Halb-]udin. Wurden Sie ihr erlauben, bis zu den Huften ins Wasser zu gehen?«

Infolge von Zwischenfallen dieser Art grundeten einige wohlhabende Juden, die gern Tennis, Golf und Romme spielten und den Antisemiten eins auswischen wollten, ihren eigenen Klub, zu dem ausschlie?lich Juden als Mitglieder zugelassen wurden. Hillcrest entstand inmitten eines herrlichen Parks, einige Meilen von Beverly Hills entfernt, und wurde rasch fur seine Gastronomie und die anregendste Unterhaltung in der Stadt bekannt. Nicht- Juden drangten sich danach, dort Mitglied zu werden, und mit einer toleranten Geste beschloss der Ausschuss, einige Nicht-Juden in den Klub aufzunehmen.

Toby sa? stets an dem Tisch, an dem die Komiker Hollywoods zusammenkamen, um Witze auszutauschen und sich gegenseitig zu ubertreffen. Heute hatte Toby jedoch andere Dinge im Kopf. Er nahm mit Clifton einen Ecktisch. »Ich brauche Ihren Rat, Cliff«, sagte Toby.

Der kleine Agent warf ihm einen uberraschten Blick zu. Es war lange her, dass Toby ihn um Rat gefragt hatte. »Selbstverstandlich, mein Junge.«

»Es geht um das Madchen«, begann Toby, und Clifton wusste sofort, was kommen wurde. Die halbe Stadt kannte bereits die Geschichte. Es war der gro?te Witz in Hollywood. Einer der Kolumnisten hatte sie sogar anonym glossiert. Toby hatte es gelesen und geau?ert: »Wer mag dieser Schmierfink sein?« Der gro?e Liebhaber war an einem Madchen in der Stadt hangengeblieben, das ihn abblitzen lie?. Es gab nur eine Moglichkeit, diese Situation zu meistern.

»Jill Castle«, sagte Toby, »erinnern Sie sich an sie? Das junge Ding in der Show.«

»O ja, ein sehr attraktives Madchen. Was fur ein Problem gibt's denn da?«

»Das wei? ich zum Donnerwetter eben nicht«, gestand Toby ein. »Sie scheint was gegen mich zu haben. Jedesmal, wenn ich mich mit ihr verabreden will, gibt sie mir einen Korb. Ich komme mir allmahlich wie der letzte Dreck vor.«

»Warum lassen Sie es dann nicht bleiben?«

»Mann, das ist ja das Verruckte! Ich kann nicht. Unter uns und bei meinem Schwanz gesagt, in meinem ganzen Leben war ich noch nie so scharf auf ein Weibsbild wie jetzt. Ich kann an nichts anderes mehr denken.« Er lachelte beklommen und meinte: »Ich sagte Ihnen ja, es ist verruckt. Sie haben schon manche harte Nuss geknackt, Cliff. Was soll ich tun?«

Einen unbesonnenen Augenblick war Clifton versucht, Toby die Wahrheit zu sagen. Aber er konnte ihm nicht erzahlen, dass sein Traummadchen mit jedem Regieassistenten in der Stadt schlief, der ihr eine kleine Rolle geben konnte. Nicht, wenn er Toby als Klient behalten wollte. »Ich habe eine Idee«, sagte Clifton zogernd. »Meint sie es ernst mit der Schauspielerei?«

»Ja. Sie ist sehr ehrgeizig.«

»Na gut. Dann schicken Sie ihr eine Einladung, die sie annehmen muss.«

»Wie meinen Sie das?«

»Geben Sie eine Party in Ihrem Haus.«

»Ich habe Ihnen doch gerade gesagt, dass sie nicht -«

»Lassen Sie es mich erklaren. Laden Sie Filmbosse, Produzenten, Regisseure ein – Leute, die etwas fur sie tun konnten. Wenn sie als Schauspielerin wirklich etwas erreichen will, wird sie scharf darauf sein, sie

kennenzulernen.«

Toby wahlte ihre Nummer. »Hallo, Jill.«

»Wer ist dort?« fragte sie.

Jeder im Land kannte seine Stimme, und sie fragte!

»Toby. Toby Temple.«

»Oh.« In einem Ton, der gar nichts bedeutete.

»Horen Sie, Jill, ich gebe nachsten Mittwoch abend eine kleine Party in meinem Haus, und es« – er horte, wie sie zu einer Ablehnung ansetzte, und fuhr hastig fort – »es werden Sam Winters, der Leiter von Pan-Pacific, und einige andere Filmbosse und mehrere Produzenten und Regisseure da sein. Ich dachte, es ware wichtig fur Sie, diese Leute kennenzulernen. Werden Sie kommen?«

Nach einer kurzen Pause antwortete Jill Castle: »Mittwoch abend. Ja, ich werde kommen. Danke, Toby.«

Und keiner von beiden wusste, dass es eine »Begegnung in Samarra« war.

Auf der Terrasse spielte ein Orchester, wahrend livrierte Kellner Platten mit Cocktailhappen und Champagner herumreichten.

Als Jill mit funfundvierzigminutiger Verspatung eintraf, eilte Toby an die Tur, um sie zu begru?en. Sie trug ein schlichtes wei?es Seidenkleid, und ihr schwarzes Haar fiel sanft auf ihre Schultern. Sie sah hinrei?end aus. Toby konnte die Augen nicht von ihr lassen. Jill wusste, dass sie schon aussah. Sie hatte ihr Haar gewaschen, sich besonders sorgfaltig zurechtgemacht und viel Zeit auf ihr Make-up verwendet.

»Es sind eine Menge Leute hier, die Sie kennenlernen sollten.« Toby nahm Jill an der Hand und fuhrte sie durch die gro?e Empfangshalle in den Salon. Jill blieb an der Tur stehen und starrte auf die Gaste. Nahezu jedes Gesicht im Raum war ihr vertraut. Sie kannte sie von den Titelblattern von Time und Life und Newsweek und Paris Match und OGGJ oder hatte sie auf der Leinwand oder dem Bildschirm gesehen. Dies war das wahre Hollywood. Dies waren die Filmemacher. Jill hatte es sich tausendmal vorgestellt, mit diesen Leuten zusammenzusein, sich mit ihnen zu unterhalten. Angesichts der Wirklichkeit konnte sie es kaum fassen, dass es tatsachlich eingetreten war.

Toby reichte ihr ein Glas Champagner. Er nahm ihren Arm und fuhrte sie zu einem Mann, der Mittelpunkt einer Gruppe war. »Sam, ich mochte, dass Sie Jill Castle kennenlernen.«

Sam drehte sich um. »Hallo, Jill Castle«, sagte er liebenswurdig.

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