»Nein, danke«, sagte Catherine.

Fraser mixte sich einen Martina, und Catherine ging im Zimmer umher und sah sich die Bucher an. Es waren alles die traditionellen klassischen Titel und dazu eine ganze Auswahl italienischer Bucher und eine Abteilung in Arabisch.

Fraser ging zu ihr hinuber. »Sie sprechen doch nicht Italienisch und Arabisch, oder?« fragte Catherine.

»Doch. Ich lebte ein paar Jahre im Mittleren Osten und lernte Arabisch.«

»Und Italienisch?«

»Ich war mal eine Zeitlang mit einer italienischen Schauspielerin befreundet.«

Sie wurde rot. »Verzeihung, ich wollte nicht neugierig sein.«

Fraser sah sie belustigt an, und Catherine kam sich wie ein Schulmadchen vor. Sie war nicht sicher, ob sie William Fraser hasste oder liebte. Eines war allerdings gewiss. Er war der netteste Mann, den sie je kennen gelernt hatte.

Das Abendessen war vorzuglich. Alle Gerichte waren franzosisch mit wunderbaren Saucen. Der Nachtisch war Cherries Jubilee. Kein Wunder, dass Fraser an drei Morgen in der Woche im Sportklub Gymnastik trieb.

»Wie schmeckt's?« fragte Fraser sie.

»Nicht wie in der Kantine«, sagte sie lachelnd.

Fraser lachte. »Ich muss mal in der Kantine essen.«

»Tat' ich nicht, wenn ich Sie ware.«

Er sah sie an. »So schlecht?«

»Es ist nicht so sehr das Essen, sondern es sind die Madchen. Die wurden uber Sie herfallen.«

»Wie kommen Sie darauf?«

»Sie reden die ganze Zeit von Ihnen.«

»Sie meinen, sie fragen Sie nach mir aus?«

»Worauf Sie sich verlassen konnen«, sagte sie grinsend.

»Ich nehme an, wenn sie genug gefragt haben, sind sie von dem wenigen, das sie erfahren haben, enttauscht.«

Sie schuttelte den Kopf. »Falsch. Ich erfinde alle moglichen Geschichten uber Sie.«

Fraser lehnte sich zuruck, entspannte sich bei einem Cognac. »Was fur Geschichten?«

»Wollen Sie's wirklich horen?«

»Unbedingt.«

»Nun, ich erzahle ihnen, Sie seien ein Ungeheuer und schrieen mich den ganzen Tag an.«

Er grinste. »Nicht den ganzen Tag.«

»Ich erzahle ihnen, Sie seien ganz verruckt aufs Jagen und trugen ein geladenes Gewehr im Buro mit sich herum, wahrend Sie diktieren, und ich hatte dauernd Angst, das Ding gehe los.«

»Das muss sie aber in Spannung halten.«

»Die amusieren sich gro?artig herauszufinden, wer Sie wirklich sind.«

»Haben Sie's schon herausgefunden?« Frasers Ton war jetzt ernst geworden.

Sie sah ihm einen Augenblick in die hellblauen Augen und wandte sich dann ab. »Ich glaube, ja«, sagte sie.

»Wer bin ich?«

Catherine fuhlte eine gewisse Spannung in sich. Die Neckerei war vorbei, und eine neue Note hatte sich in die Unterhaltung geschlichen. Eine erregende Note, eine beunruhigende Note. Sie antwortete nicht.

Fraser sah sie einen Augenblick an und lachelte dann. »Ich bin ein langweiliges Thema. Noch mehr Nachtisch?«

»Nein, danke. Ich werde eine Woche lang nichts mehr essen.«

»Gehen wir an die Arbeit.«

Sie arbeiteten bis Mitternacht, Fraser begleitete Catherine zur Tur, und Talmadge wartete drau?en, um sie zu ihrer Wohnung zuruckzufahren.

Den ganzen Weg nach Hause dachte sie uber Fraser nach. Uber seine Starke, seinen Humor, sein Mitgefuhl. Jemand hatte einmal gesagt, ein Mann musse sehr stark sein, ehe er sich erlauben konne, sanft und gutig zu sein. William Fraser war sehr stark. Dieser Abend war einer der nettesten Abende in Catherines Leben gewesen, und das beunruhigte sie. Sie furchtete, eine dieser eifersuchtigen Sekretarinnen zu werden, die den ganzen Tag im Buro herumsitzen und jedes Madchen, das ihren Chef anruft, hassen. Nun, das wurde ihr nicht passieren. Jedes annehmbare Madchen in Washington warf sich Fraser an den Hals. Dieser Bande wurde sie sich nicht anschlie?en.

Als Catherine nach Hause kam, wartete Susie auf sie. Sie sturzte sich sofort auf Catherine, als sie hereinkam.

»Erzahl, erzahl!« sagte Susie. »Was ist passiert?«

»Nichts ist passiert«, erwiderte Catherine. »Wir haben zusammen Abendbrot gegessen.«

Susie starrte sie unglaubig an. »Hat er dir nicht Avancen gemacht?«

»Nein, naturlich nicht.«

Susie seufzte. »Hatt' ich mir denken konnen. Er hatte Angst.«

»Was meinst du damit?«

»Was ich damit meine, meine Su?e, ist, dass du dich wie die Jungfrau Maria benimmst. Wahrscheinlich hat er Angst gehabt, wenn er dich auch nur anruhre, wurdest du >Vergewaltigung< schreien und sofort in Ohnmacht fallen.«

Catherine spurte, dass sie rot wurde. »So bin ich nicht an ihm interessiert«, sagte sie scharf. »Und ich benehme mich auch nicht wie die Jungfrau Maria.« Ich benehme mich wie die Jungfrau Catherine. Die liebe alte heilige Katharina. Sie hatte blo? ihr heiliges Hauptquartier nach Washington verlegt. Sonst hatte sich nichts geandert. Sie war immer noch in derselben alten Kirche.

In den nachsten sechs Monaten war Fraser ziemlich viel verreist. Er fuhr nach Chicago und San Francisco und nach Europa. Fur Catherine gab es immer genug Arbeit, und doch schien das Buro einsam und leer, wenn Fraser nicht da war.

Unaufhorlich fanden sich interessante Besucher ein, die meisten von ihnen Manner, und Catherine wurde mit Einladungen uberhauft. Sie konnte wahlen zwischen Lunches, Dinners, Reisen nach Europa und dem Bett. Sie nahm keine dieser Einladungen an, teilweise, weil sie an keinem der Manner interessiert war, aber hauptsachlich, weil sie der Meinung war, Fraser wurde es nicht billigen, wenn sie das Geschaftliche mit dem Privatvergnugen vermischte. Falls Fraser sich der dauernden Chancen, die sie ausschlug, bewusst war – er sagte nichts. Am Tag nach dem Abendessen in seinem Haus hatte er ihr Gehalt um zehn Dollar pro Woche aufgebessert.

Catherine schien es, dass in dem Tempo der Stadt ein Wandel eingetreten war. Die Menschen bewegten sich schneller, wurden angespannter, nervoser. Die Schlagzeilen berichteten von einer unaufhorlichen Folge von Invasionen und Krisen in Europa. Der Fall Frankreichs hatte die Amerikaner tiefer beruhrt als die anderen sich schnell entwickelnden Ereignisse in Europa, denn sie fuhlten sich personlich verletzt und vergewaltigt; sie empfanden ihn als einen Verlust der Freiheit in einem Land, das eine der Wiegen der Freiheit war.

Norwegen war gefallen, England kampfte um sein Leben in der Schlacht von Britannien, und ein Pakt zwischen Deutschland, Italien und Japan war geschlossen worden. Das Gefuhl der Unvermeidbarkeit eines Kriegseintritts Amerikas wuchs standig. Eines Tages fragte Catherine Fraser nach seiner Ansicht.

»Ich glaube, es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir hineingezogen werden«, sagte er nachdenklich. »Wenn England Hitler nicht aufhalten kann, werden wir es tun mussen.«

»Aber Senator Borah sagt...«

»Das Symbol von Amerikas Oberen musste ein Vogel Strau? sein«, bemerkte Fraser bose.

»Was werden Sie tun, wenn's Krieg gibt?«

»Ein Held werden«, entgegnete er.

Catherine stellte ihn sich in der Uniform eines in den Krieg ziehenden Offiziers sehr schmuck vor, und sie hasste den Gedanken. Es schien ihr einfach stupide, dass die Menschen in diesem aufgeklarten Zeitalter immer noch glaubten, sie konnten ihre Meinungsverschiedenheiten losen, indem sie sich gegenseitig umbrachten.

»Keine Sorge, Catherine«, sagte Fraser. »Es wird noch eine Weile nichts passieren. Und wenn, werden wir darauf vorbereitet sein.«

»Und was ist mit England?« fragte sie. »Wenn Hitler beschlie?t es anzugreifen, kann es sich gegen ihn zur

Вы читаете Jenseits von Mitternacht
Добавить отзыв
ВСЕ ОТЗЫВЫ О КНИГЕ В ИЗБРАННОЕ

0

Вы можете отметить интересные вам фрагменты текста, которые будут доступны по уникальной ссылке в адресной строке браузера.

Отметить Добавить цитату