Wehr setzen? Er hat so viele Panzer und Flugzeuge, und England hat nichts.«
»Die wird es haben«, versicherte Fraser ihr. »Sehr bald.«
Dann hatte er das Thema gewechselt, und sie waren wieder an die Arbeit gegangen.
Eine Woche spater kundigten die Balkenuberschriften der Zeitungen Roosevelts neuen Gedanken von dem Leih-Pacht-Verfahren an. Fraser hatte also davon gewusst und hatte versucht, sie zu beruhigen, ohne irgendwelche Informationen zu enthullen.
Die Wochen verstrichen schnell. Gelegentlich nahm Catherine eine Einladung an, aber jedes Mal stellte sie fest, dass sie ihren Begleiter mit William Fraser verglich, und sie fragte sich, warum sie uberhaupt noch mit jemandem ausging. Sie war sich im klaren, dass sie sich in eine schlechte Gefuhlslage manovriert hatte, wusste aber nicht, wie sie wieder herauskommen sollte. Sie sagte sich, sie sei von Fraser nur betort und wurde es uberwinden. Inzwischen jedoch hinderten ihre Gefuhle sie, an der Gesellschaft anderer Manner Gefallen zu finden, weil sie alle so weit hinter ihm zuruckblieben.
Eines Abends arbeitete Catherine noch im Buro. Unerwartet kam Fraser nach einem Theaterbesuch ins Buro zuruck. Sie blickte verblufft auf, als er eintrat.
»Was zum Donnerwetter haben wir denn hier?« brummte er. »Ein Sklavenschiff?«
»Ich wollte diesen Bericht fertig schreiben«, sagte sie, »damit Sie ihn morgen nach San Francisco mitnehmen konnen.«
»Sie hatten ihn mir mit der Post schicken konnen«, entgegnete er. Er setzte sich in einen Stuhl Catherine gegenuber und musterte sie. »Haben Sie nichts Besseres mit Ihren Abenden anzufangen, als langweilige Berichte zu schreiben?«
»Zufallig bin ich heute Abend frei.«
Fraser lehnte sich zuruck, faltete die Hande, legte sie unters Kinn und starrte sie an. »Erinnern Sie sich, was Sie sagten, als Sie zum ersten Mal in dieses Buro traten?«
»Ach, ich sagte eine Menge Unsinn.«
»Sie sagten, Sie wollten nicht meine Sekretarin, sondern meine Assistentin werden.«
Sie lachelte. »Ich wusste es noch nicht besser.«
»Jetzt wissen Sie's.«
Sie blickte erstaunt auf. »Ich verstehe nicht.«
»Ganz einfach, Catherine«, sagte er ruhig. »In den letzten drei Monaten sind Sie in Wirklichkeit meine Assistentin gewesen. Jetzt werde ich es offiziell bestatigen.«
Sie sah ihn unglaubig an. »Sind Sie sicher, dass Sie ... ?«
»Ich habe Ihnen den Titel oder eine Gehaltserhohung nicht fruher gegeben, weil ich Sie nicht erschrecken wollte. Aber jetzt wissen Sie, dass Sie's konnen.«
»Ich wei? nicht, was ich sagen soll«, stammelte Catherine. »Ich – Sie werden es nicht bereuen, Mr. Fraser.«
»Ich bereue es bereits. Meine Assistentinnen nennen mich immer Bill.«
»Bill.«
Als Catherine spater in jener Nacht im Bett lag, erinnerte sie sich, wie er sie angesehen hatte und welche Gefuhle er bei ihr erweckt hatte, und es dauerte lange, bis sie endlich einschlafen konnte.
Catherine hatte ihrem Vater mehrere Male geschrieben und angefragt, wann er sie in Washington besuchen werde. Sie wollte ihm die Stadt zeigen und ihn ihren Freunden und Bill Fraser vorstellen. Auf ihre letzten beiden Briefe hatte sie keine Antwort erhalten. Besorgt rief sie ihren Onkel an. Ihr Onkel war am Apparat.
»Cathy! Ich – ich wollte dich gerade anrufen.«
Catherines Herz sank.
»Wie geht es Vater?«
Es entstand eine kurze Pause.
»Er hat einen Schlaganfall gehabt. Ich wollte dich schon fruher anrufen, aber dein Vater bat mich zu warten, bis es ihm besser ginge.«
Catherine hielt den Horer fest.
»Geht es ihm besser?«
»Ich furchte nein, Cathy«, sagte die Stimme ihres Onkels. »Er ist gelahmt.«
»Ich komme sofort!« sagte Catherine.
Sie ging zu Bill Fraser hinein und teilte ihm die Nachricht mit.
»Es tut mir leid«, sagte Fraser. »Was kann ich fur Sie tun?«
»Ich wei? nicht. Ich mochte sofort hinfliegen, Bill.«
»Naturlich.« Er hob den Horer und tatigte einige Anrufe. Sein Chauffeur fuhr Catherine zu ihrer Wohnung, und sie packte schnell ein paar Kleider in ein Kofferchen. Dann brachte er sie zum Flughafen, wo Fraser ihr einen Platz in einem Flugzeug gebucht hatte.
Als die Maschine auf dem Flughafen Omaha landete, waren Catherines Tante und Onkel da, um sie abzuholen. Ein Blick in ihre Gesichter sagte ihr, dass sie zu spat kam. Sie fuhren schweigend ins Beerdigungsinstitut, und als Catherine in das Haus trat, war sie von einem unbeschreiblichen Gefuhl des Verlorenseins, der Einsamkeit erfullt. Ein Teil von ihr war gestorben und konnte nie mehr zum Leben erweckt werden. Sie wurde in eine kleine Kapelle gefuhrt. Ihr Vater lag in einem einfachen Sarg, in seinen besten Anzug gekleidet. Die Zeit hatte ihn zusammenschrumpfen lassen, als ob die dauernde Abnutzung des Lebens ihn zermurbt und kleiner gemacht hatte. Ihr Onkel hatte Catherine die personliche Habe ihres Vaters ausgehandigt, was er in seinem Leben gesammelt und sich bewahrt hatte. Sie bestand aus funfzig Dollar in bar, einigen alten Fotos, einigen quittierten Rechnungen, einer Armbanduhr, einem angelaufenen silbernen Taschenmesser und einer Sammlung ihrer Briefe an ihn, sauber mit einer Schnur zusammengebunden und vom vielen Lesen mit Eselsohren versehen. Es war ein klagliches Erbe, und Catherine brach das Herz. Seine Traume waren so hochfliegend gewesen und seine Erfolge so gering. Sie erinnerte sich, wie lebenslustig und vital er gewesen war, als sie ein kleines Madchen war, erinnerte sich an die Aufregung, wenn er von seinen Reisen nach Hause kam, die Taschen voll Geld und die Arme voller Geschenke. Sie dachte an seine wundervollen Erfindungen, die sich nie ganz realisieren lie?en. Viele Erinnerungen gab es nicht, aber es war alles, was von ihm ubrig blieb. Plotzlich wollte Catherine ihm so vieles sagen, so vieles fur ihn tun; aber es war zu spat.
Sie begruben ihren Vater auf dem kleinen Friedhof neben der Kirche. An sich hatte Catherine vorgehabt, die Nacht bei ihrer Tante und ihrem Onkel zu verbringen und am anderen Tag den nachsten Zug zuruck zu nehmen, aber plotzlich hielt sie es nicht mehr aus, auch nur einen Augenblick langer zu bleiben, rief den Flughafen an und buchte einen Platz im nachsten Flugzeug nach Washington. Bill Fraser holte sie vom Flughafen ab, und es schien fur ihn die naturlichste Sache der Welt, da zu sein, auf sie zu warten und sie zu umsorgen, wenn sie ihn brauchte.
Er fuhr mit Catherine in einen alten Landgasthof in Virginia zum Abendessen und horte aufmerksam zu, als sie ihm von ihrem Vater erzahlte. Mitten in der Erzahlung einer komischen Geschichte uber ihn brach Catherine in Tranen aus, aber seltsamerweise schamte sie sich nicht vor Bill Fraser.
Er schlug vor, dass Catherine einen kurzen Urlaub nahme, aber sie wollte beschaftigt sein, wollte arbeiten, um ihre Gedanken an den Tod ihres Vaters zu verscheuchen. Sie glitt in die Gewohnheit, ein- oder zweimal in der Woche mit Fraser zu Abend zu essen, und Catherine fuhlte sich ihm naher als je.
Es geschah ohne Planen oder Vorbedacht. Sie hatten im Buro noch bis spat gearbeitet. Catherine prufte einige Papiere nach und fuhlte, dass Bill Fraser hinter ihr stand. Seine Finger beruhrten ihren Nacken, langsam und liebkosend.
»Catherine ...«
Sie drehte sich um und blickte zu ihm auf, und einen Augenblick spater lag sie in seinen Armen. Es war, als hatten sie sich schon tausendmal vorher gekusst, als ware dies ihre Vergangenheit und ihre Zukunft, wohin sie immer gehort hatte.
Es ist so einfach, dachte Catherine. Es ist immer so einfach gewesen, ich habe es blo? nicht gewusst.
»Hol deinen Mantel, Liebling«, sagte Fraser. »Wir fahren heim.«
Im Wagen auf der Fahrt nach Georgetown sa?en sie eng aneinandergedruckt, Fraser hatte den Arm um Catherine gelegt, sanft und beschutzend. Ein solches Gluck hatte sie noch nie empfunden. Sie war sicher, dass sie ihn liebte, und es spielte keine Rolle, wenn er sie nicht liebte. Er hatte sie gern, und sie wurde sich damit begnugen. Wenn sie daran dachte, womit sie sich fruher begnugt hatte – Ron Peterson -, dann schauderte