eine Woche nach London fliegen musse. »Wahrend ich weg bin«, sagte er, »habe ich eine interessante Arbeit fur dich. Unser Buro wurde gebeten, die Dreharbeiten eines Werbefilms fur die Luftwaffe, der in den Metro- Goldwyn-Mayer-Studios in Hollywood produziert wird, zu uberwachen. Ich mochte, dass du diese Sache in meiner Abwesenheit ubernimmst.«

Catherine starrte ihn unglaubig an. »Ich? Ich kann nicht einmal einen Browning laden. Was verstehe ich von einem Lehrfilm?«

»Genauso viel wie jedermann«, grinste Fraser, »es ist alles ziemlich neu fur dich, aber mach dir keine Sorgen. Sie werden einen Produzenten und alles da haben. Die Armee will Schauspieler in dem Film einsetzen.«

»Warum?«

»Ich nehme an, weil sie glauben, die Soldaten wurden sich selbst nicht uberzeugend genug darstellen.«

»Das klingt ganz nach Militar.«

»Ich hatte heute Nachmittag eine lange Unterhaltung mit General Mathews. Er hat das Wort >Glamour< bestimmt hundertmal gebraucht. Das ist es, was sie verkaufen wollen. Sie beginnen gerade eine gro?e Werbekampagne, die sich an die junge mannliche Elite Amerikas wendet. Dies ist der Auftakt dazu.«

»Worin besteht meine Aufgabe?« fragte Catherine.

»Dafur zu sorgen, dass alles glatt lauft. Du hast die endgultige Entscheidung. Dein Flug nach Los Angeles ist fur morgen um 9 Uhr gebucht.«

Catherine nickte. »Ist gut.«

»Wirst du mich vermissen?«

»Du wei?t, dass du mir fehlen wirst«, antwortete sie.

»Ich werde dir ein Geschenk mitbringen.«

»Ich will keine Geschenke. Komm nur gesund zuruck.« Sie zogerte. »Die Lage sieht immer schlechter aus, nicht wahr, Bill?«

Er nickte. »Ja«, sagte er. »Ich glaube, wir werden bald Krieg haben.«

»Wie schrecklich.«

»Es wird noch schrecklicher sein, wenn wir nicht eingreifen«, sagte er ruhig. »England ist wie durch ein Wunder bei Dunkirchen noch einmal davongekommen. Wenn Hitler jetzt beschlie?t, den Kanal zu uberqueren, glaube ich nicht, dass die Briten ihn aufhalten konnen.« Sie tranken ihren Kaffee schweigend zu Ende, und er bezahlte.

»Mochtest du nach Hause kommen und die Nacht mit mir verbringen?« fragte Fraser.

»Nicht heute Abend«, sagte Catherine. »Du musst fruh aufstehen und ich auch.«

»Gut.«

Nachdem er sie an ihrer Wohnung abgesetzt und sie sich zum Schlafengehen fertig gemacht hatte, fragte sich Catherine, warum sie nicht am Vorabend seiner Abreise zu Bill gegangen war.

Sie wusste keine Antwort darauf.

Catherine war in Hollywood aufgewachsen, obgleich sie niemals dort gewesen war. Sie hatte unzahlige Stunden in dunklen Kinos verbracht, verloren in den zauberhaften, von der Filmhauptstadt der Welt fabrizierten Traumen, und sie wurde stets fur die Freude dankbar sein, die ihr diese glucklichen Stunden bereitet hatten.

Als Catherines Flugzeug auf dem Flughafen Burbank landete, war sie ganz aufgeregt. Eine Limousine erwartete sie, um sie zu ihrem Hotel zu bringen. Als sie durch die sonnigen, breiten Stra?en fuhren, waren die Palmen das erste, was Catherine auffiel. Sie hatte uber sie gelesen und Bilder davon gesehen, aber die Wirklichkeit war einfach uberwaltigend. Uberall ragten sie hoch in den Himmel, der untere Teil ihrer schlanken Stamme nackt und der obere Teil uppig und grun. In der Mitte jedes Baumes hing ein zerfranster Ring von Blattwerk, wie ein schmutziger Unterrock unter einem grunen Ballettrockchen, dachte Catherine.

Sie kamen an einem riesigen Gebaude vorbei, das wie eine Fabrik aussah. Ein gro?es Schild uber der Tur trug die Aufschrift: »Warner Bros.« und darunter: »Gute Filme fur gute Burger.« Als der Wagen an dem Tor vorbeifuhr, dachte Catherine an James Cagney in Yankee Doodle Dandy und an Bette Davis in Dark Victory, und sie lachelte glucklich.

Sie kamen an der Hollywood Bowl vorbei, die von au?en enorm wirkte, bogen auf die Highland Avenue ab und fuhren auf dem Hollywood Boulevard nach Westen. Sie passierten das Egyptian Theatre und zwei Hauserblocks weiter westlich das Grauman's Chinese Theatre, und Catherines Stimmung stieg zusehends. Es war, als ob sie zwei alte Freunde wieder sahe. Der Chauffeur schwenkte in den Sunset Boulevard ein und fuhr Richtung Beverly Hills Hotel. »Das Hotel wird Ihnen gefallen, Miss. Es ist eines der besten in der Welt.«

Bestimmt war es eines der schonsten Hotels, die Catherine je gesehen hatte. Es lag nordlich vom Sunset in einem Halbkreis

von schutzenden Palmen und war von gro?en Garten umgeben. Eine anmutige Auffahrt wand sich hinauf zum Vordereingang des Hotels, das in zartem Rosa gehalten war. Ein eifriger junger Manager geleitete Catherine auf ihr Zimmer, das sich als ein luxurioser Bungalow auf dem Gelande hinter dem Hauptgebaude des Hotels entpuppte. Auf dem Tisch befand sich ein Blumenbouquet mit den Empfehlungen des Hotels und ein noch gro?erer, noch schonerer Strau? mit einer Karte, auf der stand: »Ich wunschte, Du warst hier oder ich ware dort, Dein Bill.« Der Manager hatte Catherine drei telefonische Nachrichten ubergeben. Sie waren von Allan Benjamin, der, wie man ihr gesagt hatte, der Produzent des Lehrfilms war. Wahrend Catherine Bills Kartchen las, klingelte das Telefon. Sie rannte darauf zu, nahm den Horer ab und sagte eifrig: »Bill?« Aber es stellte sich heraus, dass es Allan Benjamin war.

»Willkommen in Kalifornien, Miss Alexander«, kam seine Stimme schrill durch den Horer. »Hier Korporal Allan Benjamin, Produzent dieses kleinen Reinfalls.«

Ein Korporal. Sie hatte eher gedacht, man wurde einen Hauptmann oder Oberst damit betrauen.

»Wir beginnen morgen mit der Dreharbeit. Hat man Ihnen gesagt, dass wir Schauspieler statt Soldaten verwenden werden?«

»Ich habe es schon gehort«, erwiderte Catherine.

»Wir beginnen um neun Uhr morgens zu drehen. Wenn Sie um acht Uhr hier sein konnten, hatte ich gerne, dass Sie sich die Burschen einmal ansehen. Sie wissen, was die Luftwaffe haben will.«

»Ist recht«, sagte Catherine schnell. Sie hatte nicht die geringste Ahnung, was die Luftwaffe wollte, aber sie nahm an, es wurde genugen, seinen gesunden Menschenverstand zu gebrauchen und Typen auszuwahlen, die wie Piloten aussahen.

»Ich schicke Ihnen einen Wagen um halb acht Uhr«, sagte die

Stimme. »Man braucht nur eine halbe Stunde zu den MetroStudios. Sie sind in Culver City. Wir treffen uns im Tonstudio 13.«

Es war fast schon vier Uhr morgens, ehe Catherine einschlief, und es schien ihr, dass im selben Moment, in dem sie die Augen schloss, das Telefon lautete und die Zentrale ihr mitteilte, dass eine Limousine auf sie wartete.

Eine halbe Stunde spater befand sich Catherine auf dem Weg zu Metro-Goldwyn-Mayer.

Es war das gro?te Filmstudio der Welt. Da war das Hauptfilmgelande, das aus zweiunddrei?ig Tonstudios und dem riesigen Thalberg-Verwaltungsgebaude bestand, in dem Louis B. Mayer, funfundzwanzig leitende Angestellte und einige der beruhmtesten Regisseure, Produzenten und Schriftsteller des Showgeschafts untergebracht waren. Gelande zwei enthielt die enormen Kulissen fur Au?enaufnahmen, die fortwahrend fur die jeweiligen Dreharbeiten umgearbeitet wurden. Innerhalb von drei Minuten konnte man an den Schweizer Alpen, einer Stadt im Wilden Westen, einem Wohnblock in Manhattan und einem Strand von Hawaii vorbeifahren. Gelande drei, auf der anderen Seite vom Washington Boulevard gelegen, beherbergte Requisiten und Hintergrundkulissen im Wert von Millionen Dollar, die zum Drehen von Freilichtszenen verwendet wurden.

All dies wurde Catherine von ihrer Begleiterin erklart, einem jungen Madchen, deren Aufgabe es war, sie zum Studio 13 zu bringen. »Es ist eine Stadt fur sich«, sagte sie stolz, »wir erzeugen unsere eigene Elektrizitat, verpflegen in unseren Kantinen sechstausend Leute pro Tag und bauen alle unsere Kulissen selbst hinten auf dem Gelande. Wir sind vollig autark. Wir sind auf niemanden angewiesen.«

»Au?er aufs Publikum.«

Als sie die Stra?e entlanggingen, kamen sie an einem schloss vorbei, das aus einer von Pfosten gestutzten Fassade bestand. Gegenuber war ein See, und ein Stuck weiter unten konnte man das Foyer eines Theaters von

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