San Francisco sehen. Nicht das Theater, nur das Foyer.
Catherine lachte laut auf, und das Madchen starrte sie an.
»Stimmt etwas nicht?« fragte sie.
»O doch«, sagte Catherine. »Ich finde alles wunderbar.«
Dutzende von Komparsen gingen die Stra?e entlang, Cowboys und Indianer plauderten auf ihrem Weg zu den Tonstudios freundlich miteinander. Ein Mann tauchte unerwartet hinter einer Ecke auf, und als Catherine einen Schritt zurucktrat, um ihm auszuweichen, sah sie, dass es ein Ritter in Rustung war. Nach ihm kam eine Gruppe von Madchen in Badeanzugen. Catherine stellte fest, dass der kurze Ausflug ins Showgeschaft ihr zu gefallen begann. Sie wunschte, ihr Vater hatte das sehen konnen.
»Hier sind wir«, sagte ihre Begleiterin. Sie standen vor einem riesigen grauen Gebaude. Ein Schild daneben trug die Aufschrift: Studio 13.
»Ich werde Sie hier verlassen. Finden Sie sich zurecht?«
»Sehr gut«, sagte Catherine. »Danke.«
Ihre Begleiterin nickte und ging. Catherine musterte das Tonstudio. Ein Schild uber der Tur gebot: BEI ROTEM LICHT NICHT EINTRETEN. Das Licht war aus, Catherine druckte daher die Klinke herunter und offnete die Tur. Oder versuchte es zumindest. Die Tur war uber Erwarten schwer, und sie brauchte ihre ganze Kraft, um sie aufzukriegen.
Als es ihr endlich gelang, befand sich Catherine einer zweiten Tur gegenuber, genauso schwer und massiv wie die erste. Es war, als ob man eine Unterdruckkammer betrate.
Im Inneren des hohlenartigen Tonstudios rannten Dutzende von Menschen herum, jeder von ihnen schien mit einem geheimnisvollen Botengang beschaftigt. Eine Gruppe von Mannern war in Luftwaffenuniform, und Catherine begriff, dass es die Schauspieler waren, die in dem Film auftreten sollten. In einer entfernten Ecke des Tonstudios war ein komplettes Buro eingerichtet, mit einem Schreibtisch, Stuhlen und einer gro?en militarischen Karte an der Wand. Die Techniker leuchteten die Szene aus.
»Entschuldigung«, sagte sie zu einem Vorubergehenden. »Ist Mr. Allan Benjamin hier?«
»Der kleine Korporal?« Er zeigte hinuber. »Dort.« Catherine drehte sich um und sah einen schmachtigen, gebrechlich wirkenden Mann in einer schlecht sitzenden Uniform mit Korporalsstreifen. Er brullte gerade einen Mann an, der die Sterne eines Generals trug.
»Zum Teufel mit dem Besetzungschef«, schrie er. »Ich stecke bis zum Arsch in Generalen. Ich brauche Korporale.« Er hob verzweifelt die Hande. »Alle wollen Hauptling spielen, niemand will Indianer sein.«
»Entschuldigen Sie«, sagte Catherine. »Ich bin Catherine Alexander.«
»Gott sei Dank!« sagte der kleine Mann. Er wandte sich den anderen zu, und seine Stimme klang erbittert. »Das Herumalbern ist jetzt vorbei, ihr Taugenichtse. Washington ist da.«
Catherine zwinkerte mit den Augen. Bevor sie den Mund auftun konnte, sagte der kleine Korporal: »Ich wei? wirklich nicht, warum ich hier bin. Ich hatte einen Job fur 3500 Dollar im Jahr in Dearborn als Redakteur einer Zeitschrift fur Mobelhandel und wurde zur Nachrichtentruppe eingezogen, um Lehrfilme zu schreiben. Was verstehe ich vom Filmemachen oder Regiefuhren? Das ist der gro?te Sauhaufen, den ich je gesehen habe.« Er rulpste und griff sich an den Magen. »Ich kriege noch ein Magengeschwur«, stohnte er, »und dabei bin ich nicht mal im Showgeschaft. Entschuldigen Sie.«
Er drehte sich um und eilte dem Ausgang zu, Catherine einfach stehen lassend. Sie blickte hilflos um sich. Alle schienen sie anzustarren, in der Erwartung, dass sie etwas tate.
Ein hagerer grauhaariger Mann in einem Pullover kam auf sie zu und lachelte amusiert. »Brauchen Sie Hilfe?« fragte er ruhig.
»Ich brauche ein Wunder«, sagte Catherine ganz offen. »Ich habe die Aufsicht uber das hier und wei? nicht, was ich uberhaupt tun soll.«
Er grinste sie an. »Willkommen in Hollywood. Ich bin Tom O'Brien, der R. A.«
Sie blickte ihn fragend an.
»Der Regie-Assistent. Ihr Freund, der Korporal, sollte die Regie fuhren, aber ich habe das Gefuhl, dass er nicht wiederkommt.« Der Mann strahlte eine ruhige Sicherheit aus, die Catherine gefiel.
»Wie lange arbeiten Sie schon bei der Metro-Goldwyn-Mayer?« fragte sie.
»Funfundzwanzig Jahre.«
»Glauben Sie, dass Sie die Regie dieses Films ubernehmen konnten?«
Sie sah, wie seine Mundwinkel zuckten. »Ich konnte es versuchen«, sagte er nachdenklich. »Ich habe sechs Filme mit Willie Wyler zusammen gemacht.« Seine Augen wurden ernst. »Die Lage ist nicht so schlimm, wie sie aussieht«, sagte er. »Alles, was wir benotigen, ist ein bisschen Organisation. Das Drehbuch ist geschrieben, und die Kulissen sind fertig.«
»Das ist schon ein Anfang«, sagte Catherine. Sie warf einen Blick auf die Uniformen. Die meisten von ihnen sa?en schlecht, und die Manner, die sie trugen, schienen sich darin nicht wohl zu fuhlen.
»Sie sehen wie eine Reklame fur die Marine aus«, bemerkte Catherine.
O'Brien lachte anerkennend.
»Woher stammen diese Uniformen?«
»Wildwestkostume. Unserer Garderobenabteilung sind die Uniformen ausgegangen. Wir drehen gleichzeitig drei Kriegsfilme.« Catherine musterte die Manner mit kritischem Blick. »Nur sechs der Uniformen sehen wirklich schlecht aus«, entschied sie. »Geben wir sie zuruck und versuchen wir, bessere zu bekommen.«
O'Brien nickte zustimmend. »In Ordnung.«
Catherine und O'Brien gingen zu der Gruppe der Komparsen hinuber. Der Larm des Stimmengewirrs in dem riesigen Studio war ohrenbetaubend.
»Ein bisschen leiser, Boys«, schrie O'Brien. »Das ist Miss Alexander. Sie wird die Aufnahmen leiten.«
Man horte ein paar anerkennende Pfiffe und Buh-Rufe.
»Danke«, sagte Catherine lachelnd. »Die meisten von Ihnen sehen gut aus, aber einige werden zur Wildwestabteilung zuruckgehen und sich andere Uniformen verpassen lassen mussen. Stellen Sie sich in einer Reihe auf, damit wir uns Sie besser ansehen konnen.«
»Ich wurde mir gerne Sie besser ansehen. Wo essen Sie heute zu Abend?« rief einer der Manner.
»Ich esse mit meinem Mann«, sagte Catherine, »gleich nach seinem Match.«
O'Brien stellte die Manner in eine unordentliche Reihe. Catherine horte Gelachter und Stimmen in ihrer Nahe und drehte sich unwillig um. Einer der Komparsen stand neben einer Kulisse und sprach mit drei Madchen, die formlich an seinem Mund hingen und hysterisch uber alles, was er sagte, kicherten. Catherine sah einen Augenblick zu, dann ging sie zu dem Mann hinuber und sagte: »Entschuldigen Sie. Wurde es Ihnen etwas ausmachen, sich einzureihen?«
Der Mann drehte sich langsam um. »Sprechen Sie mit mir?« fragte er lassig.
»Ja«, sagte Catherine. »Wir wurden gerne mit unserer Arbeit beginnen.« Sie entfernte sich.
Er flusterte den Madchen etwas zu, die in lautes Gelachter ausbrachen, und folgte dann langsam Catherine. Er war ein hoch gewachsener Mann mit einem schlanken und kraftvollen Korper, und mit seinem blauschwarzen Haar und seinen leidenschaftlichen Augen sah er sehr gut aus. Als er sprach, klang seine Stimme tief und unverschamt belustigt. »Was kann ich fur Sie tun?« fragte er Catherine.
»Wollen Sie arbeiten?« erwiderte Catherine.
»O ja«, versicherte er ihr.
Catherine hatte einmal einen Artikel uber Komparsen gelesen: Sie waren eine seltsame Sorte von Menschen, die ihr anonymes Leben in den Tonstudios verbrachten und den Massenszenen, in denen die Stars auftraten, Hintergrundatmosphare verliehen. Sie waren gesichtslos, stimmlos; ihr angeborener Mangel an Ehrgeiz hinderte sie, sinnvolle Arbeit zu suchen. Der Mann vor ihr war ein perfektes Beispiel dafur. Weil er so unerhort gut aussah, hatte ihm wahrscheinlich jemand in seiner Heimatstadt in den Kopf gesetzt, dass er ein Star werden konnte; er war nach Hollywood gekommen, hatte herausgefunden, dass Talent genauso wichtig war wie gutes Aussehen, und hatte sich damit abgefunden, Komparse zu sein. Der einfachste Ausweg.
»Wir werden einige Uniformen auswechseln mussen«, sagte Catherine geduldig.
»Stimmt irgend etwas mit meiner Uniform nicht?« fragte er.
Catherine musterte seine Uniform. Sie musste zugeben, sie sa? perfekt, betonte seine breiten Schultern, ubertrieb sie jedoch nicht und verjungte sich dann zu seiner schmalen Taille hin. Sie sah sich seinen Waffenrock an. Auf den Schultern waren die Rangabzeichen eines Hauptmanns. Quer uber seine Brust hatte er mehrere