Gefuhl, dass er dem Leben nichts vorenthielt, dass er sich von ganzem Herzen allem hingab und sich uber diejenigen lustig machte, die Angst hatten, sich auszugeben. Die Angst hatten – basta. Wie sie selbst.

Sie ruhrte kaum ihr Essen an und hatte keine Ahnung, was sie zu sich nahm. Sie begegnete Larrys Blick, und es war, als ob er bereits ihr Liebhaber ware, als ob sie bereits zusammen gewesen waren, einander angehorten; sie wusste, es war Wahnsinn. Er war wie ein Zyklon, eine Naturgewalt, und jede Frau, die in den Wirbel geriet, wurde zugrunde gehen.

Larry lachelte sie an. »Ich furchte, wir haben Miss Alexander von unserer Unterhaltung ausgeschlossen«, sagte er hoflich. »Sie ist sicherlich ein interessanteres Thema als wir beide zusammen.«

»Sie irren sich«, sagte Catherine mit belegter Stimme. »Ich fuhre ein reichlich langweiliges Leben. Ich arbeite bei Bill.« Kaum waren ihr die Worte entfahren, horte sie, wie sie klangen, und wurde rot. »Ich meinte es nicht so«, sagte sie. »Ich meinte«

»Ich wei?, was Sie meinten«, sagte Larry hilfreich. Und sie hasste ihn. Er wandte sich an Bill. »Wo hast du sie entdeckt?«

»Ich habe Gluck gehabt«, sagte Fraser lebhaft. »Gro?es Gluck. Bist du noch unverheiratet?«

Larry zuckte die Achseln. »Wer will mich schon haben?«

Du Aas, dachte Catherine. Sie blickte sich im Raum um. Ein halbes Dutzend Frauen starrten Larry an, manche versteckt, manche ganz offen. Er war wie ein sexueller Magnet. »Wie waren die englischen Madchen?« fragte Catherine beilaufig.

»In Ordnung«, sagte er hoflich. »Naturlich hatte ich nicht viel Zeit fur diese Dinge. Ich war zu sehr mit dem Fliegen beschaftigt.« So siehst du aus, dachte Catherine. Ich mochte wetten, dass im Umkreis von hundert Meilen von dir nicht eine Jungfrau ubrig geblieben ist. Laut sagte sie: »Diese armen Madchen tun mir leid. Was die alles versaumt haben.« Ihr Ton war scharfer, als sie beabsichtigt hatte.

Fraser blickte sie an, verblufft uber ihre Unhoflichkeit. »Cathy«, sagte er.

»Trinken wir noch etwas«, fiel ihm Larry schnell in die Rede.

»Ich glaube, Catherine hat vielleicht genug getrunken«, antwortete Fraser.

»N-ein«, lallte Catherine und gewahrte mit Schrecken, dass sie ihre Worte undeutlich aussprach. »Ich – ich mochte nach Hause gehen«, sagte sie.

»Gut.« Fraser wandte sich Larry zu: »Catherine trinkt normalerweise nichts«, sagte er entschuldigend.

»Ich nehme an, es ist die Aufregung des Wiedersehens mit dir«, sagte Larry Catherine wollte ein Glas Wasser ergreifen und es ihm ins Gesicht schutten. Sie hatte ihn weniger gehasst, als sie ihn noch fur einen Windhund hielt. Jetzt hasste sie ihn viel mehr. Und sie wusste nicht, warum.

Am nachsten Morgen erwachte Catherine mit einem solchen Kater, dass sie uberzeugt war, er wurde in der Medizin Geschichte machen. Sie hatte mindestens drei Kopfe auf ihren Schultern, von denen jeder in einem anderen Rhythmus hammerte. Still im Bett zu liegen, war eine Qual, aber der Versuch, sich zu bewegen, war schlimmer. Als sie dalag und gegen die Ubelkeit kampfte, stromte der ganze Abend in ihre Erinnerung zuruck, und der Schmerz wurde noch unertraglicher. Unvernunftigerweise gab sie Larry Douglas die Schuld an ihrem Katzenjammer, denn nur seinetwegen hatte sie getrunken. Muhsam drehte Catherine den Kopf und blickte auf die Uhr neben ihrem Bett. Sie hatte verschlafen. Sie kampfte mit sich, ob sie im Bett bleiben oder die Ambulanz bestellen sollte. Muhsam erhob sie sich von ihrem Totenbett und schleppte sich ins Badezimmer. Sie taumelte unter die Dusche, drehte das kalte Wasser an und lie? den eisigen Strahl auf ihren Korper rauschen. Sie schrie laut auf, als das Wasser auf sie prallte, aber als sie aus der Dusche kam, fuhlte sie sich besser. Nicht gut, stellte sie fest, nur besser.

Funfundvierzig Minuten spater sa? sie an ihrem Schreibtisch. Ihre Sekretarin Annie kam ganz aufgeregt herein. »Raten Sie mal«, sagte sie.

»Nicht heute morgen«, wimmerte Catherine. »Seien Sie nett und sprechen Sie leise.«

»Schauen Sie sich das an!« Annie schob ihr die Morgenzeitung hin. »Das ist er.«

Auf der Titelseite befand sich eine Fotografie von Larry Douglas in Uniform, der sie frech angrinste. Die Unterschrift lautete:

AMERIKANISCHER RAF-HELD KEHRT NACH WASHINGTON ZURUCK, UM NEUE KAMPFEINHEIT AUSZUBILDEN.

Dem folgte ein Bericht uber zwei Spalten.

»Ist das nicht aufregend?« schrie Annie.

»Schrecklich«, sagte Catherine. Sie knallte die Zeitung in den Papierkorb. »Konnen wir mit unserer Arbeit weitermachen?«

Annie blickte sie erstaunt an. »Es tut mir leid«, sagte sie. »Ich dachte, da er ein Freund von Ihnen ist, wurde es Sie interessieren.«

»Er ist kein Freund von mir«, verbesserte Catherine. »Er ist eher ein Feind.« Sie sah den Ausdruck auf Annies Gesicht. »Konnten wir einfach an was anderes als an Mr. Douglas denken?«

»Gewiss«, sagte Annie besturzt. »Ich sagte ihm, Sie wurden sich sicherlich freuen.«

Catherine starrte sie an. »Wann?«

»Als er heute morgen anrief. Er hat dreimal angerufen.«

Catherine wappnete sich und versuchte, ihrer Stimme einen gleichgultigen Klang zu geben. »Warum haben Sie mir das nicht gesagt?«

»Sie hatten mir die Anweisung gegeben, es Ihnen nicht zu sagen, wenn er anriefe.« Sie beobachtete Catherine verwirrt.

»Hat er eine Nummer hinterlassen?«

»Nein.«

»Gut.« Catherine dachte an sein Gesicht, an diese gro?en dunklen, spottischen Augen. »Gut«, sagte sie noch einmal, diesmal mit fester Stimme. Sie diktierte einige Briefe zu Ende, und als Annie das Zimmer verlassen hatte, ging Catherine zum Papierkorb und fischte die Zeitung wieder heraus. Sie las den Artikel uber Larry Wort fur Wort. Er war ein Flieger-As und hatte acht deutsche Maschinen auf seiner Abschussliste. Er war selbst zweimal uber dem Kanal abgeschossen worden. Sie druckte auf den Telefonknopf. »Falls Mr. Douglas noch einmal anruft, will ich ihn .sprechen.«

Es gab nur eine winzige Pause. »Ja, Miss Alexander.«

Schlie?lich war es unsinnig, unhoflich zu dem Mann zu sein. Catherine wurde sich einfach fur ihr Benehmen im Studio entschuldigen und ihn bitten, sie nicht mehr anzurufen. Sie wurde William Fraser heiraten.

Sie wartete den ganzen Nachmittag auf einen weiteren Anruf von ihm. Um sechs Uhr hatte er noch nicht angerufen. Warum sollte er auch? fragte sich Catherine. Er ist aus und legt sechs andere Madchen aufs Kreuz. Du hast noch Gluck. Sich mit ihm einzulassen ware, als ginge man in einen Fleischerladen. Da bekommt man eine Nummer und wartet, bis man dran ist.

Beim Hinausgehen sagte sie zu Annie: »Wenn Mr. Douglas morgen anruft, sagen Sie ihm, ich bin nicht da.«

Annie zuckte nicht mit der Wimper. »Ja, Miss Alexander. Guten Abend.«

»Guten Abend.«

Catherine fuhr in Gedanken verloren mit dem Lift hinunter. Sie war sicher, dass Bill Fraser sie heiraten wollte. Am besten ware es, wenn sie ihm sagte, dass sie sofort heiraten wollte. Sie wurde es ihm heute Abend sagen. Sie wurden ihre Hochzeitsreise machen, und bei ihrer Ruckkehr ware Larry Douglas nicht mehr da.

Die Aufzugstur offnete sich zur Eingangshalle, und da stand Larry Douglas an die Wand gelehnt. Er hatte seine Orden und Schulterstucke abgenommen und trug die Streifen eines Leutnants. Er ging lachelnd auf sie zu.

»Besser so?« fragte er strahlend.

Catherine starrte ihn mit klopfendem Herzen an. »Ist es nicht – ist es nicht gegen die Vorschriften, falsche Rangabzeichen zu tragen?«

»Das wei? ich nicht«, sagte er ernsthaft. »Ich dachte, Sie hatten das zu bestimmen.«

Er stand da und blickte auf sie nieder, und sie sagte mit schwacher Stimme: »Tun Sie mir das nicht an. Ich will, dass Sie mich in Ruhe lassen. Ich gehore Bill.«

»Wo ist Ihr Ehering?«

Catherine eilte an ihm vorbei auf den Ausgang zu. Als sie ihn erreichte, war er schon da und hielt ihr die Tur auf.

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