seinem Chauffeur: »Fahren wir los.« Er half Noelle ins Auto, sie fuhren in Richtung Etretat davon und lie?en das Gruppchen von Mannern hinter sich, das allmahlich in der Ferne verschwand.

Oberst Muller ordnete eine sofortige Durchsuchung des Hafengebietes an, aber erst am Nachmittag des nachsten Tages fand man einen leeren Sauerstofftank in einem Fass in der Ecke eines unbenutzten Lagerhauses. Ein afrikanisches Frachtschiff war am Vorabend von Le Havre nach Kapstadt ausgelaufen, aber es befand sich jetzt irgendwo auf hoher See. Das fehlende Gepack tauchte ein paar Tage spater im Fundburo der Gare du Nord in Paris auf.

Was Noelle und General Scheider betraf, so verbrachten sie das Wochenende in Etretat und kehrten am spaten Montagnachmittag nach Paris zuruck, gerade rechtzeitig fur Noelles Abendvorstellung.

Catherine

Washington 1941-1944

Catherine hatte ihre Stellung bei William Fraser am Morgen nach ihrer Hochzeit aufgegeben. Fraser lud sie, als sie nach Washington zuruckkehrte, zum Mittagessen ein. Er wirkte abgespannt, ubernachtigt und plotzlich gealtert. Catherine hatte einen Anflug von Mitleid fur ihn verspurt, aber das war alles. Sie sa? einem hoch gewachsenen, gut aussehenden Fremden gegenuber, fur den sie wohl Zuneigung verspurte, aber sie konnte sich nicht vorstellen, dass sie je daran gedacht hatte, ihn zu heiraten. Fraser lachelte ihr matt zu. »Also, jetzt bist du eine verheiratete Frau«, sagte er.

»Die verheiratetste Frau der Welt.«

»Es muss alles ziemlich plotzlich gekommen sein. Ich – ich hatte gerne eine Chance gehabt, mich am Wettbewerb zu beteiligen.«

»Ich selber hatte keine Chance«, sagte Catherine aufrichtig. »Es ist eben passiert.«

»Larry ist schon ein toller Bursche.«

»Ja.«

»Catherine« – Fraser zogerte -, »du wei?t eigentlich nicht viel uber Larry, nicht wahr?«

Catherine fuhlte, wie sich ihr Rucken straffte.

»Ich wei?, dass ich ihn liebe, Bill«, sagte sie ruhig, »und ich wei?, dass er mich liebt. Das ist ein ganz guter Anfang, meinst du nicht?«

Er sa? stirnrunzelnd da und kampfte mit sich. »Catherine«

»Ja?«

»Sei auf der Hut.«

»Wovor?« fragte sie.

Fraser sprach langsam, als ob er sich sorgfaltig einen Weg

uber ein Minenfeld von Wortern ertastete. »Larry ist anders.«

»In welcher Hinsicht?« fragte sie, nicht bereit, ihm zu helfen.

»Ich meine, er ist nicht wie die meisten Manner.« Er sah den Ausdruck auf ihrem Gesicht. »Ach, zum Teufel«, sagte er. »Lassen wir's.« Es gelang ihm, ein schwaches Lacheln hervorzubringen. »Du hast wahrscheinlich die Biographie gelesen, die Asop von mir geschrieben hat. Der Fuchs und die sauren Trauben.«

Catherine nahm liebevoll seine Hand. »Ich werde dich niemals vergessen, Bill. Ich hoffe, wir konnen Freunde bleiben.«

»Das hoffe ich auch«, sagte Fraser. »Willst du wirklich nicht weiter im Buro bleiben?«

»Larry mochte, dass ich die Stellung aufgebe. Er ist altmodisch. Er meint, der Mann musse die Frau erhalten«

»Wenn du es dir mal anders uberlegst«, sagte Fraser, »lass es mich wissen.« Wahrend der restlichen Zeit des Essens ging es um Buroangelegenheiten und die Frage, wer Catherines Posten ubernehmen solle. Sie wusste, dass Bill Fraser ihr sehr fehlen wurde. Wahrscheinlich nahm der erste Mann immer einen besonderen Platz im Leben eines Madchens ein, aber Bill hatte ihr mehr als das bedeutet. Er war ein lieber Mensch und ein guter Freund. Catherine war wegen seiner Haltung Larry gegenuber beunruhigt. Es war, als ob Bill sie vor etwas warnen wollte und dann innegehalten hatte, weil er befurchtete, ihr Gluck zu zerstoren. Oder war es nur ein Fall der sauren Trauben gewesen? Bill Fraser war weder kleinlich noch eifersuchtig. Er wollte sicher ihr Gluck. Und trotzdem wusste Catherine, dass er ihr etwas zu sagen versucht hatte. Irgendwo in ihrem Unterbewusstsein war da eine vage Vorahnung. Aber eine Stunde spater, als sie wieder bei Larry war und er ihr zulachelte, verga? sie alles au?er dem uberwaltigenden Glucksgefuhl, mit einem so unglaublichen, strahlenden Wesen verheiratet zu sein. Es war amusanter, mit Larry zusammen zu sein, als mit irgend jemandem, den sie je gekannt hatte. Jeder Tag war ein Abenteuer, ein Fest. Sie fuhren ubers Wochenende aufs Land hinaus, ubernachteten in kleinen Gasthofen und grasten die Jahrmarkte der Umgebung ab. Sie fuhren zum Lake Placid, wo sie die riesige Rodelbahn hinuntersausten, und nach Montauk, wo sie Kahn fuhren und fischten. Catherine hatte schreckliche Angst vor dem Wasser, weil sie nie schwimmen gelernt hatte, aber Larry sagte, sie solle sich nichts daraus machen, und mit ihm fuhlte sie sich sicher.

Larry war liebevoll und aufmerksam und schien sich erstaunlich wenig der Attraktion, die er auf andere Frauen ausubte, bewusst zu sein. Anscheinend war Catherine alles, was er wollte. In ihren Flitterwochen hatte Larry einen kleinen silbernen Vogel in einem Antiquitatengeschaft aufgetrieben, der Catherine so gefiel, dass er noch einen Kristallvogel dazu erstand, und so war es der Anfang einer Sammlung geworden. An einem Samstagabend fuhren sie nach Maryland, um die dreimonatige Wiederkehr ihres Hochzeitstages zu feiern, und a?en in demselben kleinen Restaurant.

Am Tag darauf, am Sonntag, dem 7. Dezember, wurde Pearl Harbor von den Japanern angegriffen.

Die Kriegserklarung Amerikas an Japan kam am nachsten Tag um 13.32 Uhr, keine vierundzwanzig Stunden nach dem Angriff der Japaner. Am Montag, wahrend Larry auf der Andrews Air Base war, nahm Catherine, die es nicht allein in der Wohnung aushielt, ein Taxi zum Capitol Building, um zu sehen, was los war. Knauel von Menschen drangten sich um ein Dutzend tragbarer Radios, welche unter der Menge, die die Trottoirs der Capitol Plaza saumte, verteilt waren. Catherine beobachtete, wie der Konvoi des Prasidenten die Stra?e hinaufjagte und vor dem sudlichen Eingang zum Capitol hielt. Sie stand in der Nahe und konnte sehen, wie sich die Tur der Limousine offnete und Prasident Roosevelt, von zwei Adjutanten gestutzt, ausstieg. Dutzende von Polizisten standen an jeder Ecke in Alarmbereitschaft fur den Fall etwaiger Unruhen. Die Menge schien Catherine ziemlich gewalttatig zu sein, wie ein gieriger Lynch-Mob vor dem Losbrechen.

Funf Minuten nachdem Roosevelt das Capitol betreten hatte, kam seine Stimme ubers Radio, das seine Ansprache an die Vollversammlung des Kongresses ubertrug. Seine Stimme war kraftig und fest, voll zorniger Entschlossenheit.

»Amerika wird diesen Uberfall nicht vergessen ... Die Gerechtigkeit wird triumphieren ... Wir werden unaufhaltsam dem Sieg entgegen schreiten, so wahr uns Gott helfe.«

Funfzehn Minuten nachdem Roosevelt das Capitol betreten hatte, wurde die Kongressresolution 254 gefasst, Kriegserklarung an Japan. Sie wurde einstimmig beschlossen, mit Ausnahme der Abgeordneten Jeannette Rankin aus Montana, die gegen die Kriegserklarung stimmte, so dass das endgultige Ergebnis 388 zu l war.

Prasident Roosevelts Rede hatte genau zehn Minuten gedauert – die kurzeste Kriegsbotschaft, die je an einen Amerikanischen Kongress gerichtet wurde.

Die Menge drau?en jubelte, ein aufbrandender Sturm von Beifall, Zorn und Vergeltungswut. Amerika war endlich in Bewegung gekommen.

Catherine musterte die Manner und Frauen, die neben ihr standen. Die Gesichter der Manner zeigten den gleichen Ausdruck froher Erregung, wie sie ihn auf Larrys Antlitz am Tag zuvor gesehen hatte, als ob sie alle demselben Geheimklub angehorten, dessen Mitglieder den Krieg fur einen aufregenden Sport hielten. Sogar die Frauen schienen von dem spontanen Enthusiasmus, der die Menge fortriss, angesteckt zu sein. Aber Catherine fragte sich, was sie empfinden wurden, wenn ihre Manner fort waren und sie allein dastunden und auf Nachrichten von ihren Mannern und Sohnen warteten. Langsam drehte sich Catherine um und ging in ihre Wohnung zuruck. An der Ecke sah sie Soldaten mit aufgepflanztem Bajonett.

Bald, dachte sie, wird das ganze Land in Uniform sein.

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