Im Laufe der nachsten zwanzig Jahre war Spyros Nicholas zum Fleischkonservengeschaft ubergegangen, hatte Erfolg gehabt und war ein reicher Mann geworden. Er hatte geheiratet, hatte drei Kinder und war einer der angesehensten Manner Griechenlands. Wahrend all dieser Jahre sah Demiris geduldig zu und lie? Nicholas sein kleines Reich aufbauen. Als er erkannte, dass Nicholas auf dem Zenit seines Erfolgs angekommen war, schlug er zu.
Weil sein Geschaft bluhte, beabsichtigte Nicholas, Farmen zu kaufen, um eigenes Vieh zu zuchten und eine Kette von Kleinhandelsgeschaften zu eroffnen. Das erforderte ein riesiges Kapital. Die Bank, mit der Nicholas in geschaftlicher Verbindung stand, gehorte Constantin Demiris, und sie bot Nicholas Geld fur die Expansion zu so gunstigen Zinsen, dass er nicht widerstehen konnte. Nicholas sturzte sich in gro?e Ausgaben, und mitten in der Kreditausweitung wurden seine Schuldscheine plotzlich von der Bank gekundigt. Als der besturzte Mann einwandte, er konne den Zahlungen nicht nachkommen, eroffnete die Bank sofort das Konkursverfahren. Die Zeitungen, die Demiris gehorten, hangten die Geschichte an die gro?e Glocke, und andere Glaubiger begannen Nicholas zu bedrangen. Er ging zu anderen Banken und Kreditinstituten, aber aus ihm unerklarlichen Grunden lehnten sie alle ab, ihm zu Hilfe zu kommen. Am Tag nach seinem Bankrott beging er Selbstmord.
Demiris' Sinn fur thikeosini war ein zweischneidiges Schwert. Genau wie er niemandem eine Beleidigung vergab, verga? er nie eine ihm erwiesene Wohltat. Eine Zimmervermieterin, die den jungen Mann ernahrt und gekleidet hatte, als er zu arm gewesen war, sie zu bezahlen, sah sich plotzlich als Besitzerin eines Appartementhauses, ohne zu ahnen, wer ihr Wohltater war. Ein junges Madchen, das den vollig mittellosen jungen Demiris bei sich aufgenommen hatte, erhielt von anonymer Seite eine Villa und eine lebenslange Pension. Die Leute, die mit dem ehrgeizigen jungen Griechen vor vierzig Jahren zu tun gehabt hatten, ahnten nicht, wie diese zufallige Beziehung ihr Leben beeinflussen wurde. Der dynamische junge Demiris hatte Hilfe von Bankiers und Rechtsanwalten, Schiffskapitanen und Gewerkschaften, Politikern und Finan-ciers gebraucht. Die einen hatten ihn ermutigt und ihm geholfen; andere hatten ihn von oben herab behandelt oder ihn betrogen. In seinem Kopf und seinem Herzen hatte der stolze Grieche ein unausloschliches Verzeichnis jeder seiner Unternehmungen bewahrt. Seine Frau Melina hatte ihn einmal beschuldigt, den lieben Gott spielen zu wollen.
»Jeder Mann spielt den lieben Gott«, hatte Demiris zu ihr gesagt. »Einige von uns sind fur diese Rolle besser geeignet als andere.«
»Aber es ist nicht recht, das Leben von Menschen zu zerstoren, Costa.«
»Es ist nicht unrecht. Es ist Gerechtigkeit.«
»Rache.«
»Manchmal ist es dasselbe. Die meisten Menschen kommen mit dem Unrecht, das sie tun, ungestraft davon. Ich bin in der Lage, sie dafur bezahlen zu lassen. Das ist Gerechtigkeit.«
Er genoss die Stunden, in denen er Fallen fur seine Gegner erdachte. Er pflegte seine Opfer genau zu studieren, sorgfaltig ihren Charakter zu analysieren, ihre Starken und Schwachen abzuwagen.
Als Demiris drei kleine Frachtschiffe gehabt hatte und eine Anleihe brauchte, um seine Flotte zu vergro?ern, war er zu einem Schweizer Bankier in Basel gegangen. Der Bankier hatte ihn nicht nur abgewiesen, sondern auch andere befreundete Bankiers angerufen und ihnen geraten, dem jungen Griechen kein Geld zu geben. Es war Demiris schlie?lich gelungen, eine Anleihe in der Turkei zu bekommen.
Demiris hatte seine Stunde abgewartet. Er wusste genau, dass die Achillesferse des Bankiers seine Habgier war. Demiris stand in Verhandlungen mit Ibn Saud von Arabien wegen pachtweiser Ubernahme neu entdeckter Erdolquellen. Die Pachtvertrage wurden fur Demiris' Gesellschaft mehrere hundert Millionen Dollar wert sein.
Er gab einem seiner Agenten Anweisung, dem Schweizer Bankier gegenuber die Nachricht uber das in Aussicht genommene Geschaft durchsickern zu lassen. Dem Bankier wurde eine 25 %ige Beteiligung an der neuen Gesellschaft angeboten, wenn er funf Millionen Dollar in bar aufbrachte, um Anteile am Aktienkapital zu erwerben. Wenn das Geschaft klappte, wurden die funf Millionen Dollar mehr als funfzig Millionen wert sein. Der Bankier uberprufte schnell das Geschaft und fand dessen Glaubwurdigkeit bestatigt. Da er uber eine solche Summe nicht personlich verfugte, lieh er sie sich von der Bank, ohne jemanden davon in Kenntnis zu setzen, da er diesen unverhofften Gewinn mit keinem teilen wollte. Die Transaktion sollte in der darauf folgenden Woche stattfinden, und zu diesem Zeitpunkt wurde er das Geld, das er entnommen hatte, dann zuruckzahlen konnen.
Als Demiris den Scheck des Bankiers in der Hand hatte, gab er der Presse bekannt, dass die Vereinbarung mit Arabien ruckgangig gemacht worden sei. Die Aktien sturzten. Es gab keine Moglichkeit fur den Bankier, seine Verluste zu decken, und seine Unterschlagung kam ans Licht. Demiris erstand den Anteil des Bankiers fur ein paar Cents pro Dollar und machte dann mit dem Olgeschaft weiter. Die Aktien schnellten in die Hohe. Der Bankier wurde der Unterschlagung schuldig befunden und zu zwanzig Jahren Gefangnis verurteilt.
Es gab ein paar Spieler in Demiris' Spiel, mit denen er noch nicht abgerechnet hatte, aber er hatte es nicht eilig. Er genoss die Vorfreude, das Planen und die Ausfuhrung. Es war wie ein Schachspiel, und Demiris war ein meisterhafter Schachspieler. Jetzt machte er sich keine Feinde mehr, denn niemand konnte es sich leisten, sein Feind zu sein; so war sein Reservoir auf diejenigen beschrankt, die in der Vergangenheit seinen Weg gekreuzt hatten.
Dies war also der Mann, der eines Nachmittags in Noelle Pages Sonntagssalon auftauchte. Er verbrachte ein paar Stunden in Paris auf dem Weg nach Kairo, und eine junge Bildhauerin, mit der er sich traf, schlug vor, sie sollten den Salon aufsuchen. Von dem Augenblick an, als Demiris Noelle sah, wusste er, dass er sie haben wollte. Abgesehen von Konigen selbst, die fur die Tochter eines Marseiller Fischhandlers unerreichbar waren, war Constantin Demiris wahrscheinlich das, was einem Konig am nachsten kam. Drei Tage nachdem sie ihn kennen gelernt hatte, verlie? Noelle ihr Theater ohne Kundigung, packte ihre Koffer und fuhr zu Constantin Demiris nach Griechenland.
Die Prominenz der beiden machte es unvermeidlich, dass die Beziehung zwischen Noelle Page und Constantin Demiris zur internationalen Sensation wurde. Fotografen und Journalisten versuchten ununterbrochen, Demiris' Frau zu interviewen, aber wenn ihre Gelassenheit auch etwas erschuttert war, lie? sie sich nichts anmerken. Melina Demiris' einziger Kommentar fur die Presse war, dass ihr Mann viele gute Freundinnen in der ganzen Welt habe und sie nichts dabei finde. Ihren emporten Eltern erklarte sie, Costa habe auch vorher Affaren gehabt, und diese wurde genauso bald ein Ende finden wie all die anderen. Ihr Mann unternahm haufig ausgedehnte Geschaftsreisen, und sie sah dann Fotos in den Zeitungen, die ihn mit Noelle in Stadten wie Konstantinopel, Tokio oder Rom zeigten. Melina Demiris war eine stolze Frau, aber sie war entschlossen, die Demutigung zu ertragen, weil sie ihren Mann wirklich liebte. Sie akzeptierte die Tatsache, dass manche Manner mehr als eine Frau brauchten, obwohl sie nie richtig begriff, warum, und dass sogar ein in seine Frau verliebter Mann mit einer anderen Frau schlafen konnte. Sie ware eher gestorben, als einem anderen Mann zu erlauben, sie zu beruhren. Sie machte Constantin nie Vorwurfe, denn sie wusste, sie wurde damit nichts anderes erreichen als eine Entfremdung. Im gro?en ganzen fuhrten sie eine gute Ehe. Sie wusste, sie war keine leidenschaftliche Frau, aber sie war ihrem Mann im Bett gefugig, wann immer er wollte, und sie versuchte, ihm soviel Vergnugen zu geben, wie sie konnte. Wenn sie gewusst hatte, was Noelle mit ihrem Mann im Bett trieb, ware sie schockiert gewesen, und wenn sie obendrein gewusst hatte, wie sehr es ihrem Mann gefiel, ware sie todunglucklich gewesen.
Noelles Hauptreiz fur Demiris, dem Frauen nichts Neues mehr bieten konnten, bestand darin, dass sie ihn dauernd uberraschte. Fur ihn, der eine Schwache fur Puzzles hatte, war sie ein Ratsel, das sich jeder Losung widersetzte. Er hatte noch nie jemanden wie sie kennen gelernt. Sie nahm die schonen
Dinge, die er ihr schenkte, aber sie war genauso glucklich, wenn er ihr nichts gab. Er kaufte ihr eine luxuriose Villa in Portofino mit Ausblick auf die herrliche hufeisenformige Bucht, da er wusste, es hatte gar keinen Unterschied gemacht, wenn es eine winzige Behausung in der alten Plaka von Athen gewesen ware.
Demiris war in seinem Leben vielen Frauen begegnet, die versucht hatten, ihre erotische Anziehungskraft einzusetzen, um ihn auf die eine oder andere Weise zu gangeln. Noelle wollte nie etwas von ihm. Manche Frauen waren zu ihm gekommen, um sich im Glanz seines Ruhms zu sonnen, aber in Noelles Fall war sie es, welche die Journalisten und Fotografen anzog. Sie war ein Star aus eigenem Verdienst, von ihm unabhangig. Eine Zeitlang spielte Demiris mit dem Gedanken, sie sei vielleicht wirklich um seiner selbst willen in ihn verliebt, aber er war zu ehrlich, um an dieser Selbsttauschung festzuhalten.
Anfangs reizte es ihn, Noelle bis ins letzte zu erforschen, sich ihr Innerstes zu unterwerfen, es sich zu eigen zu machen. Zuerst hatte Demiris versucht, dies mit sexuellen Mitteln zu erreichen, aber zum ersten Mal in seinem Leben war er auf eine Frau gesto?en, die ihm mehr als ebenburtig war. Ihre sinnliche Gier uberstieg die seine. Was immer er tat, konnte sie besser und ofter und geschickter, bis er endlich lernte, sich im Bett zu entspannen