Und Christian Barbet berichtete Noelle: »Sie sind auf Tarawa. Demnachst kommt Guam dran.«

»... Du fehlst mir wirklich, Cathy. Hier geht's aufwarts. Ich darf dir keine Einzelheiten mitteilen, aber wir haben endlich Flugzeuge, die besser sind als die japanischen Zeros ...«

»Ihr Freund fliegt P-Achtunddrei?iger, P-Vierziger und PEinundfunfziger.«

»... Ich freue mich, dass du in Washington tuchtig beschaftigt bist. Bleib mir nur treu, Baby. Hier geht alles bestens. Ich werde eine kleine Neuigkeit fur dich haben, wenn wir uns wieder sehen ...«

»Ihr Freund wurde mit dem D. F. C. ausgezeichnet und zum Oberstleutnant befordert.«

Wahrend Catherine an ihren Mann dachte und betete, er moge gesund heimkommen, verfolgte Noelle alle Wege Larrys, und auch sie betete, dass er gesund heimkehre. Bald ware der Krieg vorbei, und Larry Douglas wurde nach Hause kommen. Zu ihnen beiden.

Catherine

Washington 1945-1946

Am Morgen des 7. Mai 1945 ergab sich Deutschland in Reims bedingungslos den Alliierten. Die tausendjahrige Herrschaft des Dritten Reiches war zu Ende. Diejenigen, die von der Katastrophe von Pearl Harbor wussten, die gesehen hatten, wie Dunkirchen um ein Haar als Englands Waterloo in die Geschichte eingegangen ware, diejenigen, welche die RAF kommandiert hatten und wussten, wie hilflos die Abwehr Londons gegen einen Totalangriff der deutschen Luftwaffe gewesen ware: alle diese Leute wussten, es war eine Reihe von Wundern, die die Alliierten hatte siegen lassen – und sie wussten, wie leicht es hatte anders kommen konnen. Fast hatten die Krafte des Bosen triumphiert, und dieser Gedanke war so absurd, so entgegengesetzt der christlichen Ethik, nach der das Gute obsiegt und das Bose unterliegt, dass man sich mit Entsetzen davon abwandte, Gott dankte und die dummen, aber verhangnisvollen Fehler vor den Augen der Nachwelt in Aktenbergen mit der Aufschrift TOP SECRET begrub.

Die Aufmerksamkeit der freien Welt wandte sich nun dem Fernen Osten zu. Die Japaner, diese kleinen kurzsichtigen, komischen Figuren, verteidigten blutig jeden Zoll Land, der in ihrem Besitz war, und es sah aus, als ob der Krieg lang und kostspielig werden wurde.

Und dann, am 6. August, warf man die Atombombe auf Hiroshima. Die Zerstorung war unglaublich. In wenigen Minuten war fast die ganze Bevolkerung einer gro?en Stadt vernichtet, Opfer einer Seuche, schlimmer als alle Kriege und Pestilenzen des ganzen Mittelalters.

Am 9. August, drei Tage spater, wurde eine zweite Bombe abgeworfen, diesmal auf Nagasaki. Das Resultat war noch verheerender. Die Zivilisation hatte ihre Sternstunde erreicht;

sie war imstande, einen Volkermord zu inszenieren, der in der Proportion von so und so viel Millionen Menschen pro Sekunde kalkuliert werden konnte. Es war zuviel fur die Japaner, und am 3. September 1945, auf dem Schlachtschiff Missouri, nahm General MacArthur die bedingungslose Kapitulation der japanischen Regierung entgegen. Der zweite Weltkrieg war beendet.

Als die Nachricht verkundet wurde, hielt die Welt einen Augenblick den Atem an und brach dann in dankbaren, tief empfundenen Jubel aus. Stadte und Dorfer in der ganzen Welt waren mit Menschenmassen gefullt, die das Ende des Krieges, der alle Kriege beenden wurde, mit hysterischen Freudenausbruchen feierten.

Durch irgendeine Zauberei, die er Catherine nie erklaren wollte, gelang es Bill Fraser am Tag darauf, eine telefonische Verbindung mit Larry Douglas auf einer Insel im Sudpazifik herzustellen. Es sollte eine Uberraschung fur Catherine sein. Fraser bat sie, in ihrem Buro auf ihn zu warten, so dass sie zusammen zum Mittagessen gehen konnten. Um 14.30 Uhr rief Catherine Bill uber Wechselsprechanlage an.

»Wann wirst du mir etwas zu essen geben?« fragte sie. »Es wird bald Zeit furs Abendessen.«

»Halt aus«, antwortete Fraser. »Ich bin in einer Minute bei dir.«

Funf Minuten spater rief er sie an und sagte: »Da ist ein Anruf fur dich auf Leitung eins.«

Catherine nahm den Horer ab. »Hallo?« Sie horte Knattern und anschwellendes Gerausch wie die Wellen eines fernen Ozeans. »Hallo«, wiederholte sie.

Eine mannliche Stimme sagte: »Mrs. Larry Douglas?«

»Ja«, sagte Catherine verblufft. »Wer ist da?«

»Einen Augenblick, bitte.«

Durch den Horer kam ein hohes Heulen. Dann wieder Knattern, und dann sagte eine Stimme: »Cathy.«

Sie sa? klopfenden Herzens da, unfahig zu sprechen. »Larry? Larry?«

»Ja, Baby.«

»Oh, Larry!« Sie begann zu weinen und unerwartet am ganzen Korper zu zittern.

»Wie geht's dir, Liebling?«

Sie krallte ihre Fingernagel in den Arm, um sich weh zu tun und so die Hysterie, die sich ihrer plotzlich bemachtigt hatte, zu unterdrucken. »Mir geht's g-gut«, sagte sie. »Wo – wo bist du?«

»Wenn ich es dir sage, werden wir getrennt«, sagte er. »Irgendwo im Pazifik.«

»Also ganz in der Nahe.« Sie bekam die Stimme wieder in ihre Gewalt. »Geht's dir gut, Liebling?«

»Mir geht's ausgezeichnet.«

»Wann kommst du nach Hause?«

»Kann sich nur noch um Sekunden handeln«, versprach er.

Catherine schossen wieder die Tranen in die Augen. »O. K., stimmen wir unsere Uhren aufeinander ab.«

»Weinst du?«

»Naturlich weine ich, du Idiot! Ich bin nur froh, dass du nicht sehen kannst, wie die Wimperntusche uber mein Gesicht rinnt. Oh, Larry ... Larry ...«

»Du hast mir gefehlt, Baby«, sagte er.

Catherine dachte an die langen, einsamen Nachte, die zu Wochen und Monaten und Jahren ohne ihn geworden waren, ohne seine Arme um sie, ohne seinen kraftvollen, wunderbaren Korper neben ihr, ohne seinen Trost, seinen Schutz und seine Liebe. Und sie sagte: »Du hast mir auch gefehlt.«

Die Stimme eines Mannes war zu horen: »Es tut mir leid, Oberst, aber wir mussen trennen.«

Oberst!

»Warum hast du mir nichts von deiner Beforderung gesagt?«

»Ich hatte Angst, es wurde dir zu Kopf steigen.«

»Oh, Liebling, ich«

Das Rauschen des Ozeans wurde lauter, plotzlich war es still, und die Verbindung war unterbrochen. Catherine sa? an ihrem Schreibtisch und starrte das Telefon an. Und dann grub sie den Kopf in die Arme und weinte.

Zehn Minuten spater kam Frasers Stimme ubers Haustelefon: »Ich bin zum Lunch bereit, wenn du soweit bist, Cathy«, sagte er.

»Ich bin jetzt zu allem bereit«, sagte sie freudig. »Gib mir funf Minuten.« Sie lachelte dankbar beim Gedanken, was Fraser fur sie getan hatte und wie viel Muhe es ihn wohl gekostet haben mochte. Er war der liebste Mensch, den sie je gekannt hatte. Nach Larry, naturlich.

Catherine hatte sich Larrys Ankunft so oft ausgemalt, dass die eigentliche Ankunft fast dagegen abfiel. Bill Fraser hatte ihr erklart, Larry kame wahrscheinlich in einem Lufttransporter oder in einem MATS-Flugzeug nach Hause, und diese verkehrten nicht zu bestimmten Zeiten wie kommerzielle Fluglinien. Man organisierte sich einen Platz auf dem ersten Flug, den man kriegen konnte – und es machte nichts aus, welchen Bestimmungsort das Flugzeug hatte, solange es nur in die richtige Richtung flog.

Catherine blieb den ganzen Tag zu Hause und wartete auf Larry. Sie versuchte zu lesen, aber sie war zu nervos. Sie sa? da, horte Nachrichten und dachte an Larrys Heimkehr, diesmal fur immer. Um Mitternacht war er noch nicht da. Wahrscheinlich wurde er nicht vor dem nachsten Tag kommen. Um zwei Uhr morgens, als Catherine die Augen nicht langer offen halten konnte, ging sie zu Bett.

Sie wurde von einer Hand auf ihrem Arm geweckt, offnete die Augen, und er stand uber ihr, ihr Larry stand da, blickte auf sie nieder, ein Lachen auf seinem schmalen, braunen Gesicht; wie ein Blitz war Catherine in seinen Armen, und all die

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