war Whitestone ganz anders. Er hatte die seltene naturliche Geschicklichkeit des geborenen Piloten, etwas, das man weder lehren noch erlernen kann. Whitestone und Metaxas waren drei Jahre zusammen gegen die deutsche Luftwaffe geflogen, und jeder schatzte den anderen sehr.

Noelle unternahm haufig Reisen in dem gro?en Flugzeug, manchmal geschaftlich mit Demiris, manchmal zum Vergnugen. Sie hatte die Piloten kennen gelernt, schenkte ihnen jedoch keine besondere Aufmerksamkeit.

Und dann horte sie eines Tages zufallig, wie sie sich uber ein Erlebnis unterhielten, das sie einmal in der RAF gehabt hatten.

Von diesem Augenblick an verbrachte Noelle entweder einen Teil des Fluges im Cockpit im Gesprach mit den beiden Mannern oder bat einen von ihnen in die Kabine. Sie regte sie an, uber ihre Kriegserlebnisse zu sprechen, und erfuhr schlie?lich, ohne je eine direkte Frage zu stellen, dass Whitestone Verbindungsoffizier in Larry Douglas' Staffel gewesen war, bevor Douglas die RAF verlassen hatte, und dass Metaxas zu spat in die Staffel versetzt worden war, um Larry kennen zu lernen. Noelle begann sich auf den englischen Piloten zu konzentrieren. Ermutigt und geschmeichelt durch das Interesse der Geliebten seines Arbeitgebers, sprach Whitestone offen uber seine Vergangenheit und uber seine kunftigen Ambitionen. Er erzahlte Noelle, dass er immer an der Elektronik interessiert gewesen sei. Sein Schwager in Australien hatte eine kleine Elektronikfirma aufgemacht und wollte Whitestone zum Partner haben, aber Whitestone hatte nicht das Kapital dazu.

»Bei meiner Lebensweise«, sagte er grinsend zu Noelle, »werde ich es nie schaffen.«

Noelle besuchte weiterhin einmal im Monat Christian Barbet in Paris. Barbet hatte Verbindung mit einem privaten Detektivburo in Washington aufgenommen, und die Berichte uber Larry Douglas stromten nur so herein. Einmal versuchte der kleine Detektiv, vorsichtig das Terrain zu sondieren, und bot ihr an, die Berichte nach Athen zu senden, aber sie sagte ihm, sie zoge es vor, sie personlich abzuholen. Barbet hatte schlau mit dem Kopf genickt und im Verschworerton gesagt: »Ich verstehe, Mademoiselle Page.« Sie wollte also nicht, dass Constantin Demiris von ihrem Interesse an Larry Douglas wusste. Die Moglichkeiten fur eine Erpressung waren uberwaltigend.

»Sie sind sehr hilfreich gewesen, Monsieur Barbet«, sagte Noelle, »und sehr diskret.«

Er lachelte olig. »Danke, Mademoiselle. Mein Beruf lebt von der Diskretion.«

»Genau«, erwiderte Noelle. »Ich wei?, Sie sind diskret, weil Constantin Demiris nie Ihren Namen mir gegenuber erwahnt hat. An dem Tag, an dem er es tut, werde ich ihn bitten, Sie zu vernichten.« Sie sagte das in einem freundlichen Gesprachston, aber es schlug wie eine Bombe ein.

Monsieur Barbet starrte Noelle lange erschrocken an und biss sich auf die Lippen. Er kratzte sich nervos in der Leistengegend und stammelte: »Ich – ich versichere Ihnen, Mademoisel-le, ich wurde nie – nie ...«

»Sicherlich nicht«, sagte Noelle und ging.

In dem Linienflugzeug, das sie nach Griechenland zuruckbrachte, las Noelle den vertraulichen Bericht.

ACME SICHERHEITSAGENTUR

1402 »D« Street Washington, D. C.

Betrifft: Nr. 2-179-210 2. Februar 1946

Sehr geehrter Monsieur Barbet,

einer unserer Detektive sprach mit einer Kontaktperson in der

Personalabteilung der PAN AM: Die fragliche Person wird als

fahiger Kampfpilot angesehen, aber man bezweifelt, ob er

diszipliniert genug ist, um zufrieden stellend in einer gro?en

straffen Organisation zu arbeiten.

Das Privatleben der fraglichen Person spielt sich in derselben

Weise ab wie in den vorhergehenden Berichten. Wir sind ihm

zu den Wohnungen verschiedener Frauen, die er aufgelesen

hatte, gefolgt, wo er sich wahrend einer Zeitspanne von einer

bis funf Stunden aufhielt, und wir nehmen an, dass er sexuelle

Beziehungen mit diesen Frauen hat. (Namen und Adressen sind

in unserer Kartei, falls Sie sie wunschen.)

Angesichts der neuen Beschaftigung der fraglichen Person ist

es moglich, dass diese Lebensweise sich andert. Auf Ihr

Ersuchen hin werden wir dem nachgehen.

Unsere Rechnung ist beigefugt.

Mit vorzuglicher Hochachtung,

R. Ruttenberg

Direktor

Noelle lehnte sich zuruck und schloss die Augen. Sie malte sich aus, wie Larry in der Falle sa?, die ihm seine eigene Schwache gestellt hatte, ruhelos, gequalt, verheiratet mit einer ungeliebten Frau.

Seine neue Stellung bei der Fluglinie konnte Noelles Plan vielleicht etwas verzogern, aber sie hatte Geduld. Mit der Zeit wurde sie Larry zu sich holen. Inzwischen konnte sie gewisse Schritte unternehmen, um die Dinge zu beschleunigen.

Ian Whitestone war entzuckt, von Noelle Page zum Mittagessen eingeladen zu werden. Anfanglich hatte er sich eingebildet, dass sie ihn anziehend finde, aber alle ihre Begegnungen hatten sich auf einer liebenswurdigen, doch formlichen Basis abgespielt, die ihn fuhlen lie?, dass er ein Angestellter und sie fur ihn unerreichbar war. Er hatte sich oft den Kopf zerbrochen, was Noelle von ihm wollte, denn Whitestone war ein intelligenter Mann und hatte das seltsame Gefuhl, dass ihre Zufallsunterhaltungen ihr mehr bedeuteten als ihm.

An diesem Tag fuhren Whitestone und Noelle in eine kleine Stadt am Meer in der Nahe von Kap Sunion, wo sie zu Mittag a?en. Noelle war in ein wei?es Sommerkleid und Sandalen gekleidet, ihr weiches blondes Haar flatterte im Wind, und sie war nie schoner gewesen, Ian Whitestone war mit einem Mannequin in London verlobt, und obwohl sie hubsch war,

konnte sie sich nicht mit Noelle messen. Whitestone war niemals einer Frau begegnet, die es mit ihr aufnehmen konnte, und er hatte Constantin Demiris beneidet, wenn ihm Noelle in der Ruckerinnerung nicht stets begehrenswerter erschienen ware. Wenn Whitestone wirklich mit ihr zusammen war, war er leicht eingeschuchtert. Jetzt hatte Noelle das Gesprach auf seine Zukunftsplane gelenkt, und er fragte sich, nicht zum ersten Mal, ob sie ihn etwa auf Demiris' Befehl hin aushorchte, wie ergeben er seinem Chef war.

»Ich liebe meinen Job«, versicherte der Pilot Noelle ernsthaft. »Ich mochte ihn gerne behalten, bis ich so alt bin, dass ich nicht mehr sehe, wohin ich fliege.«

Noelle sah ihn einen Augenblick prufend an, merkte seinen Argwohn. »Sie enttauschen mich«, sagte sie bedauernd. »Ich hatte gehofft, Sie hatten mehr Ehrgeiz.«

Whitestone starrte sie an. »Ich verstehe Sie nicht.«

»Haben Sie mir nicht erzahlt, dass Sie eines Tages Ihre eigene Elektronikfirma haben wollten?«

Er erinnerte sich, es einmal fluchtig erwahnt zu haben, und es erstaunte ihn, dass sie es noch wusste.

»Das war nur ein Wunschtraum«, erwiderte er. »Man braucht eine Menge Geld dazu.«

»Ein Mann mit Ihren Fahigkeiten«, sagte Noelle, »sollte sich nicht durch Mangel an Geld abhalten lassen.«

Whitestone sa? verlegen da, er wusste nicht, was Noelle von ihm erwartete. Er mochte seine Stellung wirklich. Er verdiente mehr Geld, als er je in seinem Leben verdient hatte, die Arbeitszeit war gut, und die Arbeit war interessant. Andererseits musste er nach der Pfeife eines exzentrischen Milliardars tanzen, der von ihm erwartete, dass er zu jeder Tages- und Nachtstunde zu seiner Verfugung stand. Sein Privatleben war dadurch sehr unruhig geworden, und seine Verlobte war trotz des guten Gehaltes uber seine Tatigkeit nicht glucklich.

»Ich habe mit einem Freund uber Sie gesprochen«, sagte

Noelle. »Er investiert gerne in neuen Unternehmungen.«

Ihre Stimme hatte einen fast emphatischen Klang, als ware sie sehr angetan von dem, was sie sagte, ohne ihn direkt drangen zu wollen. Whitestone blickte auf.

»Er ist sehr an Ihnen interessiert«, sagte sie.

Whitestone schluckte. »Ich – ich wei? nicht, was ich sagen soll, Mademoiselle Page.«

»Ich erwarte nicht, dass Sie sich jetzt dazu au?ern«, versicherte ihm Noelle.

Er dachte einen Augenblick nach. »Wei? Mr. Demiris davon?« fragte er endlich.

Noelle lachelte verschworerisch. »Ich furchte, Mr. Demiris wurde nie zustimmen. Er verliert nicht gerne

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