machte seine Hausarbeiten gut und sorgfaltig. Er verriet nie Anzeichen von Ungeduld, Unruhe oder Langeweile. Im Gegenteil, er war der eifrigste Schuler im Kurs und bestimmt der hervor ragendste. Das einzige fur Larry neue Gebiet war die Ausrustung der DC-4. Die Douglas-Maschinen waren lang gestreckt, elegant in der Linie und mit gewissen Apparaturen ausgestattet, die es bei Kriegsbeginn noch nicht gegeben hatte. Larry verbrachte Stunden damit, jeden Zoll des Flugzeugs zu untersuchen, zu studieren, wie es zusammengesetzt war und wie es funktionierte. Abend fur Abend war er in Dutzende von Betriebsanweisungen uber das Flugzeug vertieft.

Eines spaten Abends, als die anderen Kursteilnehmer den Hangar schon verlassen hatten, fand Sakowitz Larry in einer der DC-4, wie er auf dem Rucken unter dem Cockpit lag und das Kabelwerk untersuchte.

»Ich sage ja, der Hurensohn hat es auf meinen Job abgesehen«, sagte Sakowitz am nachsten Morgen zu Carl Eastman.

»Wenn er so weitermacht, kriegt er ihn vielleicht«, meinte Eastman.

Am Ende der acht Wochen gab es eine kleine Abschlussfeier. Catherine flog stolz nach New York, um dabei zu sein, wenn man ihm seine Navigatorenwinkel verlieh.

Er versuchte, es als etwas Unwichtiges hinzustellen. »Cathy, es ist nur ein dummes kleines Stuck Tuch, das sie einem geben, damit man wei?, wer man ist, wenn man in das Cockpit steigt.«

»O nein, sag das nicht«, erwiderte sie. »Ich sprach mit Kapitan Sakowitz, und er erzahlte mir, wie gut du bist.«

»Was versteht schon ein doofer Polacke«, sagte Larry. »Gehen wir feiern.«

An jenem Abend gingen Catherine und Larry und vier von Larrys Mitschulern mit ihren Frauen in den Twenty-One Club in der East Fifty-Second Street zum Abendessen. Das Foyer war uberfullt, und der Maitre sagte ihnen, ohne Vorbestellung gebe es keine Tische.

»Zum Teufel mit diesem Restaurant«, sagte Larry. »Gehen wir nebenan zu Toots Shor's.«

»Warte einen Augenblick«, sagte Catherine. Sie ging zum Kellner hinuber und fragte nach Jerry Berns.

Einige Augenblicke spater eilte ein kleiner dunner Mann mit neugierigen grauen Augen herbei.

»Ich bin Jerry Berns«, sagte er. »Womit kann ich Ihnen dienen?«

»Mein Mann und ich sind mit ein paar Freunden hier«, erklarte Catherine. »Wir sind zehn.«

Er schuttelte bedauernd den Kopf. »Nur wenn Sie vorbestellt haben ...«

»Ich bin William Frasers Geschaftspartner«, sagte Catherine.

Jerry Berns blickte Catherine vorwurfsvoll an. »Warum haben Sie das nicht gleich gesagt? Geben Sie mir funfzehn Minuten Zeit.«

»Danke«, sagte Catherine erfreut.

Sie ging zu ihrer Gruppe zuruck.

»Na, was sagt ihr nun!« sagte Catherine. »Wir kriegen einen Tisch.«

»Wie hast du das fertig bekommen?« fragte Larry.

»Es war leicht«, sagte Catherine. »Ich erwahnte Bill Frasers Namen.« Sie sah den Ausdruck in Larrys Augen. »Er kommt oft hierher«, fuhr Catherine schnell fort, »und er sagte, wenn ich mal einen Tisch brauchte, sollte ich mich auf ihn berufen.«

Larry drehte sich zu den anderen um. »Verdammt noch mal, gehen wir hier raus. Das hier ist nicht fur unsereins.«

Die Gruppe bewegte sich auf die Tur zu. Larry sah Catherine an. »Kommst du?«

»Naturlich«, erwiderte Catherine zogernd. »Ich wollte ihnen nur sagen, dass wir nicht...«

»Zum Teufel mit denen«, sagte Larry laut. »Kommst du oder kommst du nicht?«

Die Leute drehten sich um und starrten sie an. Catherine spurte, dass sie errotete.

»Ja«, sagte sie. Sie wandte sich um und folgte Larry hinaus.

Sie gingen in ein italienisches Restaurant in der Sixth Avenue und a?en sehr schlecht. Nach au?en hin benahm sich Catherine, als ob nichts vorgefallen ware, aber sie kochte vor Wut. Sie war sehr bose auf Larry wegen seines kindischen Benehmens und weil er sie offentlich gedemutigt hatte.

Als sie daheim ankamen, ging sie wortlos ins Schlafzimmer, entkleidete sich, machte das Licht aus und ging zu Bett. Sie horte, wie Larry sich im Wohnzimmer einen Drink mixte.

Zehn Minuten spater betrat er das Schlafzimmer, drehte das Licht an und kam an ihr Bett. »Beabsichtigst du, die Martyrerin zu spielen?« fragte er.

Sie setzte sich wutend auf. »Versuch nicht, mich in die Defensive zu drangen«, sagte sie. »Dein Benehmen heute Abend war unverzeihlich. Was ist uber dich gekommen?«

»Derselbe Kerl, der in dich gekommen ist.«

Sie starrte ihn an. »Was?«

»Ich spreche von Mr. Perfektion, Bill Fraser.«

Sie blickte ihn verstandnislos an. »Bill hat uns immer nur geholfen.«

»Das kann man wohl sagen«, entgegnete er. »Du verdankst ihm deine Stellung, ich verdanke ihm die meine. Jetzt konnen wir uns nicht einmal ohne Frasers Erlaubnis in ein Restaurant setzen. Er hangt mir zum Hals heraus.« Es war Larrys Tonfall, der Catherine mehr erschutterte als das, was er sagte. Er war derart erfullt von Komplexen und Ohnmachtsgefuhlen, dass sie zum ersten Mal begriff, wie er sich qualte. Warum auch nicht? Er war nach vier Jahren Krieg heimgekehrt und fand seine Frau als Partnerin ihres fruheren Liebhabers vor. Und um es noch schlimmer zu machen, er selbst war nicht imstande gewesen, einen Job ohne die Hilfe Frasers zu bekommen.

Als sie Larry ansah, wusste Catherine, dass dies ein Wendepunkt in ihrer Ehe war. Wenn sie mit ihm zusammenbleiben wollte, musste er von jetzt ab an erster Stelle stehen. Vor ihrem Beruf, vor allem andern. Zum ersten Mal fuhlte Catherine, dass sie Larry wirklich verstand.

Als ob er ihre Gedanken lesen konnte, sagte Larry zerknirscht: »Es tut mir leid, ich habe mich heute Abend wie ein Schwein benommen. Aber als wir keinen Tisch kriegen konnten, bis du Frasers magischen Namen erwahntest – da reichte es mir plotzlich.«

»Es tut mir leid, Larry«, sagte Catherine. »Ich werde dir das nie mehr antun.«

Und sie fielen einander in die Arme, und Larry sagte: »Bitte, verlass mich nie, Cathy«, und Catherine dachte, wie nahe daran sie gewesen war, und sie hielt ihn fester und sagte: »Ich werde dich nie verlassen, Liebling, niemals.«

Larrys erster Einsatz als Navigator war auf dem Flug 147 von Washington nach Paris. Er blieb nach jedem Flug achtundvierzig Stunden in Paris, dann kehrte er drei Tage heim, bevor er wieder abflog.

Eines Morgens rief Larry Catherine in ihrem Buro an, seine Stimme klang aufgeregt. »Hor mal, ich habe ein tolles Restaurant fur uns gefunden. Kannst du dich furs Mittagessen frei machen?«

Catherine blickte auf den Stapel graphischer Entwurfe, die bis Mittag durchgesehen und genehmigt werden mussten. »Klar«, sagte sie leichtsinnig.

»Ich hole dich in funfzehn Minuten ab.«

»Sie lassen mich doch nicht etwa allein!« jammerte ihre Assistentin Lucia. »Stuyvesant wird aus der Haut fahren, wenn wir ihm die Werbekampagne heute nicht liefern.«

»Er wird eben warten mussen«, sagte Catherine. »Ich gehe mit meinem Mann zum Essen.«

Lucia zuckte die Schultern. »Kann ich verstehen. Wenn Sie ihn mal satt haben, lassen Sie es mich bitte wissen.«

Catherine lachte. »Dann werden Sie zu alt sein, meine Liebe.«

Larry holte Catherine vor dem Buro mit dem Wagen ab.

»Habe ich dir den Tag vermurkst?« fragte er boshaft.

»Naturlich nicht.«

Er lachte. »Diese ganzen Direktoren wird der Schlag treffen.«

Larry lenkte den Wagen in Richtung Flughafen.

»Ist das Restaurant weit?« fragte Catherine. Sie hatte funf Verabredungen am Nachmittag, die erste um zwei Uhr.

»Nicht weit... Bist du heute Nachmittag sehr beschaftigt?«

»Nein«, log sie. »Nicht besonders.«

»Gut.«

Als sie die Abzweigung zum Flugplatz erreichten, bog Larry in die Einfahrt ein.

»Ist das Restaurant am Flughafen?«

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