Besorgnis, die Einsamkeit, der Schmerz der letzten vier Jahre waren wie weggewaschen in der reinigenden Flut einer Freude, die jede Faser ihres Seins zu fullen schien. Sie umarmte ihn, bis sie glaubte, ihm die Knochen zu brechen. So wollte sie immer bleiben und nie wieder loslassen.
»Sachte, Liebling«, sagte Larry endlich. Er entzog sich ihr mit einem Lacheln auf dem Gesicht. »Komische Meldung in den Zeitungen: >Flieger kommt unversehrt aus dem Krieg zuruck und wird von seiner Frau zu Tode umarmt.<«
Catherine drehte das Licht an, alle Lampen im Raum, so dass das Zimmer von Helligkeit uberflutet war und sie ihn sehen, ihn genau sehen, ihn mit ihren Augen verschlingen konnte. Sein Gesicht war reifer geworden. Um seine Augen und seinen Mund waren feine Linien, die vorher nicht da gewesen waren. Er sah besser als je zuvor aus.
»Ich wollte dich abholen«, stammelte Catherine, »aber ich wusste nicht, wo. Ich rief die Luftwaffe an, sie konnten mir uberhaupt keine Auskunft geben, und so wartete ich einfach hier und ...«
Larry kam auf sie zu und brachte sie mit einem Kuss zum Schweigen. Sein Kuss war hart und fordernd. Catherine hatte erwartet, dasselbe physische Verlangen zu verspuren wie er, und sie war uberrascht festzustellen, dass dem nicht so war. Sie liebte ihn sehr, und doch ware sie zufrieden gewesen, einfach mit ihm zu sitzen, zu sprechen, statt mit ihm ins Bett zu gehen, wie er so dringend wollte. Sie hatte ihre sexuellen Gefuhle fur ihn so lange Zeit verdrangt, dass sie tief begraben waren, und es wurde einige Zeit dauern, bevor sie wiedererweckt und an die Oberflache gebracht werden konnten.
Aber Larry lie? ihr keine Zeit. Er warf die Kleider von sich und sagte: »O Gott, Cathy, du kannst dir nicht vorstellen, wie ich von diesem Augenblick getraumt habe. Ich wurde dort drau?en ganz verruckt. Und schau dich an. Du bist noch schoner, als ich dich in Erinnerung habe.«
Er riss seine Shorts herunter und stand nackt da. Und irgendwie war es ein Fremder, der sie aufs Bett niederstie?, und sie wunschte, Larry hatte ihr Zeit gegeben, sich daran zu gewohnen, dass er wieder zu Hause war, sich an seine Nacktheit zu gewohnen. Aber er warf sich ohne zartliche Vorspiele auf sie, zwangte sich in sie, und sie wusste, dass sie nicht fur ihn bereit war. Er riss sie auf, tat ihr weh, und sie biss sich in die Hand, um das Aufschreien zuruckzuhalten, als er auf ihr lag und sie wie ein wildes Tier liebte. Ihr Mann war wieder zu Hause.
Wahrend des nachsten Monats blieb Catherine mit Frasers Genehmigung vom Buro weg, und sie und Larry verbrachten fast jeden Augenblick zusammen. Sie kochte alle seine Lieblingsgerichte fur ihn, sie horten sich Platten an und redeten und redeten und versuchten, die Lucken der vergangenen Jahre zwischen ihnen wieder zu schlie?en. Ihr Korper war jetzt fur ihn bereit, und sie fand ihn als Liebhaber genauso aufregend wie immer. Fast so aufregend.
Sie wollte es sich selbst nicht eingestehen, aber etwas war auf undefinierbare Weise an Larry anders. Er forderte mehr und gab weniger. Immer noch war da ein zartliches Vorspiel, bevor sie sich liebten, aber er tat es auf mechanische Art, wie eine Pflichtubung sozusagen, bevor er zum eigentlichen Angriff uberging. Und es war ein Angriff, ein wildes und ungestumes Nehmen, als wolle sich sein Korper fur irgend etwas rachen, als wolle er strafen. Jedes Mal nachher war Catherine mit blauen Flecken ubersat und fuhlte sich zerschlagen, als ob sie verprugelt worden ware. Vielleicht, verteidigte sie ihn, ist es nur, weil er so lange keine Frau gehabt hatte.
Die Tage vergingen, und seine Liebestechnik blieb die gleiche, und das brachte Catherine schlie?lich dazu, nach anderen Veranderungen an ihm zu forschen. Sie versuchte, ihn unparteiisch zu betrachten, versuchte zu vergessen, dass er ihr Mann war, den sie vergotterte. Sie sah einen gro?en gut gewachsenen Mann mit tiefen dunklen Augen und einem umwerfend schonen Gesicht. Oder vielleicht war »schon« nicht mehr das richtige Wort. Die Linien um seinen Mund verliehen seinen Zugen eine gewisse Harte. Wenn sie ihn als Fremden ansahe, hatte Catherine gedacht: Das ist ein Mann, der egoistisch, rucksichtslos und kalt sein kann. Und doch sagte sie sich, es sei lacherlich. Denn es war doch ihr Larry, liebevoll, freundlich und aufmerksam wie eh und je.
Stolz stellte sie ihn allen ihren Freunden und Kollegen vor, aber sie schienen ihn zu langweilen. Bei Parties zog er sich oft in eine Ecke zuruck und verbrachte den Abend mit Trinken. Es schien Catherine, dass ihm an Geselligkeit nichts lag. »Warum auch?« fuhr er sie eines Abends an, als sie mit ihm daruber sprach. »Wo zum Teufel waren alle diese fetten Schweine, als ich in der Luft war und den Arsch hinhalten musste?«
Einige Male schnitt Catherine das Thema an, was Larry in Zukunft zu tun gedenke. Sie hatte angenommen, er wurde in der Luftwaffe bleiben wollen, aber das erste, was Larry nach seiner Heimkehr tat, war, seinen Abschied zu nehmen.
»Der Militardienst ist fur Dummkopfe. Man kommt dabei nur herunter«, hatte er gesagt.
Es war fast wie eine Parodie ihrer ersten Unterhaltung mit ihm in Hollywood. Nur hatte er damals gescherzt.
Catherine musste mit jemandem uber das Problem sprechen, und sie entschloss sich schlie?lich, mit Bill Fraser zu reden. Sie erzahlte ihm, was sie bekummerte, erwahnte aber die intimeren Probleme nicht.
»Wenn es irgendwie ein Trost fur dich ist«, sagte Fraser mitfuhlend, »es gibt Millionen von Frauen in der ganzen Welt, die das gleiche durchmachen wie du jetzt. Es ist wirklich ganz einfach, Catherine. Du bist mit einem Fremden verheiratet.«
Catherine blickte ihn schweigend an.
Fraser hielt inne, stopfte seine Pfeife und zundete sie an. »Du kannst nicht wirklich erwarten, dass alles wieder da weitergeht, wo ihr vor vier Jahren aufgehort habt, als Larry weg musste.
Diese damalige Situation stimmt nicht mehr. Du bist ihr entwachsen und Larry ebenfalls. Was eine Ehe hauptsachlich intakt halt, ist doch, dass Mann und Frau gemeinsame Erfahrungen haben. Sie entwickeln sich, und ihre Ehe entwickelt sich. Ihr werdet gemeinsame Beruhrungspunkte wieder finden mussen.«
»Ich finde es eigentlich nicht anstandig von mir, mit dir daruber zu sprechen.«
Fraser lachelte. »Ich habe dich zuerst gekannt«, meinte er. »Erinnerst du dich?«
»O ja.«
»Sicher empfindet Larry ebenso«, fuhr Fraser fort. »Er hat vier Jahre mit tausend Mannern zusammengelebt, und jetzt muss er sich daran gewohnen, mit einem Madchen zu leben.«
Sie lachelte. »Mit allem, was du sagst, hast du recht. Ich glaube, ich musste es nur einmal von jemandem horen.«
»Jeder kann gute Ratschlage geben, wie Verwundete zu behandeln sind«, bemerkte Fraser, »aber es gibt Wunden, die nicht zu sehen sind.
Manchmal gehen sie tief.« Er sah den Blick auf Catherines Gesicht. »Ich meine nichts Ernstes«, fugte er schnell hinzu. »Ich spreche nur uber die Grauel, die jeder Frontsoldat zu sehen gezwungen ist. Wenn der Mann nicht ein Rohling ist, muss so etwas eine enorme Wirkung auf seine seelische Verfassung haben. Verstehst du, was ich meine?« Catherine nickte. »Ja.« Die Frage war: Was fur eine Wirkung hatte es gehabt?
Als Catherine endlich zu ihrer Arbeit zuruckkehrte, waren die Leute in der Agentur uberglucklich sie wieder zu sehen. Wahrend der ersten drei Tage tat sie fast nichts anderes, als Werbekampagnen und Entwurfe fur neue Klienten nachzuholen und zu bearbeiten. Sie arbeitete von fruhmorgens bis spat in die Nacht, versuchte die Zeit, die sie verloren hatte, wieder einzuholen, plagte Texter und Sketchschreiber und beruhigte
nervose Klienten. Sie verstand ihren Job ausgezeichnet, und sie liebte ihn.
Larry pflegte auf Catherine zu warten, wenn sie abends nach Hause kam. Anfangs hatte sie ihn gefragt, was er in ihrer Abwesenheit tat; aber seine Antworten waren stets vage, und schlie?lich fragte sie ihn nicht mehr. Er hatte eine Mauer zwischen ihnen errichtet, und sie wusste nicht, wie sie eine Bresche schlagen sollte. Er war uber fast alles, was Catherine sagte, beleidigt, und es gab andauernd Streit wegen Kleinigkeiten. Gelegentlich a?en sie mit Fraser zu Abend, und sie gab sich gro?e Muhe, diese Abende frohlich und heiter zu gestalten, damit Fraser nicht merkte, dass etwas nicht stimmte.
Aber Catherine musste der Tatsache ins Auge blicken, dass irgend etwas ganz und gar nicht stimmte. Sie fuhlte, dass es zum Teil ihre Schuld war. Sie liebte Larry noch immer. Sie liebte sein Aussehen, seinen Korper, und sie liebte die Erinnerung an ihn, aber sie wusste, wenn er so weitermachte, wurde er sie beide zugrunde richten.
Sie a? mit William Fraser zu Mittag.
»Wie geht es Larry?« fragte er.
Die automatische Antwort: »Gro?artig« wollte auf ihre Lippen kommen, und sie hielt inne. »Er braucht eine Stellung«, sagte Catherine unverblumt.
Fraser lehnte sich zuruck und nickte. »Fangt er an, unruhig zu werden, weil er ohne Arbeit ist?«