Larry zogerte einen Augenblick, schien versucht zu sein zu lugen. »Nein, Sir.«
Demiris nickte. »Glauben Sie, dass Sie es lernen werden?«
Larry grinste. »Wenn Sie jemanden haben, der zehn Minuten Zeit erubrigt.«
Demiris beugte sich in seinem Sessel vor und legte seine langen, schlanken Finger gegeneinander. »Ich konnte mir einen
Piloten suchen, der mit allen meinen Maschinen vertraut ist.«
»Das werden Sie kaum tun«, antwortete Larry, »weil Sie sich immer wieder neue Maschinen anschaffen und Sie jemand haben wollen, der jedes Flugzeug steuern kann, das Sie kaufen.«
Demiris nickte. »Sie haben recht«, bestatigte er. »Was ich suche, ist ein Pilot – der geborene Pilot -, einer, der am glucklichsten ist, wenn er fliegt.«
In diesem Augenblick war es Larry klar, dass er die Stellung hatte.
Larry wurde sich nie bewusst, wie nahe er daran gewesen war, die Stellung nicht zu bekommen. Constantin Demiris' Erfolg beruhte weitgehend auf seinem hoch entwickelten Instinkt, Schwierigkeiten vorauszuahnen, und dieser Instinkt hatte ihm so oft geholfen, dass er ihn selten missachtete. Als Ian Whitestone ihn davon unterrichtete, dass er seine Stellung aufgebe, ertonte bei Demiris eine lautlose Alarmglocke. Zum Teil beruhte das auf Whitestones Verhalten. Er verhielt sich unnaturlich und schien unsicher zu sein. Es war keine Frage des Geldes, versicherte er Demiris. Er hatte die Chance, mit seinem Schwager in Sydney ein eigenes Geschaft aufzumachen, und die musste er wahrnehmen. Dann hatte er einen anderen Piloten empfohlen.
»Er ist Amerikaner, aber wir haben zusammen in der RAF gedient. Er ist nicht nur gut, er ist hervorragend, Mr. Demiris. Ich kenne keinen besseren Flieger.«
Demiris horte schweigend zu, als Ian Whitestone ihm die Tugenden seines Freundes pries, und versuchte, den falschen Ton auszumachen, der ihn irritierte. Schlie?lich kam er darauf. Whitestone ubertrieb sein Lob, aber vielleicht geschah es aus Verlegenheit, weil er seine Stellung so unvermittelt aufgab.
Da Demiris ein Mann war, der nicht die geringfugigste Kleinigkeit dem Zufall uberlie?, fuhrte er mehrere Telefongesprache nach verschiedenen Landern, als Whitestone gegangen war. Noch vor dem Abend hatte er sich vergewissert, dass tatsachlich jemand Geld aufgebracht hatte, um Whitestone mit seinem Schwager in Australien ein kleines Elektronikunternehmen zu finanzieren. Er hatte mit einem Freund im britischen Luftfahrtministerium gesprochen und erhielt zwei Stunden spater eine mundliche Auskunft uber Larry Douglas. »Auf dem Boden war er etwas unberechenbar, aber er war ein hervorragender Flieger«, berichtete der Freund. Demiris hatte darauf mit Washington und New York telefoniert und war schnell und zuverlassig uber Larrys gegenwartige Lage informiert worden.
An der Oberflache schien alles so zu sein, wie es sein sollte. Und dennoch empfand Constantin Demiris ein vages Unbehagen, eine Vorausahnung von Schwierigkeiten. Er hatte mit Noelle uber das Problem gesprochen, erwogen, ob er Ian Whitestone vielleicht doch mehr Geld anbieten sollte, damit er bliebe. Noelle hatte ihm aufmerksam zugehort, dann aber gesagt: »Nein, lass ihn gehen, Costa. Und wenn er diesen amerikanischen Flieger so nachdrucklich empfiehlt, wurde ich es mit ihm versuchen.«
Und das hatte schlie?lich den Ausschlag gegeben.
Von dem Augenblick an, da Noelle erfuhr, dass Larry Douglas auf dem Weg nach Athen war, konnte sie an nichts anderes mehr denken. Sie dachte an all die Jahre, die es gedauert hatte, das sorgfaltige und geduldige Planen, das langsame, unausweichliche Zusammenziehen des Netzes, und sie war uberzeugt, Constantin Demiris ware stolz auf sie gewesen, wenn er etwas davon gewusst hatte. Es war Ironie, dachte Noelle. Wenn sie Larry niemals begegnet ware, hatte sie mit Demiris glucklich sein konnen. Sie erganzten einander vollkommen. Beide liebten sie die Macht, und beide wussten sie zu gebrauchen. Sie standen uber gewohnlichen Menschen. Sie waren Gotter, zum Herrschen geschaffen. In letzter Konsequenz konnten sie niemals verlieren, denn sie besa?en eine tiefe, beinahe mystische Geduld. Sie konnten ewig warten. Und nun war fur Noelle das Warten voruber.
Noelle verbrachte den Tag im Garten in der Hangematte und uberdachte ihren Plan, und als die Sonne im Westen zu sinken begann, war sie zufrieden. In gewisser Weise, dachte sie, war es bedauerlich, dass ein so gro?er Teil der vergangenen sechs Jahre von ihren Racheplanen ausgefullt war. Sie hatten fast jeden ihrer wachen Augenblicke geleitet, ihrem Leben Vitalitat und Auftrieb und Spannung verliehen, und jetzt wurde in wenigen Wochen der Kampf sein Ende finden.
In diesem Augenblick, als Noelle in der untergehenden griechischen Sonne lag und die Spatnachmittagsbrise den stillen grunen Park abzukuhlen begann, ahnte sie nicht, dass er gerade erst begann.
In der Nacht vor Larrys Ankunft hatte Noelle nicht schlafen konnen. Die ganze Zeit uber hatte sie wach gelegen, hatte an Paris gedacht und den Mann, der ihr die Gabe des Lachens gegeben und ihr wieder genommen hatte ... spurte Larrys Baby in ihrem Leib, das ihren Korper genauso besa?, wie sein Vater ihren Verstand besessen hielt. Sie erinnerte sich an den Nachmittag in der dusteren Pariser Wohnung und ihrer Todespein, wie sich der spitze Drahtbugel in ihr Fleisch bohrte, tiefer und tiefer, bis er das Baby zerfleischte und sie mit su?em, unertraglichem Schmerz in eine hysterische Raserei trieb, und die endlosen Strome Blut, die sich aus ihr ergossen. Sie erinnerte sich an all dies und durchlebte es noch einmal ... den Schmerz, die Todespein und den Hass ...
Um funf Uhr morgens war Noelle auf und angezogen, sa? in ihrem Zimmer und blickte auf den riesigen Feuerball hinaus, der uber dem Agaischen Meer aufstieg. Das erinnerte sie an einen anderen Morgen in Paris, an dem sie fruh aufgestanden war und sich angezogen hatte und auf Larry wartete – nur wurde er dieses Mal kommen. Weil sie dafur gesorgt hatte, dass er kommen musste. So wie Noelle ihn fruher benotigt hatte, so benotigte er jetzt sie, auch wenn er noch nichts davon wusste.
Demiris schickte eine Nachricht in ihre Zimmer hinauf, dass er gern mit ihr fruhstucken wurde, aber sie war zu erregt, und sie furchtete, dass ihre Stimmung seine Neugier wecken konnte. Langst hatte sie erkannt, dass Demiris die Empfindsamkeit einer Katze besa?: Ihm entging nichts. Wieder ermahnte Noelle sich, vorsichtig zu sein. Sie wollte mit Larry selbst auf ihre Weise abrechnen. Sie hatte lange und intensiv daruber nachgedacht, dass sie Constantin Demiris als unwissentliches Werkzeug benutzte. Falls er es je entdecken sollte, wurde ihm das nicht behagen.
Noelle trank eine halbe Tasse des starken griechischen Kaffees und a? ein halbes frisches Brotchen. Sie hatte keinen Appetit. Ihre Gedanken beschaftigten sich fieberhaft mit der Begegnung, die in wenigen Stunden stattfinden wurde. Sie hatte ungewohnliche Sorgfalt fur ihr Make-up und die Wahl ihres Kleides aufgewendet, und sie wusste, dass sie schon war.
Kurz nach elf horte Noelle die Limousine vor dem Haus vorfahren. Sie atmete tief ein, um ihre Nervositat zu beherrschen, und ging dann langsam zum Fenster. Larry Douglas stieg aus dem Wagen. Noelle beobachtete ihn, als er auf die Haustur zuging, und es war, als ob der Lauf der Jahre verschwande und sie beide wieder in Paris waren. Larry wirkte gereifter, und der Krieg und das Leben hatten seinem Gesicht neue Linien hinzugefugt, aber sie machten ihn nur noch anziehender, als er gewesen war. Als Noelle ihn aus zehn Meter Entfernung durch das Fenster sah, spurte sie wieder die animalische Anziehung, fuhlte die alte Begierde, und als sie in ihr aufwallte, vermischte sie sich mit dem Hass und erfullte sie mit einem Gefuhlsrausch, der nahezu einer Klimax gleichkam. Sie warf einen letzten schnellen Blick in den Spiegel und ging dann nach unten, um dem Mann zu begegnen, den sie vernichten wollte.
Wahrend Noelle die Stufen hinunter schritt, fragte sie sich, wie Larry reagieren wurde, wenn er sie sah. Hatte er vor seinen Freunden und vielleicht sogar vor seiner Frau damit geprahlt, dass Noelle Page ihn einst geliebt hatte? Sie fragte sich, wie schon Hunderte von Malen zuvor, ob er den Zauber dieser Tage und Nachte, die sie gemeinsam in Paris verbrachten, je wieder durchlebt hatte, und ob er bedauerte, was er ihr angetan hatte. Wie musste es an seiner Seele gezehrt haben, dass Noelle international beruhmt geworden war und sein eigenes Leben aus einer Reihe kleiner Versager bestand! Noelle wollte etwas davon jetzt in Larrys Augen erkennen, wenn sie zum ersten Male seit beinahe sieben Jahren einander gegenubertraten.
Noelle hatte die Empfangshalle erreicht, als sich die Vordertur offnete und der Butler ihn hereinfuhrte. Larry starrte beeindruckt in die riesige Halle, ehe er sich umdrehte und Noelle sah. Er blickte sie lange und mit dem Ausdruck der Bewunderung fur eine schone Frau an. »Guten Tag«, sagte er hoflich. »Ich bin Larry Douglas. Ich habe eine Verabredung mit Mr. Demiris.«
Sein Gesicht spiegelte kein Anzeichen des Erkennens wider. Nicht das geringste.
Auf der Fahrt zum Hotel durch die Stra?en Athens war Catherine benommen von der Fulle der Ruinen und Monumente, die sie uberall erblickte. Vor sich hatte sie den atemberaubenden Anblick des wei?marmornen Parthenon hoch oben auf der Akropolis. Uberall waren Hotels und Burohauser, doch auf eine seltsame Weise