»Geschummelt?«
»Ich furchte, ja«, bekannte der Graf. »Sehen Sie, da war ein reicher Furst namens Pelops, der gegen einen Rivalen antrat. Sie entschlossen sich zu einem Wagenrennen, um zu sehen, wer der Bessere sei. In der Nacht vor dem Rennen machte sich Pelops an einem Rad des Wagens seines Rivalen zu schaffen. Als das Rennen begann, war die gesamte Bevolkerung anwesend, um ihrem Favoriten zuzujubeln. In der ersten Kurve loste sich das Rad vom Wagen des Rivalen, und der Wagen sturzte um. Pelops' Rivale verwickelte sich in den Zugeln und wurde zu Tode geschleift. Pelops fuhr weiter zum Sieg.«
»Das ist entsetzlich«, sagte Catherine. »Was hat man mit ihm gemacht?«
»Das ist wirklich das Blamabelste an der Geschichte«, antwortete Graf Pappas. »Die gesamte Bevolkerung hatte durchschaut, was Pelops getan hatte. Er wurde dadurch zu einem so gro?en Helden, dass einer der riesigen Giebel am Zeustempel zu Olympia ihm gewidmet wurde. Er ist noch vorhanden.« Er lachelte schief. »Ich furchte, dieser Schurke lebte spater herrlich und in Freuden. Tatsache ist«, fugte er hinzu, »dass das gesamte Gebiet sudlich von Korinth nach ihm
Peloponnes genannt wurde.«
»Und dann wird behauptet, Verbrechen machten sich nicht bezahlt«, sagte Catherine.
Wenn Larry frei hatte, durchstreifte er mit Catherine zusammen die Stadt. Sie entdeckten wunderbare Geschafte, wo sie stundenlang um Preise feilschten, und abgelegene kleine Restaurants, von denen sie Besitz ergriffen. Larry war ein frohlicher und charmanter Gesellschafter, und Catherine war dankbar, dass sie ihre Stellung in den Vereinigten Staaten aufgegeben hatte, um mit ihrem Mann zusammen zu sein.
Larry war in seinem Leben nie glucklicher gewesen. Die Stellung bei Demiris war der Traum seines Lebens.
Die Bezahlung war gut, aber das interessierte Larry nicht. Ihn interessierten nur die herrlichen Maschinen, die er flog. Er brauchte genau eine Stunde, um die Hawker Siddeley fliegen zu lernen, und funf weitere Fluge, um sie im Griff zu haben. Meistens flog er mit Paul Metaxas, Demiris' sorglosem kleinen griechischen Kopiloten. Metaxas war von dem plotzlichen Ausscheiden Ian Whitestones uberrascht worden und sah dessen Nachfolger mit Unbehagen entgegen. Er hatte uber Larry Douglas Geschichten gehort, und es gefiel ihm nicht gerade, was er gehort hatte. Douglas jedoch schien von seiner neuen Stellung wirklich begeistert zu sein, und Metaxas erkannte schon beim ersten Flug, dass Douglas ein uberragender Pilot war.
Nach und nach gab Metaxas seine Vorbehalte auf, und die beiden Manner wurden Freunde.
Wenn Larry nicht flog, studierte er die Maschinen von Demiris. Und am Ende konnte er alle besser fliegen als jeder vor ihm.
Die Vielseitigkeit seiner Aufgaben faszinierte Larry. Er flog Mitarbeiter von Demiris auf Geschaftsreisen nach Brindisi, Korfu und Rom oder holte Gaste ab und brachte sie zu einer Party auf Demiris' Insel oder zum Skilaufen in dessen Schweizer Chalet. Er gewohnte sich daran, Leute zu fliegen, deren Bilder er standig auf den Frontseiten der Zeitungen und Magazine sah, und erheiterte Catherine mit Geschichten uber sie. Er flog den Prasidenten eines Balkanstaates, einen britischen Premierminister, einen arabischen Olscheich mit seinem ganzen Harem. Er flog Opernsanger und eine Ballettkompanie und das Ensemble eines Broadway-Stuckes zu einer einzigen Vorstellung in London aus Anlass von Demiris' Geburtstag. Er flog Richter des Supreme Court, einen Kongressabgeordneten und einen ehemaligen Prasidenten der Vereinigten Staaten. Wahrend dieser Fluge verbrachte Larry die meiste Zeit im Cockpit, aber hin und wieder wanderte er nach hinten in die Kabine, um sich zu vergewissern, dass seine Passagiere es behaglich hatten. Manchmal horte er Bruchstucke der Unterhaltungen von Finanzmagnaten uber bevorstehende Fusionen oder Borsentransaktionen. Larry hatte aus diesen Informationen ein Vermogen machen konnen, aber er interessierte sich nicht dafur. Was ihn beschaftigte, waren die Flugzeuge, die er steuerte, kraftvolle und lebende Maschinen unter seiner Kontrolle.
Es dauerte zwei Monate, bis Larry Demiris selbst zum ersten Mal flog.
Sie flogen in der Piper, und Larry brachte seinen Arbeitgeber von Athen nach Dubrovnik. Es war ein wolkenreicher Tag, und entlang der Route waren sturmische Winde und Regenboen gemeldet worden. Larry hatte sorgfaltig den am wenigsten sturmischen Kurs ermittelt, aber die Luft war so voller Turbulenzen, dass er ihnen unmoglich ganz ausweichen konnte.
Eine Stunde nachdem sie Athen verlassen hatten, lie? Larry das Signal »Anschnallen« aufleuchten und sagte zu Metaxas: »Pass' auf, Paul, das kann uns unseren Job kosten.«
Zu Larrys Uberraschung erschien Demiris im Cockpit. »Darf ich Ihnen Gesellschaft leisten?« fragte er.
»Sie sind der Chef«, antwortete Larry. »Es wird sehr sturmisch werden.«
Metaxas uberlie? seinen Sitz Demiris, und Demiris schnallte sich an. Larry ware es lieber gewesen, wenn der Kopilot fur den Notfall neben ihm gesessen hatte, aber das Flugzeug gehorte Demiris.
Der Sturm dauerte annahernd zwei Stunden. Larry umging den riesigen Wolkenberg, der sich vor ihnen herrlich wei? und todlich aufturmte.
»Wunderschon«, meinte Demiris dazu.
»Das sind Morder«, sagte Larry. »Kumulus. Sie erscheinen so hubsch und schaumig, weil in ihnen Luftstromungen herrschen, die nach oben steigen. Das Innere dieser Wolken kann ein Flugzeug innerhalb von zehn Sekunden zerrei?en. Man kann in weniger als einer Minute tausend Meter steigen oder fallen, ohne die Kontrolle uber die Maschine zu haben.«
»Ich bin uberzeugt, dass Ihnen das nicht passieren wird«, sagte Demiris gelassen.
Die Winde packten das Flugzeug und versuchten, es uber den Himmel zu fegen, aber Larry kampfte darum, es unter Kontrolle zu behalten. Er verga? die Anwesenheit von Demiris, konzentrierte sich ganz auf die Maschine, die er flog, nutzte jede Erfahrung, die er je gesammelt hatte. Schlie?lich war die Maschine aus dem Sturm heraus. Larry drehte sich schwei?gebadet um und stellte fest, dass Demiris das Cockpit verlassen hatte. Metaxas sa? in dem Sitz des Kopiloten.
»Das war ein miserabler erster Flug fur ihn, Paul«, sagte Larry. »Ich konnte Arger bekommen.«
Er rollte auf dem kleinen, von Bergen gesaumten Flugplatz von Dubrovnik aus, als Demiris unter der Tur zum Cockpit erschien.
»Sie hatten recht«, sagte Demiris zu Larry. »Sie sind sehr gut in Ihrem Beruf. Ich bin zufrieden.«
Und Demiris war verschwunden.
Eines Morgens, als Larry sich zu einem Flug nach Marokko bereit machte, rief Graf Pappas an und schlug vor, mit Catherine eine Fahrt uber Land zu machen. Larry bestand darauf, dass sie zusagte. »Bist du denn nicht eifersuchtig?« fragte sie.
»Auf den Grafen?« Larry lachte.
Und plotzlich ging Catherine ein Licht auf. In der ganzen Zeit, in der sie mit dem Grafen zusammen gewesen war, hatte er ihr nicht ein einziges Mal Avancen gemacht oder ihr einen anzuglichen Blick zugeworfen. »Ist er homosexuell?« fragte sie.
Larry nickte. »Das ist der Grund, weshalb ich dich seiner liebevollen Fursorge uberlassen habe.«
Der Graf holte Catherine fruhzeitig ab, und sie fuhren nach Suden, der weiten Ebene von Thessalien entgegen. Schwarzgekleidete Frauen wanderten die Stra?en entlang, tief gebeugt unter den Holzlasten, die sie sich auf den Rucken geschnallt hatten.
»Warum leisten die Manner nicht die schwere Arbeit?« fragte Catherine.
Der Graf warf ihr einen amusierten Blick zu.
»Das wollen die Frauen nicht«, erwiderte er. »Ihre Manner sollen in der Nacht frisch fur andere Dinge sein.«
Eine Lektion fur uns alle, dachte Catherine gequalt.
Am spaten Nachmittag naherten sie sich dem drohend aussehenden Pindos-Gebirge, dessen zerkluftete Felsen hoch in den Himmel ragten. Die Stra?e wurde durch eine Schafherde blockiert, die von einem Schafer und einem zottigen Hund bewacht wurde. Graf Pappas hielt an, um zu warten, bis die Schafe die Stra?e freigaben. Verwundert beobachtete Catherine den Hirtenhund, der nach den Fesseln ausbrechender Schafe schnappte, sie in der Herde hielt und in die Richtung zwang, in der er sie haben wollte.
»Dieser Hund ist beinahe menschlich«, rief Catherine verwundert aus.
Der Graf sah sie nur kurz an. In seinem Blick lag etwas, was sie nicht verstand.
»Was ist denn?« fragte sie.
Der Graf zogerte. »Es ist eine recht unerfreuliche Geschichte.«
»Ich bin schlie?lich erwachsen.«