erschienen die neueren Gebaude Catherine provisorisch und unbestandig, wahrend der Parthenon unsterblich und zeitlos in die kristallklare Luft ragte.
»Imposant, nicht wahr?« Larry lachelte. »So ist die ganze Stadt. Eine einzige schone Ruine.«
Sie kamen an einem gro?en Park im Zentrum der Stadt vorbei, in dessen Mitte Fontanen tanzten. Hunderte von Tischen mit grunen und orangen Pfosten saumten den Park, und der Himmel uber ihnen war von blauen Sonnensegeln verdeckt.
»Das ist der Verstopfungsplatz«, erklarte Larry.
»Was?«
»Richtig hei?t er Verfassungsplatz. Den ganzen Tag sitzen Leute an diesen Tischen und trinken griechischen Kaffee und lassen die Welt an sich voruberziehen.«
Fast in jedem Block gab es Stra?encafes, und an den Ecken verkauften Manner frisch gefischte Schwamme. Uberall wurden Blumen feilgeboten, und die Stande waren ein Rausch leuchtend bunter Bluten.
»Die Stadt ist so wei?«, sagte Catherine. »Es blendet einen.« Die Suite im Hotel war geraumig und bezaubernd. Von ihr aus uberblickte man den Syntagma-Platz im Zentrum der Stadt. Im Wohnraum standen schone Blumen und eine gro?e Schale mit Obst.
»Es ist herrlich, Liebling«, sagte Catherine, wahrend sie durch die Raume ging.
Der Page hatte ihre Koffer abgestellt, und Larry gab ihm ein Trinkgeld. »Para poli«, sagte der Junge.
»Parakalo«, antwortete Larry.
Der Page ging und schloss die Tur hinter sich.
Larry ging auf Catherine zu und legte die Arme um sie. »Willkommen in Griechenland.« Er kusste sie gierig, und sie spurte die Harte seines Korpers, der sich gegen ihre Weichheit presste, und sie wusste, wie sehr er sie vermisst hatte, und war froh. Er fuhrte sie ins Schlafzimmer.
Auf dem Frisiertisch lag ein kleines Packchen. »Offne es«, forderte Larry sie auf.
Ihre Finger losten die Umhullung, und in einer Schachtel lag ein kleiner aus Jade geschnittener Vogel. Obwohl Larry sehr beschaftigt gewesen war, hatte er daran gedacht, und Catherine war geruhrt. Irgendwie war der Vogel ein Talisman, ein
Vorzeichen dafur, dass alles gut gehen wurde, dass die Probleme der Vergangenheit hinter ihnen lagen.
Als sie sich liebten, sprach Catherine stumm ein kleines Dankgebet, war dankbar dafur, in den Armen ihres Mannes zu liegen, den sie so sehr liebte, in einer der erregendsten Stadte der Welt zu sein, ein neues Leben zu beginnen. Dies war der alte Larry, und alle ihre Schwierigkeiten hatten ihre Ehe nur gestarkt.
Jetzt konnte ihnen nichts mehr zusto?en.
Am nachsten Morgen beauftragte Larry einen Makler, Catherine einige Wohnungen zu zeigen. Der Makler erwies sich als ein kleiner dunkler Mann mit einem kraftigen Schnurrbart. Er hie? Dimitropoulos und sprach sehr schnell in einer Sprache, die er gewiss fur perfektes Englisch hielt, die aber aus griechischen Wortern bestand, in die gelegentlich eine unverstandliche englische Phrase eingeflochten war.
Catherine appellierte an sein Mitleid – ein Trick, zu dem sie in den kommenden Monaten noch oft greifen wurde – und uberredete ihn, sehr langsam zu sprechen, damit sie einige der englischen Worter herauslesen und versuchen konnte, kuhn zu erraten, was er meinte.
Als viertes zeigte er ihr eine helle und sonnige Vierzimmerwohnung. Sie lag, wie sie spater erfuhr, im Stadtteil Kolonaki, dem eleganten Vorort von Athen, dessen Stra?en von schonen Wohnhausern und schicken Laden gesaumt wurden.
Als Larry an diesem Abend ins Hotel zuruckkam, berichtete Catherine ihm von der Wohnung, und zwei Tage spater zogen sie dort ein.
Larry war tagsuber fort, versuchte aber, zum Abendessen bei Catherine zu Hause zu sein. Das Abendessen wird in Athen zwischen neun und zwolf Uhr eingenommen. Zwischen zwei und funf Uhr nachmittags macht jeder Siesta, und danach sind die Laden wieder bis in den spaten Abend hinein geoffnet. Catherine war von der Stadt restlos gefesselt. An ihrem dritten
Abend in Athen brachte Larry einen Freund mit nach Hause, Graf George Pappas, einen attraktiven Griechen, ungefahr funfundvierzig Jahre alt, gro? und schlank, mit dunklem Haar und einem Schimmer von Grau an den Schlafen. Er war von einer eigentumlichen altmodischen Wurde, die Catherine gefiel. Er fuhrte sie zum Abendessen in eine kleine Taverne in der Plaka, dem alten Teil der Stadt. Die Plaka bestand aus einigen steilen Morgen Land, die im Herzen der City von Athen willkurlich zusammengeworfen worden waren, mit gewundenen Ga?chen und verfallenden, ausgetretenen Treppen, die zu winzigen Hausern aus der Zeit der Turkenherrschaft fuhrten, als Athen nicht mehr als nur ein Dorf war. Die Plaka war ein Ort der wei?getunchten, windschiefen Hauser, des frischen Obstes und der Blumenstande, des herrlichen Dufts von im Freien gerostetem Kaffee, jaulender Katzen und lautstarker Stra?enschlagereien. Die Wirkung war bezaubernd. In jeder anderen Stadt, fand Catherine, wurde ein Stadtteil wie dieser zu den Slums gehoren. Hier war er ein Monument.
Die Taverne, in die Graf Pappas sie fuhrte, lag auf einer Dachterrasse, von der aus man die Stadt uberblickte. Die Kellner waren in farbenfrohe Trachten gekleidet.
»Was mochten Sie gern essen?« fragte der Graf Catherine.
Ratlos studierte sie die fremde Speisekarte. »Wollen Sie nicht lieber fur mich bestellen? Ich furchte, ich wurde den Wirt bestellen.«
Graf Pappas suchte ein reichhaltiges Menu, eine Vielzahl von Gerichten aus, um Catherine die Moglichkeit zu geben, alles zu probieren. Sie a?en dolmadhes, Fleischklo?e in Weinlaub; musakas, eine saftige Fleischpastete mit Auberginen; stifadho, geschmorten Hasen mit Zwiebeln – Catherine wurde erst verraten, was es war, als sie die Halfte gegessen hatte, und danach bekam sie keinen Bissen mehr hinunter – und taramo-salata, den griechischen Salat aus Kaviar mit Olivenol und Zitrone. Der Graf bestellte dazu eine Flasche Retsina.
»Dieser Wein ist unser Nationalgetrank«, erklarte er. Er sah Catherine amusiert zu, wie sie ihn probierte. Der Wein hatte einen herben, harzigen Geschmack, und Catherine schluckte ihn tapfer hinunter.
»Was immer ich gegessen habe«, keuchte sie, »ich glaube, dies hat mich davon geheilt.«
Wahrend sie a?en, begannen drei Musiker, Bouzouki-Musik zu spielen. Sie war lebhaft und frohlich und mitrei?end, und sie beobachteten, wie Gaste von ihren Platzen aufstanden und auf der Tanzflache zu der Musik zu tanzen begannen. Catherine war erstaunt, dass nur Manner tanzten – und wie sie tanzten! Es gefiel ihr ungeheuer.
Sie verlie?en das Restaurant erst nach drei Uhr morgens. Der Graf brachte sie zu ihrer neuen Wohnung. »Haben Sie schon irgend etwas besichtigt?« fragte er Catherine.
»Eigentlich nicht«, gestand sie. »Ich warte darauf, dass Larry Zeit dafur hat.«
Der Graf wandte sich an Larry. »Vielleicht konnte ich Catherine einiges zeigen, bis wir gemeinsam etwas unternehmen konnen.«
»Das ware gro?artig«, antwortete Larry. »Wenn es Ihnen nicht zu viele Umstande macht?«
»Es ware mir ein Vergnugen«, erwiderte der Graf. Er wandte sich an Catherine. »Wurden Sie mich als Fuhrer akzeptieren?«
Sie sah ihn an und dachte an Dimitropoulos, den kleinen Wohnungsmakler, der so flie?end Unverstandliches sprach.
»Ich wurde mich sehr freuen«, erwiderte sie aufrichtig.
Die nachsten Wochen waren faszinierend. Catherine verbrachte den Morgen damit, die Wohnung aufzuraumen, und am Nachmittag, wenn Larry fort war, holte der Graf sie ab und zeigte ihr die Sehenswurdigkeiten.
Sie fuhren nach Olympia hinaus. »Dies ist der Schauplatz der ersten olympischen Spiele«, erklarte ihr der Graf. »Sie wurden hier tausend Jahre lang regelma?ig, trotz Kriegen, Pestilenz und Hungersnoten, abgehalten.«
Catherine betrachtete bewundernd die Ruinen der gro?en Arena, dachte an die Erhabenheit der Wettkampfe, die hier uber die Jahrhunderte stattgefunden hatten, an die Triumphe, an die Niederlagen.
»Da redet man so viel von den Sportplatzen von Eton«, sagte sie. »Hier war es, wo der Geist der Sportlichkeit wirklich seinen Anfang nahm, oder nicht?«
Der Graf lachte. »Ich furchte, nein«, sagte er. »Die Wahrheit ist etwas peinlich.«
Catherine blickte interessiert auf. »Warum?«
»Bei dem ersten Wagenrennen, das hier veranstaltet wurde, ist geschummelt worden.«